Wer dem Gesetz im Ganzen zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Dem Gesetz wur de einstimmig zugestimmt.
Große Anfrage der Fraktion der CDU und Antwort der Landesregierung – Frauengesundheit in Baden-Württem berg – Drucksache 15/964
Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Ausspra che eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion und für das Schlusswort der antragstellenden Fraktion eine Redezeit von fünf Minuten festgelegt.
Sehr geehrte Frau Präsi dentin, meine Damen und Herren! 51 % der baden-württem bergischen Bevölkerung sind weiblich, und sie sind es, denen wir heute anlässlich des morgigen Internationalen Tags der Frau unsere besondere Aufmerksamkeit schenken.
Dabei können wir zuallererst feststellen, dass die Lebensent würfe und Handlungsoptionen von Frauen in den letzten Jahr zehnten entscheidenden Veränderungen unterworfen waren. Ich erwähne nur einige Beispiele, die bei Weitem keinen An spruch auf Vollständigkeit erheben.
Noch nie hatten wir eine so gut ausgebildete Frauengenerati on und so viele erfolgreiche Studentinnen. Vor dem Hinter grund des demografischen Wandels haben die Unternehmen die Arbeits- und Fachkräftereserven der Frauen entdeckt.
Die Bevölkerung wird insgesamt älter; Frauen werden älter als Männer. Frauen können heute – so ist es vorausberechnet – 83,5 Jahre alt werden, Männer nur knapp 79 Jahre.
Lebenswelten und -erfahrungen werden von Männern und Frauen unterschiedlich wahrgenommen. So gibt es insbeson dere auch Unterschiede in der Entstehung, Bewältigung und Behandlung von Krankheit und Gesundheit. Frauen unter scheiden sich eben nicht nur anatomisch von Männern, son dern auch im Hormonhaushalt und in vielen damit zusammen hängenden psychischen und körperlichen Vorgängen. Deshalb haben Frauen auch andere gesundheitliche Risiken, und des wegen lohnt es sich, einen Blick darauf zu werfen, wie es um die spezifische Gesundheit von Frauen in unserem Land be stellt ist.
Genau dies war die Intention der Großen Anfrage der CDUFraktion. Wir wollten eine umfassende Information und woll ten gleichzeitig hinterfragen, ob und wo es noch weiteren Handlungsbedarf gibt. Ich denke, dass über die Wichtigkeit dieses Themas Konsens bestehen dürfte. Niemand in diesem Hohen Haus wird wohl die Ansicht vertreten, beim Thema Frauengesundheit handelte es sich um Gedöns, wie Altbun deskanzler Schröder den Geschäftsbereich des Bundesfami lien- und -frauenministeriums noch 1998 bezeichnet hat.
Die Regierung hat die von uns gestellten Fragen sehr ausführ lich behandelt. Dafür möchte ich mich ausdrücklich bedan ken. Fest steht, dass die spezifische Frauengesundheitsfor schung noch nicht allzu alt ist, und wir sind froh, dass bereits im Jahr 2005 unter der Vorgängerregierung an der Universi tät Tübingen ein Institut für Frauengesundheit eingerichtet werden konnte. Ganz neu gibt es die eben eröffnete Heidel berger Akademie für Frauen- und Familiengesundheit.
Im Folgenden möchte ich auf einige besondere Punkte einge hen, in denen sich Frauengesundheit signifikant von Männer gesundheit unterscheidet.
So unterscheidet sich die Bioverfügbarkeit – Wirkung, Ne benwirkung – von Medikamenten bei weiblichen und männ lichen Patienten bisweilen stark voneinander.
Herz-Kreislauf-Erkrankungen entwickeln sich bei Frauen, be dingt durch den hormonellen Schutz, erst später.
Eine unterschiedliche Symptomatik gibt es bei den koronaren Herzkrankheiten, deren dramatischer Gipfel ein Herzinfarkt sein kann. Bei Frauen werden die Beschwerden oft als Na ckenverspannung oder als allgemeine Übelkeit wahrgenom men und erschweren die Diagnose und die sofortige Thera pie. Der in der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage zitierte PROCAM Score ist nur für Männer valide und sollte bei Frauen nicht verwendet werden. Für Frauen gibt es hier bessere und validere Instrumente.
Marie von Ebner-Eschenbach sagte: „Wir sollten nicht nur so leben, als ob wir morgen sterben, sondern auch so, als ob wir noch 100 Jahre leben könnten.“ Damit trifft sie das Thema Vorsorge.
Gesundheit von Frauen entsteht im Alltag. Dieser ist vielfach durch berufliche und familiäre Aufgaben geprägt. Durch die Versorgung von Kindern und die Pflege von Angehörigen gibt es häufig auch Doppelbelastungen. Dennoch scheinen Frau en mehr Eigenverantwortung und Fürsorge für sich selbst zu übernehmen als Männer, wenn man den Bereich der Vorsor ge betrachtet, wobei hier ein deutlicher Unterschied zwischen sozial gutgestellten und sozial schlechtgestellten Frauen be steht. Man muss auch sagen: Armut ist selbst im wohlhaben den Baden-Württemberg noch immer ein Gesundheitsrisiko.
