Protocol of the Session on February 18, 2016

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich das Wort dem Kollegen Haußmann.

Wenn man den zwölf ten Bericht der Bundesregierung zur Entwicklung der Zeitar beit liest, dann kann man erkennen, dass die Zeitarbeit ihre Kernaufgaben erfüllt hat. Sie ist Beschäftigungsmotor und bietet Beschäftigungschancen für Menschen, die erst wieder in den Arbeitsmarkt kommen müssen. Etwa 2 % der Erwerbs tätigen befinden sich in der Zeitarbeit, und etwa 30 % davon haben keine Berufsausbildung. Wenn man die Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit erhebt, sollte man auch da rüber nachdenken, es zu unterstützen, wenn jemand aus der Langzeitarbeitslosigkeit über die Leiharbeit wieder Fuß fasst.

(Zuruf der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE)

Aber wenn Sie die Schrauben zu sehr anziehen, bewirken Sie vielleicht noch mehr Arbeitslosigkeit und noch mehr Lang zeitarbeitslosigkeit. Deswegen sind die bestehenden Regelun gen aus unserer Sicht ausreichend.

Wenn Sie nicht gelesen haben, was das Institut der deutschen Wirtschaft geschrieben hat, dann empfehle ich Ihnen zur Lek türe, was auch der Landesverband der Baden-Württembergi schen Industrie sagt: „Aufgrund der Entwicklung der Büro kratie, der Lohnkosten haben wir viel zu wenig Investitionen im Land Baden-Württemberg.“ Auf Bundesebene – die Arbeit der Großen Koalition – werden in dieser Legislaturperiode 8 Milliarden € für die Rente zusätzlich ausgegeben. Gleich zeitig müssen wir immer mehr Straßen sperren, weil wir sie nicht sanieren, weil wir Brücken nicht sanieren.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Wo? – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Welche Straßen? – Abg. Hans-Ul rich Sckerl GRÜNE: Können Sie uns sagen, wo die Straßen sind?)

Da gibt es verschiedene Straßen. Denken Sie einmal an ver schiedene Brücken, deren Tragkraft man reduziert. Wir soll ten in die Zukunft unseres Landes investieren. Das sollten wir auch nicht vergessen.

(Zuruf des Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD)

Wir dürfen die Herausforderungen der Flüchtlingssituation nicht vergessen, wofür wir erhebliche Mittel investieren und auch flexible Instrumente benötigen.

Lieber Kollege Hinderer, Sie sind bei diesem Thema immer sehr aktiv bei Bundesratsinitiativen.

Ich will abschließend noch einen Punkt ansprechen, der mir auch als Sozialpolitiker in dieser Legislaturperiode sehr wich tig war. Das ist das Thema „24-Stunden-Betreuung im häus

lichen Umfeld“. Sie wissen, dass ich mich damit sehr inten siv beschäftigt habe. Wir haben bei diesem Thema eine „Grau zone“ von bis zu 300 000 osteuropäischen Frauen, die in Deutschland im privaten Umfeld tätig sind – teilweise zu Be dingungen, die mir Sorge machen.

Wir haben uns eingebracht und angeregt, dazu auch eine Bun desratsinitiative zu machen. Sie waren ebenfalls mit dem So zialausschuss in Österreich, wo wir uns dieses Modell ange schaut haben. Dazu hat die FDP/DVP ein Positionspapier er stellt. Sie haben das Ganze auf die Enquetekommission ver schoben, weil man es im Sozialausschuss nicht weiterbehan deln wollte. Dann haben wir das Thema wieder in die En quetekommission eingebracht und geraten, dazu eine Bundes ratsinitiative zu machen, damit wir diesen osteuropäischen Frauen – ähnlich, wie es Österreich gemacht hat – die Chan ce geben, zu guter Arbeit zu kommen.

