Ich bin gespannt, wie sich die CDU Baden-Württemberg da zu verhält. Man hört noch immer, diese sei ein einflussreicher Landesverband. Nachdem Frau Merkel bei der Hauptschule, der Atomkraft und der Familienpolitik die Rolle rückwärts ge macht hat, steht nun offensichtlich das Thema Mindestlohn an. Das ist eine Anpassung an die gesellschaftliche und wirt schaftliche Realität. Herzlich willkommen in der Realität, lie be CDU.
Herr Kollege Paal, Sie haben im Parforceritt dargestellt, wie man, ausgehend vom Kapita lismus in Reinkultur, bei der sozialen Marktwirtschaft landen kann. Irgendwann haben Sie dann auch – ich weiß nicht ge nau, wie es Ihnen gelungen ist – das Thema Mindestlohnkom mission erwähnt. Dabei sind Sie ziemlich nah bei uns. § 3 des Gesetzentwurfs über die Festsetzung des Mindestlohns, den die SPD-Bundestagsfraktion im Februar dieses Jahres einge bracht hat, sieht genau diese Mindestlohnkommission vor, die sich aus Vertretern der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer zusammensetzen soll. Diese Mindest lohnkommission soll den Mindestlohn festsetzen. Insofern fordere ich Sie auf, dafür zu sorgen, dass die CDU auf Bun desebene unserer Initiative zustimmt.
Herr Paal, eine Frage haben Sie nicht beantwortet. Ich hätte eigentlich erwartet, dass Sie heute Morgen eine Antwort auf diese Frage geben. Wenn Sie auf Ihrem Parteitag eine Min destlohnregelung mit Ausnahmen beschließen, dann sollten Sie auch sagen, welche Ausnahmen angedacht sind – außer vielleicht dem Pflücken von Erdbeeren. Sie wissen doch ge nau: Wenn Ausnahmen nicht abschließend aufgezählt und eng abgegrenzt werden, bringt das gar nichts. Dann wird jeder Ar beitgeber, der diese Regelung umgehen will, von der Ausnah meregelung Gebrauch machen.
Herr Dr. Rülke, als ich heute Morgen im Hotelzimmer die Nachrichten eingeschaltet habe, ist mir als Erster Herr Brü derle begegnet.
(Heiterkeit – Vereinzelt Beifall – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Oje! Im Hotelzimmer! Das ist ja un glaublich! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Sie sollten morgens lieber frühstücken als fernsehen! – Weitere Zurufe)
Es war noch vor dem Frühstück. – Das war ein „freudiges“ Erwachen. Er hat sinngemäß gesagt: „Die CDU kann auf ih rem Parteitag beschließen, was sie will. Das ist ihr gutes Recht. Das ist das gute Recht jeder Partei. Regierungshandeln ist aber eine andere Sache. Im Koalitionsvertrag ist kein Min destlohn festgeschrieben. Mit der FDP wird es keinen Min destlohn geben.“
Insofern muss derjenige, der den Mindestlohn will, dafür sor gen, dass Schwarz-Gelb im Jahr 2013 abgewählt wird.
(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Claus Schmiedel SPD: Bravo! – Abg. Friedlinde Gurr- Hirsch CDU: Deshalb machen Sie schon jetzt Wahl kampf!)
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Herr Schoch, die USA als Vorbild zu nehmen halte ich für gewagt.
Ich habe in den Achtzigerjahren in den USA für einen Min destlohn gearbeitet. Ich weiß nicht, ob Sie das schon einmal gemacht haben. Ich weiß, wie viel davon abends übrig bleibt. Ich habe für 3 US-Dollar in der Stunde gearbeitet. Ich weiß, was das bedeutet.
Ich habe für mich aber einen anderen Schluss daraus gezogen. Ich habe daraus den Schluss gezogen: Die Wirtschaft muss funktionieren. Wir brauchen Innovationen, wir brauchen Fort schritt, und wir brauchen Infrastruktur in einem Land. Dann können wir höhere Löhne zahlen.
