Wenn Sie, Herr Kollege Kleinböck, sagen – ein Zwischenruf aus den hinteren Reihen –, dies sei ein altes Urteil, so darf ich Ihnen noch ein Zitat mit auf den Weg geben. Es stammt von Jürgen Zöllner, langjähriger Sozialdemokrat, langjähriger Kul tusminister in Rheinland-Pfalz und ehemaliger Bildungssena tor in Berlin sowie ehemaliger Präsident der Kultusminister konferenz. Er sagte zum Prinzip der pädagogischen Freiheit:
Es gilt das Prinzip der pädagogischen Freiheit: Der Leh rer ist gehalten, diejenigen Mittel zu wählen, mit denen er seine Bildungsaufgabe möglichst gut einlösen kann.
Meine Damen und Herren, Bezug nehmend auf die Gemein schaftsschule, Bezug nehmend auf die Realschule und auch schrittweise Bezug nehmend auf die anderen Schularten schränken Sie die pädagogische Freiheit der Lehrkräfte ein. Aber glauben Sie nicht, dass die Lehrkräfte dies nicht mer ken! Hier begehen Sie einen eklatanten Fehler. Geben Sie den Lehrkräften die Freiheit, die sie brauchen, um einen guten Un terricht zu erteilen.
(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP – Zuruf des Abg. Gerhard Klein böck SPD)
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist die grün-rote Landes regierung, die die Bildungspolitik in den letzten Jahren in den Mittelpunkt gestellt hat,
und es ist diese Regierung, die die Versäumnisse der schwarz geführten Landesregierung endlich angegangen ist. Was ha ben Sie uns denn hinterlassen?
Warum sind Sie denn gleich so aufgeregt? – Was haben Sie uns hinterlassen? Schlusslicht bei der Kleinkindbetreuung, un kontrolliertes Sterben der Hauptschulen im Land, keine päd agogische Freiheit für die Schulen im Land, das höchste Maß an Abhängigkeit des Bildungserfolgs von der sozialen Her kunft, Mittelfeld bei den Leistungsvergleichen, Inklusion zum Nulltarif und eine Qualitätsoffensive mit zeitlicher Beschrän kung. Und Sie wollen jetzt hier mit Ankündigungen zu Frei räumen und besseren Chancen für die Kinder im Land punk ten? Das ist doch eine Farce, was Sie hier veranstalten.
Sie haben jahrelang verhindert, dass unsere Schulen im Land mehr pädagogische Freiräume erhalten haben. Sie haben es doch verhindert, dass Schulen mehr pädagogische Freiheit – wie beispielsweise an den Gemeinschaftsschulen – anbieten können. Solche Anträge haben Sie doch jahrelang abgelehnt.
(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: So ist es! – Abg. Claus Schmiedel SPD: So sieht es aus, Herr Wacker! Jetzt kommt die Wahrheit ans Licht!)
Der Umgang, den Sie derzeit mit den Gemeinschaftsschulen pflegen, zeugt jetzt auch nicht wirklich davon, dass Sie eine hohe Akzeptanz für pädagogische Freiräume haben. Sie stel len doch die Gemeinschaftsschulen bei jeder sich nur bieten den Gelegenheit in ein schlechtes Licht.
Ihnen geht es nicht um Freiräume, Ihnen geht es darum, das Rad in der Pädagogik wieder zurückzudrehen.
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Jawohl! – Abg. Gerhard Kleinböck SPD: Ab in die Höhle! – Zuruf des Abg. Klaus Herrmann CDU)
Was das Thema Chancen betrifft, haben wir schon einen an deren Anspruch als Sie. Wir halten es eben nicht für selbst verständlich, dass das Elternhaus einen entscheidenden Ein fluss darauf hat, welchen Bildungserfolg die Kinder am Ende haben. Nein, wir haben den Anspruch, dass der Bildungser folg der Kinder von der sozialen Herkunft entkoppelt wird.
Sie betonen ja immer wieder, dass Sie uns beispielsweise ei ne sehr niedrige Jugendarbeitslosigkeit hinterlassen haben; die haben wir heute auch noch. Aber was Sie dabei nicht er wähnen, ist, dass gerade zu Ihrer Regierungszeit viele Jugend liche zwar in Arbeit waren, aber keine Ausbildung hatten. Das ist auch ein Punkt, den wir in dieser Legislaturperiode ange gangen sind.
Wir wollen, dass die Bildungschancen gleichermaßen für al le Kinder erfüllbar sind. Mit dem Ausbau der Kleinkindbe treuung und dem Ausbau der Sprachförderung haben wir ent scheidende Weichen dafür gestellt, dass diese Möglichkeit am Ende allen eröffnet wird. Diesen Weg wollen wir auch in Zu kunft fortsetzen.
Wir wollen die Qualität der Einrichtungen gemeinsam mit den Kommunen verbessern. Wir ruhen uns dabei nicht auf den sehr positiven Zeugnissen aus, die uns gerade ausgestellt wur den, sondern wir wollen diesen Weg auch weitergehen.