Sie haben dies abgelehnt, weil – das ist bemerkenswert – viel leicht Regularien zu treffen wären, die nicht in Ihr Schema F passen. Warum? Sie bräuchten flexible Arbeitszeitregelungen. Österreich hat dies auch erkannt. Wenn man die Frauen aus der kritischen Beschäftigungsstruktur herausholen möchte, braucht man flexible Arbeitszeitregelungen.

Man braucht auch den Mut, über den Mindestlohn in diesem Bereich im Zusammenhang mit Kost und Logis und mit Heim fahrt nachzudenken. Wir waren dort bei Einrichtungen; das haben wir alles besprochen. Das hat die SPD auch nicht mit getragen.

(Zuruf des Abg. Rainer Hinderer SPD)

Insofern verstehe ich Ihre Haltung nicht. Sie reden hier im mer von guter Arbeit, aber wenn etwas nicht in Ihr Schema passt, blenden Sie das einfach aus und tun so, als ob es das nicht gäbe. Das finde ich sehr verwerflich.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren! Es lie gen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aktu elle Debatte beendet und Punkt 1 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Wie will die Landesregierung endlich den Flüchtlingszugang in den Griff bekommen? – bean tragt von der Fraktion der FDP/DVP

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuel le Debatte eine Gesamtredezeit von 40 Minuten festgelegt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die einleitenden Erklärungen der Fraktionen und für die Rednerinnen und Redner in der zweiten Runde gilt jeweils ei ne Redezeit von fünf Minuten. Ich darf die Mitglieder der Landesregierung bitten, sich ebenfalls an den vorgegebenen Redezeitrahmen zu halten.

Für die FDP/DVP-Fraktion darf ich das Wort Herrn Frakti onsvorsitzendem Dr. Rülke erteilen.

Herr Präsident, mei ne Damen und Herren! Die Menschen in diesem Land erwar ten, dass die Politik die Flüchtlingskrise zumindest ansatzwei se in den Griff bekommt, dass es nicht nur täglich neue Vor schläge gibt – aus Bayern von Obergrenzen, aus RheinlandPfalz von Plänen A2, A3, A4 – und auch nicht nur Absichts erklärungen in Berlin zwischen den Parteivorsitzenden, wo der eine oder andere Parteivorsitzende hinterher sagt, er hät te den Text zwar mitbeschlossen, aber nicht gelesen,

(Heiterkeit des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/ DVP)

und deshalb gelte die betreffende Regelung nicht, sondern dass auf der Ebene des Bundesrats signalisiert wird, dass man bereit ist, ein Stück weiterzukommen.

Sie, Herr Ministerpräsident, haben im Zusammenhang mit dem Asylpaket II signalisiert, dass ein Teil dieses Pakets von Ihnen nur unter Bedingungen akzeptiert wird, was den Aus weis der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer angeht. Sie haben erklärt, Sie könnten sich eventuell vorstellen, die se Staaten als sichere Herkunftsländer auszuweisen, aber nur unter der Bedingung, dass eine Altfallregelung, ein Bleibe recht für diejenigen, die schon länger da sind, etabliert wird.

Die Folge ist, dass sich der Entscheidungsgang jetzt verzö gert, dass das Asylpaket II, zumindest vor den anstehenden Landtagswahlen, nicht mehr auf den Weg kommt. Damit ma chen Sie, Herr Ministerpräsident, ganz persönlich ein Kon junkturprogramm für die Rechtsradikalen,

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Rita Haller-Haid SPD: Unglaublich!)

weil jetzt in dieser Hinsicht wieder nichts passiert.

Es ist höchste Zeit zu signalisieren, dass man zur Zusammen arbeit bereit ist, dass man bereit ist, Entscheidungen zu tref fen. Das ist an dieser Stelle auch notwendig. Die Grünen re den die Ausweisung von sicheren Herkunftsländern immer herunter. Da heißt es, ein solcher Schritt sei Symbolpolitik, bringe nichts, es seien ohnehin wenige, die aus diesen Län dern kämen.