Ein Drittel der Entbindungen im Land erfolgt durch einen Kai serschnitt. Das ist ein sehr hoher Anteil, der – neben einem höheren Alter der Mütter und einem höheren Geburtsgewicht der Kinder – auf verschiedene Gründe zurückgeht. Aber es handelt sich in diesem Zusammenhang bestimmt auch um ei ne Frage des Lifestyles. Nicht näher eingehen möchte ich auf die allenthalben geäußerte Vermutung, dass auch wirtschaft liche Interessen von Kliniken eine Rolle spielen könnten.
Wir dürfen daher nicht nachlassen, die Mütter besser zu in formieren, auch unter dem Aspekt, dass die Mortalitätsrate für Frauen bei einem Kaiserschnitt um das 2,6-Fache höher ist als bei einer natürlichen Geburt.
Positive Bewertungen gibt es hinsichtlich des Mammogra fiescreenings, das unter der früheren Sozialministerin Dr. Mo nika Stolz in Baden-Württemberg eingerichtet wurde. Nach einem Bericht im „Ärzteblatt“ vom März 2012 werden mehr kleine Tumore entdeckt und können mehr Leben gerettet wer
den. Fundierte Aussagen sind jedoch erst nach zehn Jahren möglich, wobei es wichtig ist, dass das Land seine Anstren gungen erhöht, um zu erreichen, dass wirklich 70 % der Frau en zwischen 50 und 69 Jahren der Einladung folgen, damit wir eine bessere Datenbasis bekommen.
Besonders, weil es auch in der internationalen Literatur kriti sche Stimmen zum Nutzen des Mammografiescreenings gibt, brauchen wir diese solide Datenbasis. Wir fordern deswegen gemeinsam mit dem Landesfrauenrat und den Landfrauen, die Landesregierung bei der Bewerbung und der Bekanntmachung des Screenings zu unterstützen.
Die große Mystikerin des Mittelalters, Hildegard von Bingen, hat gesagt: „Drei Pfade hat der Mensch in sich, in denen sich sein Leben tätigt: die Seele, den Leib und die Sinne.“ Deswe gen muss man auch nach der seelischen Gesundheit von Men schen fragen.
Frauen leiden doppelt so häufig unter Depressionen wie Män ner, und Männer leiden viermal so häufig wie Frauen unter al kohol- und drogenverursachten Störungen. Die Prävalenz af fektiver Störungen bei Frauen ist besonders durch Armut, Be nachteiligung am Arbeitsplatz und Rollenüberlastung geprägt. Frauen sind, da sie durchschnittlich ein höheres Alter errei chen als Männer, auch häufiger von Demenz betroffen. Frau en ernähren sich aber gesünder und haben eine gesündere Le bensweise.
Frauen suchen weniger Ausgleich im Sport. Auch hier zeigt sich: Eine bessere psychische Gesundheit und eine gesünde re Lebensweise sind vom sozialen Status abhängig.
In diesem Zusammenhang wäre es auch interessant, zu erfah ren, wie die Gesundheitsdaten von Frauen mit Migrationshin tergrund sind. Hier besteht noch Informationsbedarf.
Körpergewicht und Adipositas: Hier liegt Baden-Württem berg im Bundesdurchschnitt ganz gut. Auch dies ist ein wich tiger Punkt, denn das ist eine Ursache für viele Folgeerkran kungen.
Bewegung: Auch und gerade Alltagsbewegung muss wie ei ne gesunde Ernährung von früher Jugend an in den Familien und in der Schule – besser noch: schon im Kindergarten – an trainiert und gelebt werden. Wir plädieren dafür, in den Schu len, insbesondere auch im Ganztagsschulbereich, neben den Ernährungsjugendbegleitern auch Gesundheitsjugendbeglei ter einzusetzen, damit dieser wichtige Bereich noch stärker gefördert werden kann.
Ein gutes Beispiel aus der Praxis ist der Ernährungsführer schein, der eine hohe Akzeptanz an den Grundschulen, an de nen er eingeführt ist, besitzt.
Zusammenfassend möchte ich noch einmal aufzählen, wie wir die Landesregierung bei der notwendigen Umsetzung folgen der Aufgaben unterstützen: Frauengesundheit als Querschnitts aufgabe begreifen und als solche betrachten, Forschung zur Frauengesundheit weiter ausbauen, Mammografiescreening
auf 70 % Beteiligung steigern, gesunde Ernährung, Alltags bewegung in Schulen noch stärker fördern, um hier ein frü hes Signal für Prävention zu setzen.
Meine Damen und Herren, Alltagsbewegung ist effektiv und einfach. Meine persönliche Empfehlung geht daher an die hier versammelten Frauen und Männer gemeinsam: Wir sollten im Abgeordnetenhaus viel weniger den Aufzug benutzen
natürlich einen Gesundheitsvorteil, weil wir immerhin bis in den dritten bzw. vierten Stock steigen müssen.