Jetzt komme ich auf Ihr Wahlprogramm zu sprechen. Ein bei tragsfreies Vorschuljahr, wie Sie es in Ihrem Wahlprogramm fordern, hat sich bereits in den Siebzigerjahren in Diskussio nen als nicht zielführend erwiesen. Ganz im Gegenteil, wir haben bei uns in Baden-Württemberg eine Abdeckung von et wa 96 % im letzten Kindergartenjahr.
Wir wollen auf Qualität in der Bildung setzen. Wir wollen, dass wir diesen Weg, den wir in den vergangenen Jahren hier gegangen sind, weiter fortsetzen. Auch die Unterstützung der Schulen mit Schulsozialarbeit, die Sie in den Haushaltsbera tungen immer wieder ablehnen, wollen wir fortsetzen. Wir setzen uns entschieden dafür ein, dass mehr Freiräume an den Schulen vorhanden sind, beispielsweise auch durch die pari tätische Besetzung der Schulkonferenz, die wir beschlossen haben, damit in der Schulkonferenz gemeinsam entschieden werden kann.
Wir setzen auch bei den Grundschulen an. Das, was Sie im Wahlprogramm stehen haben, beispielsweise die Unterrichts stunden für Deutsch und Mathe auszuweiten, setzen wir be reits zum kommenden Schuljahr um. Sie sind in diesem Be reich schon wieder drei Schritte zurück, anstatt nach vorn zu denken.
Wir wollen nicht die Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9 wei ter ausbauen, wie Sie es in Ihrem Wahlprogramm fordern, weil dadurch bewährte Strukturen in unserem Land angegriffen würden. Das ginge gegen die beruflichen Schulen, es ginge gegen die Realschulen. Wir wollen die Qualität weiter in den Mittelpunkt stellen, und wir geben in diesem Bereich den Schulen auch mehr Unterstützung und zusätzliche Stunden, damit sie den Weg in der individuellen Förderung weiter vo rangehen können.
Sie zeigen auch heute wieder in der von Ihnen beantragten Debatte, dass es Ihnen nicht darum geht, mehr Freiräume zu gestalten. Vielmehr geht es Ihnen darum, genau das, was wir in den vergangenen fünf Jahren auf den Weg gebracht haben, wieder zurückzudrehen. Sie wollen die Pädagogik, die wir in Baden-Württemberg für viele Schulen eröffnet haben, wieder zurückdrehen. Das ist das, was Sie in der Bildungspolitik vor haben. Sie haben kein Interesse daran, mehr Freiräume und mehr Chancen zu gestalten, sondern Sie haben nur ein Inter esse daran, diese Bildungspolitik wieder zurückzudrehen.
Sehr geehrter Herr Präsi dent, Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Kollege Wacker, wenn Sie uns so ein schlechtes Zeugnis aus stellen, warum übernehmen Sie eigentlich permanent so viel von unseren Inhalten?
Wenn ich mir Ihr neues Wahlprogramm anschaue, finde ich die Belege: Die Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung bleibt aufgehoben. Eine Klassenteilersenkung wird es auch mit der CDU in Zukunft nicht geben. Die Realschule wird in Zukunft – wie auch in unserem Konzept – auch den Haupt schulabschluss anbieten.
Auch Sie wollen mittlerweile auf die fehlerhafte Einführung von G 8 reagieren. Das Zweisäulensystem übernehmen Sie durch die Hintertür. Die Schullandschaft wollen Sie in einem intensiven Dialog weiterentwickeln – wir nennen so etwas üb rigens regionale Schulentwicklung. Der neue Solidarpakt Sport wird weitergeführt. Ja, Sie loben uns sogar über die Ma ßen, indem Sie sagen: „Die praxisintegrierte Ausbildung ist ein Erfolgsmodell.“ Da kann ich Ihnen nur zustimmen. Zu dem wird die Landesbeteiligung an der Schulsozialarbeit – von uns eingeführt – von Ihnen zugesichert.
Stattdessen überspielen Sie Ihre konzeptionelle Schwäche – da bin ich durchaus enttäuscht von Ihrem Papier – mit Falsch behauptungen, abenteuerlichen Thesen und realitätsfernen Er wartungen. Eine fast schon absurde Falschbehauptung ist z. B., Rot-Grün hätte keine familienpolitischen Erfolge vor zuweisen.
Hallo? 795 Millionen € stehen aktuell den Kommunen jedes Jahr für den Krippenausbau zur Verfügung. Das ist im Ver hältnis zu den Beträgen in Ihrer Regierungszeit eine Verfünf fachung.
Wer, bitte schön, hat denn die Ganztagsschule erstmals fest im Schulgesetz verankert? Wo Sie geschlafen haben, haben wir endlich gesetzgeberisch gehandelt.
Dann die übliche Schlammschmeißerei gegen die Gemein schaftsschule. Selbst Ihre eigene Basis widerspricht doch. Mittlerweile ein Drittel der Gemeinschaftsschulen wurden von CDU-geführten Gemeinden beantragt.
Sobald Ihre Abgeordneten den Landtag hier verlassen, outen sie sich doch draußen als anonyme Gemeinschaftsschulbefür worter.