Schauen wir uns einmal die Zahlen an. Im September 2015 hatten wir im Bundesgebiet einen Zugang von 2 300 Flücht lingen aus Algerien und von etwa 3 000 Flüchtlingen aus Ma rokko; das sind in der Summe über 5 000 Flüchtlinge. Im Jahr 2014 hatten wir insgesamt weniger als 4 000 Flüchtlinge. Die Schutzquoten: Algerien 1,6 %, Marokko 3,7 %, Tunesien 0,2 %.

Bereits in der Landtagsdebatte am 1. Oktober 2015 habe ich gefordert, diese Länder als sichere Herkunftsländer auszuwei sen. In den Tagen zuvor hatte sich schon Ihre Integrationsmi nisterin ähnlich geäußert. Passiert ist nichts. Die Maßnahme wurde weiter heruntergeredet, es war weiterhin von Symbol politik die Rede.

Schauen wir uns jetzt einmal die Zahlen vom Balkan an. Da wurde auch behauptet, der angesprochene Schritt bringe nichts. Frau Sitzmann ist durch die Lande gereist und hat er klärt, er bringe eine Ersparnis von zehn Minuten Bearbei tungszeit beim BAMF, das sei alles.

(Abg. Andreas Schwarz und Abg. Daniel Andreas Le de Abal GRÜNE: Steht im Gesetzentwurf!)

Die Berechnung, wie Sie auf die zehn Minuten gekommen sind, müssten Sie noch einmal offenlegen, Frau Sitzmann.

Fakt ist aber, dass die Zugangszahlen dramatisch gesunken sind. Vom Kosovo hatten wir in Baden-Württemberg im Fe bruar 2015 einen Zugang von 2 063 Personen. Nachdem die Länder des Westbalkans zu sicheren Herkunftsländern erklärt worden sind, hatten wir im November 2015 sage und schrei be noch 38.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Genau!)

Da sage noch einer, die Maßnahme bringe nichts,

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

da sage noch einer: zehn Minuten Bearbeitungszeit beim BAMF.

Schauen wir uns einmal die Zahlen von Albanern an: Im Juli 2015 waren es 1 391, im Januar 2016 52. Da sage noch einer, zehn Minuten Bearbeitungszeit beim BAMF, ansonsten brin ge das nichts. – Nein, Sie wollen nicht. Das ist das Problem. Sie verhindern die Lösung des Flüchtlingsproblems.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Rez zo Schlauch fragen!)

In anderen Bereichen kommen Sie auch nicht weiter. Die Ver netzung der Landeserstaufnahmestellen ist immer noch nicht erreicht. Wenn man Landeserstaufnahmestellen besucht, wird einem gesagt: „Wir registrieren die Flüchtlinge. Es kann sein, sie gehen dann wieder und werden irgendwo anders neu re gistriert; eine Vernetzung ist bisher nicht geleistet.“

Das ist Staatsversagen, wie es größer nicht denkbar ist, mei ne Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Bei den Abschiebungen kommen Sie auch nicht voran. Sie rühmen sich, die Abschiebezahlen seien von 800 im Jahr 2010 auf etwa 2 400 im Jahr 2015 gestiegen und hätten sich damit verdreifacht. Aber die Zugänge haben sich verzwanzigfacht – ihre Zahl hat sich von 5 000 auf 100 000 erhöht. Das ist die Realität in diesem Land. Handeln Sie, meine Damen und Her ren!

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

In Baden-Württemberg sind 25 000 geduldete Ausreisepflich tige; das ist zu viel.

Zum Sachleistungsprinzip: Im September haben Sie im Bun desrat zugestimmt, dass die Möglichkeit geschaffen wird, vom Geldleistungs- zum Sachleistungsprinzip zu kommen. Mitt lerweile ist ein halbes Jahr vergangen. Was haben Sie erreicht? Nichts haben Sie erreicht! Sie erzählen: „Wir denken über ei ne Wertkarte nach. Dazu gibt es demnächst eine Ausschrei