Bevor ich Herrn Abg. Dr. Rülke das Wort erteile, möchte ich noch eine Bemerkung zum Thema Zwischenfragen machen. Wer eine Zwischenfrage stel len will, der begebe sich bitte an eines der Saalmikrofone und warte ab, bis die Präsidentin oder der Präsident den Redner gefragt hat, ob dieser eine Zwischenfrage zulässt. Wer also ei ne Zwischenfrage stellen möchte, begebe sich bitte an eines der aufgestellten Saalmikrofone.
(Abg. Thomas Blenke CDU: So, wie ich es gestern getan habe! – Abg. Nicole Razavi CDU: Wie in der Schule! – Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)
Entschuldigung! – Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst finde ich den Debattenverlauf bemerkens wert.
Die CDU-Fraktion beantragt eine Aktuelle Debatte. Die Re gierungsfraktionen erklären, diese Debatte sei völlig überflüs sig. Dann meldet sich der Ministerpräsident zu diesem Tages ordnungspunkt.
Ich kann mich, Herr Ministerpräsident, dem Lob des Kolle gen Hauk nur anschließen: Wir freuen uns, dass Sie vorüber gehend Ihre Bienenzucht verlassen haben, um ausnahmswei se im Landtag zu diesem wichtigen Tagesordnungspunkt zu reden.
(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Weiter so! Das wird gut ankommen! Da freuen sich die Bürgerinnen und Bürger über das, was ihr da redet über den äu ßerst beliebten Ministerpräsidenten!)
Ich bedanke mich bei Ihnen ganz herzlich für Ihr Bekenntnis zur Verfassung. Aber dieses Bekenntnis zur Verfassung soll ten Sie vielleicht in Ihrer grünen Partei noch etwas verbrei ten.
Sie haben klipp und klar bekannt – ich begrüße das in aller Deutlichkeit –: Wenn dieses Gesetz am Quorum scheitert, dann ist es gescheitert. Nur haben Sie am vergangenen Wo chenende dem Oberbürgermeister von Tübingen ein Forum geboten – dieser war quasi Hauptredner auf Ihrem Parteitag –, und er hat genau das Gegenteil für die grüne Partei angekün digt.
Da sollten Sie einmal zu einer einheitlichen Regelung inner halb der grünen Partei kommen. Entweder gibt der Minister präsident vor, was ihr Kurs ist, oder der Oberbürgermeister von Tübingen. Dazu hätten wir ein klares Wort von Ihnen er wartet.
So ganz festgelegt haben Sie sich ja nicht, Herr Ministerprä sident. Sie haben weder in Ihrer Rede noch in Ihrer Replik auf die verschiedenen Zwischenfragen auf die Frage antworten wollen, ob Sie dann Stuttgart 21 unterstützen. Sie haben nur gesagt: Das Gesetz ist dann gescheitert. Sie haben aber kein Wort darüber verloren, wie es weitergeht. Genau das ist es aber, was die Menschen in diesem Land wissen wollen. Wenn Sie sich zur Verfassung bekennen, dann haben Sie, wenn die ses Gesetz gescheitert ist, die Pflicht, Ihrer Projektförderungs pflicht mit aller Deutlichkeit nachzukommen. Dieses Bekennt nis verlangt nicht nur der Landtag, das verlangt auch die Be völkerung von Baden-Württemberg.
Dann haben Sie eine Lanze gebrochen für die politische Kul tur. Auch das kann ich nur begrüßen. Sie haben erklärt, den Begriff „Lügenpack“ hätten Sie immer abgelehnt,
aber im Gegenzug der Opposition vorgeworfen, sie sei ja auf demselben Niveau. Sie haben dann einige Begriffe aufgezählt.
Ich habe nur einen dieser Begriffe notiert: Schlamassel. Ent schuldigung, Herr Ministerpräsident, wollen Sie dem Hohen Haus allen Ernstes erzählen, „Lügenpack“ und „Schlamassel“ stünden auf demselben Niveau? Wenn Sie das so sehen, dann kann ich Ihnen nur empfehlen, einmal die Plenarprotokolle aus der Zeit, in der Sie noch in der Opposition waren, nach zulesen. Wollen Sie uns ernsthaft weismachen, dass Sie sol che Begriffe als Angriff auf die damalige Landesregierung nie, aber auch gar nie in den Mund genommen hätten, Herr Mi nisterpräsident? Ist es wirklich so, dass „Lügenpack“ und „Schlamassel“ auf einer Ebene stehen? Das wäre schon ein eigenartiges Verständnis von Debattenkultur.
