Protocol of the Session on December 16, 2015

Im Übrigen darf ich zwei Vertreterinnen und einen Vertreter der Pfadfinderschaft unter den Zuschauern begrüßen. Herz lich willkommen im Landtag!

(Beifall bei allen Fraktionen)

Im Juli 2015 hat der Landtag die Friedenstaube des Hohen staufen-Gymnasiums Bad Wimpfen erhalten. Die Empfänger verpflichten sich, weiterhin in ganz besonderer Weise für die Einhaltung der Menschenrechte einzustehen. Unsere Friedens taube reichen wir heute an die Pfadfinderinnen und Pfadfin der weiter, die sich in vielfältiger Weise für Frieden und Ge waltlosigkeit engagieren.

Zur Übergabe am Weihnachtsbaum mit anschließendem Im biss in der Eingangshalle darf ich Sie einladen.

Noch ein Hinweis für die Mitglieder des Untersuchungsaus schusses „EnBW-Deal“: Die Sitzung, zu der Sie bereits schrift lich eingeladen worden sind, beginnt zehn Minuten nach Ein tritt in die Mittagspause und findet im Königin-Olga-Bau, Raum 433 im vierten Stock, statt.

Die Mittagspause geht heute bis 14:00 Uhr. Wir sehen uns jetzt gleich am Weihnachtsbaum. Schönen Mittag!

(Unterbrechung der Sitzung: 12:33 Uhr)

(Wiederaufnahme der Sitzung: 14:00 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt.

Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:

Regierungsbefragung

Ich darf für das erste Thema Herrn Kollegen Haußmann von der Fraktion der FDP/DVP das Wort erteilen.

W o h n u n g s b a u p o l i t i k

Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Regierungs befragung haben wir das Thema Wohnungsbaupolitik aufge griffen. Aktueller kann es gar nicht sein. Heute stand in der „Heilbronner Stimme“ unter dem Titel „Kretschmann will Bauen erleichtern“ – ich darf den Ministerpräsidenten zitie ren –:

Wir müssen die Flächen zur Verfügung stellen, die ge braucht werden.... Da müssen wir mit Augenmaß beim Kampf gegen den Flächenfraß pausieren.

Am 14. Oktober 2015 fand im Ministerium für Finanzen und Wirtschaft unter der Leitung des Finanz- und Wirtschaftsmi nisters Dr. Schmid ein Wohnungsbaugipfel statt. Dort wurde darauf hingewiesen, wie im Ergebnisprotokoll zu lesen ist, dass wir einen Bedarf von 40 000 bis 45 000 Wohnungen pro Jahr in Baden-Württemberg haben und infolge des Flücht lingsstroms sicher über 15 000, bis zu 30 000 weitere Woh nungen pro Jahr brauchen. Um das einzuordnen: Im Land wurden nach einigen Jahren der Stagnation im letzten Jahr knapp 35 000 Wohnungen fertiggestellt. Daran kann man er sehen, vor welchen Herausforderungen wir stehen.

Der Wohnungsbaugipfel hat vier Leitlinien. Die Frage ist: Wie weit sind die Umsetzungen dieser Leitlinien vorangekommen? Dabei geht es um die Themen „Steuerliche Anreize“, Wohn raumförderung, „Ausnahmen von Bauvorschriften“ und „Aus weisung von Bauflächen“. Deshalb die Nachfrage: Wie ist bei diesen vier Leitthemen der Stand der Umsetzung?

Herzlichen Dank.

Vielen Dank. – Ich will noch einmal auf die Regularien hinweisen: Für eine Frage sind bis zu drei Minuten Redezeit, jeweils mit Begründung, fest gelegt und für die Antwort der Regierung fünf Minuten.

Ich darf jetzt Herrn Staatssekretär Hofelich vom Finanz- und Wirtschaftsministerium ans Rednerpult bitten.

Vielen Dank. – Herr Präsi dent, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Haußmann, vielen Dank für die Frage. Ich nehme die Gelegenheit wahr, zunächst noch einmal in wenigen Sätzen die Wohnungspoli tik der Landesregierung zu skizzieren. Unsere Ziele lauten, zunächst einmal für mehr Wohnraum zu sorgen, zweitens den bestehenden Wohnraum auch zu sichern und drittens die Mie terrechte zu stärken. Nun kommt als viertes Ziel – wenn man so will, als Sonderziel; dies wurde auf dem Wohnungsbaugip fel formuliert – hinzu, bei der Förderung von Wohnraum für Flüchtlinge eine deutliche und signifikante Steigerung aller Anstrengungen zu erreichen.