Ich habe übrigens auch die andere Seite kennengelernt. Ich habe auch zwei Jahre bei Bosch gearbeitet. Das ist ein sehr tolles Unternehmen, das wirklich anständige Löhne zahlt.
Außerdem war ich selbstständig. Da gab es auch Monate, in denen ich nichts verdient habe. Auch das muss man einmal durchstehen.
Wie gesagt: Ich habe für mich andere Schlüsse gezogen. Ich möchte eine Wirtschaftspolitik, bei der es diesem Land gut geht. Wo Missbrauch herrscht – das habe ich ganz offen ge sagt –, fordert die soziale Marktwirtschaft von uns, dass wir Regeln aufstellen.
Diese Regeln – da bin ich sehr zuversichtlich – wird die CDU auf ihrem Bundesparteitag auch finden und beschließen. Ich traue meiner Partei das zu. Denn sie hat bisher als einzige Par
tei solche Regeln aufgestellt. Die Branchenmindestlöhne wur den alle unter CDU-Bundeskanzlern geschaffen.
(Abg. Gernot Gruber SPD begibt sich an ein Saalmi krofon. – Abg. Gernot Gruber SPD: Darf ich eine Zwischenfrage stellen?)
Am Schluss, bitte. – Ich wehre mich dagegen, dass Unter nehmen ohne Tarifbindung schlechtgemacht werden. Die Mehrheit der Unternehmen hat keine Tarifbindung. In BadenWürttemberg gibt es auch Missbrauch – ich habe es gesagt und wiederhole es –, aber in Baden-Württemberg ist die über wiegende Mehrheit der Unternehmer gegenüber ihren Mitar beitern fair, schätzt ihre Mitarbeiter –
das Problem des Fachkräftemangels wird sich ja noch drama tisch verschärfen – und geht anständig mit ihren Mitarbeitern um. Ich möchte nicht, dass Sie das schlechtreden.
Baden-Württemberg steht gut da. Die baden-württembergi sche Wirtschaft hat kein Problem mit dem Mindestlohn oder mit einer Lohnuntergrenze. Deshalb ist mir überhaupt nicht angst und bange, wenn wir das für Baden-Württemberg ein führen.
Bringen Sie dieses Land voran, sodass wir hier Innovation und Fortschritt haben. Dann können unsere Unternehmer in einem Klima, bei dem sie frei arbeiten können, auch Verantwortung für ihre Mitarbeiter übernehmen.
(Zuruf von der CDU: Den Kittel hat er vom Mindest lohn bezahlt! – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU)
Herr Paal, Sie haben die kühne Behauptung aufgestellt, dass die CDU das Entsendegesetz in itiiert habe und außer der CDU niemand ein Entsendegesetz eingeführt oder Regelungen für Mindestlöhne festgelegt ha be. Ich frage Sie: Welcher CDU-Bundesarbeitsminister hat das Entsendegesetz eingeführt, und wer hat die Regelungen für den Mindestlohn in diesem Gesetz aufgestellt?
Herr Gruber, ich sage es noch einmal: Die drei Gesetze, die ich vorhin zitiert hatte, wurden unter CDU-Kanzlern eingeführt. Die zehn Branchenmindestlöhne,
Noch einmal: Ich habe lange recherchiert, aber nichts gefun den, was Sie, als Sie im Bund regiert haben, in diesem Be reich eingeführt haben.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf von der CDU: Bravo! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das ist ein Unsinn! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Er braucht Recherchenachhilfe! – Abg. Gernot Gruber SPD: Darf ich noch eine Nach frage stellen?)
Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Einsicht ist der erste Weg zur Besse rung. Das haben wir beim Thema Mindestlöhne zumindest auf der Bundesebene festgestellt. Wie weit die Einsicht hier im Haus vorangeschritten ist, konnte ich den ambivalenten Re den der Kollegen von CDU und FDP/DVP nicht ganz entneh men. Ich fand sie im Kern nicht ganz schlüssig.
Was ich nicht verstanden habe, ist die absolut klischeehafte Betrachtungsweise von Wirtschaft, die ich hier vernommen habe.