Protocol of the Session on December 17, 2015

Wenn Sie es einmal genau anschauen – das wissen Sie selbst –, merken Sie, dass – nach meiner Auffassung – mindestens ein Drittel der Petitionen klare Fälle für einen Bürgerbeauf tragten sind. Das sind oftmals Kleinigkeiten, die man quasi mit einem Telefongespräch oder einem kurzen Kontakt mit so einer Person – einem Ombudsmann, einer Ombudsfrau – re geln könnte.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Dann kann es der Abgeordnete als Abgeordneter machen!)

In dem anderen Fall wird ein ganzer Apparat in Bewegung ge setzt – ein Ministerium, vielleicht zwei, drei Ministerien, mit Rückfragen noch an untergeordnete Behörden wie RP, Land ratsamt, Gemeinden usw. Mit einem Bürgerbeauftragten wür de sich vieles, bezogen auf die Anliegen der Bevölkerung, ver einfachen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Gerade in Wales und Schottland hat man dies bei Gesprächen mit Bürgerbeauftragten gesehen.

Diese haben gesagt – Kollege Schmiedel hat es vorhin er wähnt –: Eine ganz große Anzahl von Fällen kann man bereits durch Gespräche, durch Auskunft, durch Klarstellung – „Wie hat es die Behörde gemeint?“ – regeln.

Dann hat der Bürgerbeauftragte auch die Funktion, die Minis terien und die anderen Verwaltungen zu beraten. Das ist ei gentlich die große Stärke eines Bürgerbeauftragten. Das kön nen wir als Berichterstatter im Petitionsausschuss nicht leis ten, weil wir nicht die Zeit dazu haben. Aber wir hätten viel leicht etwas mehr Zeit, wenn solche Fälle statt zum Petitions ausschuss dann zu einem Bürgerbeauftragten gingen. Das hiel te ich für einen ganz großen Gewinn.

Wir müssen das Verhältnis zwischen Bürgerbeauftragtem und Petitionsausschuss regeln. Gibt es da ein Berichtssystem, ei ne Berichtspflicht? Kann der Bürgerbeauftragte eingeladen werden, ja oder nein? Wie sprechen sich Petitionsbüro und Bürgerbeauftragter ab? Das ist alles in einem weiteren Ver fahren en détail zu regeln. Ich glaube, wir bekommen da eine gute Geschichte hin.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Karl Zim mermann CDU)

Das Zweite, auf das ich eingehen möchte, ist, dass wir die Möglichkeiten des Petitionsausschusses intensiver nutzen soll ten. Wir haben es, als wir in Wales waren, selbst gesehen: Da wurde ein Petent eingeladen, um zu seiner Frage noch einmal selbst vorzutragen. Ich halte das für ein gutes Mittel. Man muss es sich genau anschauen; es soll auch nicht inflationär genutzt werden. Ich fände es aber gut, wenn wir immer wie der einmal einzelne Petenten einladen würden.

Ich sehe gerade Herrn Kollegen Nelius: Wegen des Themas „L 600“ wäre es vielleicht tatsächlich besser gewesen, wir hät ten vorher einmal im Petitionsausschuss – wir haben das spä ter im Rahmen einer Sondersitzung gemacht – die Leute ein geladen, um die Positionen noch einmal mündlich zu klären. Das wäre gut gewesen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Sagen Sie doch auch etwas dazu!)

Das andere ist natürlich eine öffentliche Anhörung.

(Zurufe von der CDU)

Ich bin am Reden. Ich würde gern weiterreden und nicht im mer unterbrochen werden.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Kollege, Ihre Rede zeit ist sowieso abgelaufen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ja, ich bin gleich fertig.

Das andere ist natürlich, auch noch externe Experten einzula den und mehr Außentermine wahrzunehmen.

Zum Schluss möchte ich noch den Mitarbeiterinnen und Mit arbeitern des Petitionsbüros für die Arbeit danken, die sie für uns geleistet haben, und für die vielen Dinge, die dort für uns erledigt wurden.

Ich möchte für die nächste Periode auch noch eine Forderung aufstellen: Wir brauchen im Petitionsausschuss dringend ei nen Stenografischen Dienst, damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht immer mitschreiben müssen. Das sollte, wie in allen anderen Ausschüssen auch, der Stenografische Dienst tun. Auch wenn das ein bisschen Geld kostet, sollte es uns das wert sein.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die SPD-Fraktion er teile ich das Wort Herrn Abg. Sakellariou.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Zum Bürgerbeauftrag ten!)

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Das Petitionsrecht ist ein ursprüngli ches Parlamentsrecht. Aufgerufen ist nun der einzige Tages ordnungspunkt innerhalb der gesamten Legislaturperiode, bei dem wir uns im Plenum mit unserem ureigensten Recht be fassen. Das einmal vorweggeschickt.

Es ist lobend zu erwähnen, dass wir dieses Thema hier zum ersten Mal vormittags behandeln. Das hatte leider noch nie geklappt, dieses Mal aber schon, was sehr erfreulich ist. Es ist aber in der Geschäftsordnung geregelt, dass wir jährlich ei nen solchen Bericht abgeben.

(Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Ja!)

Wenn ich mit einer Anregung anfangen soll, würde ich sagen: Wir sollten es vielleicht wirklich so machen, wie es in der Ge schäftsordnung steht, dass wir uns nicht nur einmal in der Mit te und einmal am Ende mit der Thematik befassen, wenn im Grunde dann schon ganz andere Themen eine Rolle spielen.

(Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen)

Ich will noch etwas vorwegschicken: Mein Dank gilt zunächst einmal allen Mitgliedern im Petitionsausschuss; denn diese sind die Kernelemente dieses Petitionsrechts. Sie sind näm lich diejenigen, die sich die Zeit nehmen, in diesen Ausschuss zu gehen, in den oft nur Neulinge geschickt werden. Ich bin seit dem ersten Tag, seit 14 Jahren, seit 130 Sitzungen dabei. Ich habe keine einzige Sitzung bereut, weil das der direktes te Draht zu den Bürgerinnen und Bürgern und zu den Men schen in Baden-Württemberg ist.

Mit einem Zitat von Regine Hildebrandt, der unvergessenen Sozialministerin, möchte ich für uns alle sprechen. Sie hat ein mal als Politikerin und Ministerin gesagt: „Ich interessiere mich nicht für Politik, nur für Menschen und ihre Schicksa le.“

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Das ist das Motto, mit dem wir alle in diesem Ausschuss ge arbeitet und gekämpft haben. Denn dieser Petitionsausschuss ist etwas Besonderes. Er hat besondere Rechte; er unterliegt nicht dem Grundsatz der Diskontinuität. Das bedeutet: Egal, welche Regierung dran ist, diese Petitionen werden durch ein unabhängiges Gremium weiterbearbeitet. Der Petitionsaus schuss – das betone ich, weil wir immer viel von Bürgerbe teiligung sprechen – ist die Mutter der Bürgerbeteiligung, die es schon immer gab, wo man allein mit einem guten Argu ment und einem Stück Papier in die Herzkammer der Demo kratie durchdringen kann.

(Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen)

Das ist das Besondere an diesem Petitionsausschuss. Diese Unabhängigkeit führt dazu, dass man im Grunde sagen könn te – ich möchte es auch so formulieren –: Dem Petitionsaus schuss ist es gerade egal, wer unter ihm regiert.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Das ist die Haltung, die sich bei mir eingeprägt hat und die ich auch vertrete.

Ich muss auch sagen: Diese Rolle ist auch deswegen so wich tig, weil wir in diesem Haus genau die Gesetze verabschieden – deswegen auch die Zuständigkeit –, mit denen dann die Bür ger womöglich ihre Probleme haben.

Deswegen ist es auch wichtig, dass wir als Abgeordnete die Rückspiegelung bekommen: Was ist mit unseren Entschei dungen vor Ort passiert? Wie sind die Bürger konkret betrof

fen? Deswegen ist der Petitionsausschuss die richtige Adres se, um die Scherben zusammenzukehren, die wir mit der Mehrheit des Parlaments womöglich verursacht haben. Dann geht es daran, diese Scherben aufzusammeln und Lösungen zu finden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Weil das so ist, ist es geradezu undenkbar, dass beispielswei se ein Koalitionsvertrag irgendeinen Abgeordneten binden könnte, sich nur anhand von Regierungsmehrheiten zu ent scheiden. Wer so etwas fordern würde, würde sich komplett gegen das Gesetz und gegen das Prinzip stellen.

(Beifall der Abg. Gernot Gruber und Gabi Rolland SPD)

Aber das fordert zum Glück auch niemand. Wenn es so wäre, wäre das grob verfassungswidrig.

Es gibt einen, der das begriffen hat – Frau Kollegin Böhlen hat ihn schon zitiert –: Auf die Zwischenfrage des Kollegen Zimmermann hat der Ministerpräsident eine Antwort gege ben. Ich möchte das wortwörtlich zitieren, weil es mir so gut gefallen hat. Auf eine Frage des Abg. Zimmermann erfolgt die Antwort von Ministerpräsident Kretschmann – ich zitiere –:

Herr Abg. Zimmermann, Sie werden nun vom Regierungs chef nicht erwarten, dass er sich in das Allerheiligste des Landtags begibt, nämlich den Petitionsausschuss.

Das ist nicht nur schön gesagt. Da hat jemand begriffen, was für eine Arbeit wir machen, dass sie unabhängig von der Re gierung ist und dass es ein Parlamentsrecht ist, das alle in die sem Haus angeht und bei dem wir uns gemeinsam dafür ein setzen müssen, dass dies auch so bleibt.

(Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Zusammenhängend möchte ich eines sagen: Zwar sind, von den Ergebnissen her betrachtet, 51,24 % der Petitionen nega tiv beschieden worden. Was sagt aber diese Zahl von knapp über 50 %? Das bedeutet, bei 48 % – also nahezu der Hälfte – der Anliegen, mit denen die Menschen gekommen sind, ist irgendetwas Weitergehendes passiert, sei es eine Materialüber weisung, sei es eine andere Art der Abhilfe.