Sie haben mich gefragt: Was ist seither geschehen? Das ist der Kern der Frage. Ich würde Ihnen gern folgendermaßen ant worten:

Erstens: Wir haben hinsichtlich des Landeswohnraumförde rungsprogramms eine signifikante Steigerung für das Jahr 2016 geplant. Wir haben die Basis schon von 75 Millionen € auf 115 Millionen € gesteigert; dieser Betrag wird jetzt noch durch eigene Anstrengungen des Landes, aber auch durch ei nen Teil von Entflechtungsmitteln des Bundes – die wir zu sätzlich bekommen, die aber nichts mit der Flüchtlingssitua tion zu tun haben –, erhöht, sodass Mittel in einer Größenord nung von um die 150 Millionen € zur Verfügung stehen wer den.

Es gibt dann die Sonderlinie für das Flüchtlingswohnen, von der Sie wissen, bei der wir – auch wiederum über die Entflech tungsmittel des Bundes – in der Lage sind, wie bereits im Jahr 2015 auch im Jahr 2016 eine Tranche von 30 Millionen € dar zustellen. Wir haben über landeseigene Verpflichtungsermäch tigungen im Haushalt auch dafür gesorgt, dass die Jahre 2017 und 2018 abgedeckt sind, sodass wir in der Vorausschau hier auch 90 Millionen € haben werden.

Wir haben einen weiteren Punkt – ich würde sagen, unter der großen Überschrift „Für mehr Wohnraum sorgen“ – aus dem Flüchtlingsgipfel abgearbeitet: Wir wissen natürlich, dass wir im frei finanzierten Wohnungsbau und bei privaten Anstren gungen unbedingt einen starken Akzent brauchen und nicht alles im öffentlich geförderten Raum machen können. Wir ha ben daher die Anforderung an den Bund gerichtet, dass wir hinsichtlich der steuerlichen Möglichkeiten, Wohnungsbau zu fördern, eine starke Initiative des Bundes brauchen.

Sie wissen, dass wir bereits in den Neunzigerjahren, ebenfalls in einer Situation des Wohnungsmangels, in der Lage waren, über eine Änderung des Einkommensteuergesetzes Anreize zu schaffen. Wir halten den Weg weiterhin für gangbar; das betrifft § 9. Es sind aber auch andere Dinge möglich wie die degressive Abschreibung; es ist möglich, Zuschüsse vorzuse hen, ebenso wie Sonderabschreibungsmöglichkeiten.

Was ich Ihnen auch berichten kann, nachdem ich Ihnen von unseren eigenen Anstrengungen berichtet habe: Hier ist das Haus Schäuble im Dialog mit dem Bundesrat – der Herr Mi nister für den Bundesrat und Europa sitzt ja hier. Wir sind da zu im Gespräch und drängen auch darauf, dass das Bundesfi nanzministerium uns bald einen Vorschlag vorlegt, weil wir das für notwendig halten.

Ich würde Ihnen dann gern noch von einem dritten Aktivitäts feld berichten, das im Rahmen unserer Ziele wichtig ist; das ist die Frage der Flächen, des Raumes. Sie sind ja selbst auch Mitglied in der Regionalversammlung gewesen, Herr Kolle ge, und haben deswegen heute neben der „Heilbronner Stim me“ sicherlich auch die „Stuttgarter Zeitung“ gelesen zur Kernregion des Landes, zum Verband Region Stuttgart. Da lautet die Frage natürlich: Wie können die im Regionalplan ausgewiesenen Flächen genutzt werden?

Die These ist, dass – heruntergebrochen vom Landesbedarf, den Sie genannt haben – genügend Flächen da sind für das, was dann etwa in der Region Stuttgart notwendig wäre. Man wird sich darüber unterhalten müssen, ob das, was bisher aus gewiesen ist, ausreicht. Ich persönlich bin der Meinung, dass es nicht ausreicht, weil ich nicht glaube, dass die Gemeinden so schnell Flächen frei machen, die heute – Stichwort „Enkel grundstücke“ etc. – noch nicht verfügbar sind. Deswegen wird

man sicherlich, abgeleitet von der Landesentwicklungspla nung über die Regionalplanung und die Flächennutzungsplä ne, in der gesamten Bauleitplanung mehr anbieten müssen. Die Kollegen aus dem Ministerium für Verkehr und Infra struktur sagen ja auch, dass in dieser Ausnahmesituation das Postulat der Flächennull sozusagen ausgesetzt wird, weil wir eben der Meinung sind, dass hier mehr Flächen notwendig sind.

Ich halte es für richtig, dass wir in diese Richtung gehen. Sie kennen ja auch Meinungsäußerungen, etwa des Kollegen Schmie del, der sich dazu geäußert hat.

(Abg. Claus Schmiedel SPD meldet sich. – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Er meldet sich schon! Kaum lobt man ihn, meldet er sich schon!)

Jetzt kommt als Nächs te Frau Abg. Lindlohr von der Fraktion GRÜNE.

(Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE: Claus hat sich frü her gemeldet!)

Die Wortmeldungen erfolgen gemäß § 82 der Geschäftsord nung nach der Stärke der Fraktionen. Wir sind nicht in der normalen Fragestunde, sondern in der Regierungsbefragung.

Bitte, Frau Abg. Lindlohr.