Dann haben Sie uns vorgeworfen, wir würden das Verfahren bekritteln. Wie kommt es dazu, dass das Verfahren bekrittelt wird? Das haben doch nicht die Abgeordneten des Landtags von Baden-Württemberg erfunden. Sie können doch nicht ernsthaft bestreiten – das wird den Abgeordneten der Frakti on GRÜNE und der Fraktion der SPD genauso gehen –, dass die Bürger an Sie herantreten und sagen: „Wir verstehen es nicht“, „Es ist unlogisch“, „Es ist seltsam formuliert.“
Wenn Sie für eine hohe Wahlbeteiligung eintreten, wenn Sie dafür eintreten, die Bevölkerung zu informieren, damit sie auch hingeht, dann können Sie uns nicht ernsthaft vorwerfen, wir würden das Verfahren bekritteln. Es dient ja gerade der Klarheit, wenn wir solche Debatten führen, damit die Men schen im Land auch verstehen, was mit diesem verquasten Gesetz und dieser eigenartigen Begründung, die Sie im Kabi nett beschlossen haben, eigentlich gemeint ist.
Sie haben dazu aufgerufen, das Vertrauen in die Institutionen zu stärken. Sie haben gesagt, das Vertrauen in die Institutio nen nehme ab. Ich zitiere Sie: „Wir sollten an der Sache ent lang argumentieren, dann würde dieses Vertrauen in die Ins titutionen wieder wachsen.“
Da haben Sie völlig recht, Herr Ministerpräsident. Nur seien Sie doch ehrlich: Es geht bei diesem Gesetz nicht darum, an der Sache entlang zu argumentieren. Es geht bei diesem Ge setz nicht darum, nun etwas für die politische Kultur zu tun.
Es geht nicht einmal so sehr um Stuttgart 21, sondern es geht um einen Formelkompromiss für eine Konfliktkoalition. Das ist doch der Grund für dieses ganze Verfahren und für diese Volksabstimmung.
Sie wissen doch ganz genau, dass Sie sich mit Ihrem Koaliti onspartner niemals einigen werden. Sie wissen auch ganz ge nau, dass die Volksabstimmung der kleinste gemeinsame Nen ner gewesen ist, damit diese Koalition überhaupt möglich wurde. Jetzt kommen Sie aus der Nummer nicht mehr heraus. Deshalb wird es immer komplizierter. Deswegen wird der Ein druck erweckt, man könnte aus dem Projekt Stuttgart 21 aus steigen; dabei wird nur über die Finanzierung abgestimmt. Das ist doch der eigentliche Grund.
Es ist einfach nicht zutreffend, wenn Sie sagen, es gehe um die Sache. Nein, es geht Ihnen um die Koalition und letztlich um die Macht. Das ist der Grund für das ganze Verfahren.
An einer Stelle sind wir uns einig: Wir wollen in den nächs ten Wochen gemeinsam dafür werben, dass die Wahlbeteili gung hoch ist.
Das Beste, was passieren könnte, wäre, dass das Quorum er reicht wird und die Mehrheit der Bevölkerung mit Nein stimmt. Dann könnte niemand mehr an diesem Verfahren und am Projekt Stuttgart 21 herumkritteln. Dann würde es viel leicht sogar der Oberbürgermeister von Tübingen einsehen – vielleicht; ganz sicher kann man nicht sein.
Eine hohe Wahlbeteiligung muss unser gemeinsames Ziel sein. Es ist legitim, als Gegner für ein Ja zu werben und als Befürworter für ein Nein. Das wollen wir in den nächsten Wo chen gemeinsam tun. Das ist sicher ein begrüßenswertes ge meinsames Ziel.
Ein Letztes: Herr Ministerpräsident, Sie haben von „Ein schwenken“ gesprochen. Wir sind nicht eingeschwenkt, we der die CDU-Fraktion noch wir. Zumindest kann ich für mei ne Fraktion nach wie vor sagen: Wir haben erhebliche Beden ken, ob dieses Gesetz verfassungskonform ist. Wir haben deut lich gesagt: Wenn wir auf eine Klage verzichten, dann tun wir dies hauptsächlich deshalb, um nicht der Bevölkerung zu si gnalisieren, wir wollten verhindern, dass sie abstimmt.
Moment! Herr Lehmann, Sie haben mir die Zwischenfrage nicht gestellt. Ich unterstelle einmal, Sie hätten sie gestellt, und ich will sie gern beantworten. Ich sage Ihnen in aller Deutlichkeit zu: Die FDP/DVP-Fraktion wird nicht gegen das Ergebnis der Volksabstimmung klagen, ganz egal, wie diese Volksabstimmung ausgeht.
Das ist aber nicht der Punkt. Das ist auch nicht das Thema; das habe ich immer gesagt. Denn selbst in dem Fall, dass die ses Gesetz durch die Bevölkerung in Kraft gesetzt wird, lan det das Ganze vor Gericht, weil dann die Bahn gezwungen sein wird, sich gerichtlich mit Ihnen auseinanderzusetzen.