Sehr geehrter Herr Staats sekretär, sehen Sie bezüglich der Frage, ob es neuer Flächen ausweisungen bedarf, auch eine gute Möglichkeit, die neue regionalisierte Bevölkerungsvorausrechnung, die das Statis tische Landesamt am 14. Dezember veröffentlicht hat, hier zur Grundlage zu machen, um, wie es schon bisher üblich war, die Bedarfsnachweise, die die Kommunen führen müssen, auf eine realistische Bevölkerungsprognose aufzusetzen? Das Sta tistische Landesamt ist ja eine nachgeordnete Behörde zu Ih rem Haus. Vielleicht sind Sie da schon in vertieften Gesprä chen über die Frage, wann die gemeindescharfe neue Bevöl kerungsvorausrechnung kommt.

Vielen Dank für die Frage. – Ich stimme Ihnen zu, wir brauchen eine gute empirische Ba sis. Dafür dient ebendiese am Stichtag 14. Dezember erhobe ne neue Prognose. Ich kann jetzt aber noch nicht sagen, was die genauen Ergebnisse sind. Aber wir werden das natürlich möglichst schnell in den Prozess einspeisen. Das muss die Grundlage sein.

Herr Abg. Schmiedel.

Herr Staatssekretär, das Statis tische Landesamt lag in jedem Jahr nachweislich völlig dane ben mit der Bevölkerungsprognose. Heute tagt der Verband Region Stuttgart mit seinem Planungsausschuss. Im Vorfeld gab es eine Pressemeldung, dass der Planungsdirektor auf der Basis der Ermittlungen des Statistischen Landesamts mit ei nem Zuwachs der Bevölkerung in der Region Stuttgart bis 2025 um 40 000 Einwohner rechnet – 40 000 Einwohner bis 2025. Dafür würde dann das Bauland ausreichen.

Der Fehler liegt im System. Das Statistische Landesamt er mittelt die Prognose durch eine Rückschau auf die letzten drei Jahre. Der Zugang hat sich aber in diesem Jahr rapide verän

dert. Wir haben es heute Morgen gehört: 100 000 Flüchtlinge und 50 000 Menschen aus der EU sind im Land Baden-Würt temberg angekommen, also insgesamt 150 000. In der Regi on Stuttgart wohnen davon ungefähr ein Viertel; das heißt, al lein in diesem Jahr leben 30 000 bis 40 000 Menschen mehr in der Region Stuttgart.

Meine Frage ist: Ist es möglich, dass die Landesregierung ak tuelle Bevölkerungsentwicklungen mit den Regionalverbän den bespricht, damit diese nicht durch die Prognose des Sta tistischen Landesamts von vor drei Jahren den Blick nach vorn richten, sondern aktuell fragen, was in diesem Jahr passiert, wenn sie also eine realistischere Schau bekommen, was an Wohnbauflächen eigentlich gebraucht wird?

Der Planungsdirektor sagt, der Bedarf kann an den zentralen Orten abgebildet werden, alle anderen bleiben auf Eigenbe darf reduziert, 0,3 % Zuwachs im Jahr. Jetzt hatte ich in der letzten Debatte bereits erwähnt, dass die Gemeinde Möglin gen nur Eigenbedarf geltend machen kann. Von Möglingen zum Bahnhof Ludwigsburg ist es näher als von meinem Lud wigsburger Stadtteil Oßweil zum Bahnhof Ludwigsburg; die Gemeinde Möglingen kann aber nicht wachsen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Zwei Minuten!)

Meine Bitte ist: Es ist kein Selbstläufer bei den Planungsver bänden, und die Regierung muss stärker Einfluss nehmen auf erstens realistischere Bevölkerungsprognosen und zweitens auf die Frage, wo zusätzliche Wohnbauflächen abgebildet wer den. Denn im normalen Raster werden wir den Herausforde rungen nicht gerecht werden können.

Das heißt, die Bitte war eine weitere Frage, wenn ich das richtig verstanden habe.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Sie lassen uns ratlos zurück! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Zeitmanagement!)

Bitte, Herr Staatssekretär.

Vielen Dank für die ausführ liche und, wie ich finde, auch gut fundierte Frage, auf die ich gern eine Antwort geben möchte, jedenfalls soweit es mir von dieser Stelle aus möglich ist.

Ich wiederhole die Antwort an die Kollegin Lindlohr: Empi rische Basis ist die Prognose des Statistischen Landesamts. Meine Meinung ist aber die, dass wir künftig eine Dynami sierung bei den Prognosen einbauen müssen, weil wir sehen – das merkt man im mittleren Neckarraum –, dass sich dieser Raum deutlich „aufpumpt“. Da muss etwas passieren. Des wegen brauchen wir eine gewisse Dynamisierung, die sozu sagen in den statistischen Modellen vielleicht heute noch nicht abgebildet ist. Ich bin da kein Fachmann. Aber das Gespräch als solches muss gesucht werden.