(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜ NE: Das ist ja grauenhaft!)
Lieber Kollege Schmiedel, ich lasse mir natürlich gern den Unterschied zwischen Abschiebemanagement und Rückfüh rungsmanagement erklären. Aber ich bin schon stutzig gewor den bei Ihrer Aussage, dass es „hirnrissig“ sei, davon auszu gehen, dass Abschiebungen das Problem lösen. – Dass Ab schiebungen allein das Problem nicht lösen, da bin ich mit Ih nen einig.
Aber so zu tun, als ob man darauf ganz verzichten könne, weil das nicht das Problem sei, ist wirklich die falsche Botschaft, lieber Kollege Schmiedel.
(Beifall bei der CDU sowie der Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke und Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP – Wi derspruch bei den Grünen)
Ich wiederhole mich: Es mehren sich die Bilder Tausender, die zu uns kommen. Ihnen stehen Einzelne gegenüber, die in ihre Heimat zurückgehen. Das ist eine Entwicklung, die eine Bevölkerung auf Dauer überfordert. Wir müssen klare Signa le in die Herkunftsländer aussenden: Wer sich zu Unrecht auf Asyl oder die Genfer Flüchtlingskonvention beruft, muss mit konsequenter Rückführung in die Heimat rechnen. Auch das sind Signale des Stopps.
Auch hinsichtlich des Familiennachzugs, meine Damen und Herren, muss es eine differenzierte Diskussion geben. Es darf keinen Nachzug in Perspektivlosigkeit, keinen Nachzug in die Sozialsysteme,
keinen Nachzug in die Obdachlosigkeit geben. Auch das sind Botschaften, die jetzt in die Welt hinaus gesendet werden müs sen.
(Beifall bei der CDU sowie der Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke und Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo!)
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Da men und Herren! Wir hören heute ständig: „vor fünf Wochen“. Damals fand das Treffen der Ministerpräsidenten mit der Bun deskanzlerin statt. Der eigentliche Gesetzentwurf ist am 16. Ok tober durch den Bundesrat gegangen, und es wurde noch bis zum letzten Moment an Änderungen des Gesetzentwurfs ge feilt. Sie sollten sich schon die Zeit nehmen, lieber Kollege Wolf, um korrekt zu differenzieren.
Ich möchte auch noch einmal auf die Abschiebungen – Ihr Steckenpferd, und zwar nicht nur ein bisschen, sondern ziem lich stark – eingehen. Das Problem ist: Wenn Sie hier Abschie bungszahlen vergleichen – das gilt auch für Punkt 1 der Ta gesordnung –, vergleichen Sie Äpfel mit Birnen, weil Sie die heutigen Zugangszahlen beim Asyl ins Verhältnis zu den Ab schiebungen in diesem oder dem vergangenen Jahr setzen. Aber so funktioniert das Ganze nicht. Denn ein Asylverfah ren dauert zwei Jahre, bis es endgültig rechtskräftig abge schlossen ist. Es dauert auch einmal vier oder fünf Jahre. Des halb stimmt diese Relation einfach nicht.
Ja, das ist viel zu lange. Aber das ist eine Aufgabe – da sind wir uns einig –, die das Bundesamt zu lösen hat.
Wenn Sie es einigermaßen korrekt ins Verhältnis setzen wol len, müssen Sie halt schauen, wie lange die Verfahren dauern, und dann zurückrechnen, von wann die Anträge der Personen stammen, um deren Abschiebungen es im Moment geht.
(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Kommt das vor? – Gegenruf des Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Kein Neid, Herr Rülke!)
Ich möchte das Ganze mit Blick auf das Rückkehrmanage ment noch ergänzen. Die freiwillige Rückkehr beschleunigt das ganze Verfahren bei den Leuten, bei denen es keine Per spektive für ein Bleiberecht gibt. Sie beschleunigt das Ganze auch deshalb, weil sie wesentlich günstiger ist und wir die Leute in wesentlich geordneterer Form zurückführen können.
Wir müssen aber verstärkt auch auf einen anderen Punkt set zen, nämlich die Rückkehrberatung. In anderen Bundeslän dern und inzwischen auch in Baden-Württemberg gibt es
schon gute Erfahrungen damit, die Rückkehrberatung bereits in der Erstaufnahmeeinrichtung zu machen. Denn vielfach herrschen bei Antragstellern falsche Vorstellungen, welche Möglichkeiten sie überhaupt haben, über das Asylrecht hier bleiben zu können, weil ihr Wunsch eigentlich Zuwanderung, Arbeitsmigration ist, die über den Umweg des Asylrechts nicht umsetzbar ist, weil keine Gründe für ein Bleiberecht vor liegen. Ich glaube, wenn wir hier konsequent und in großem Maßstab ansetzen, werden wir sehr gute Ergebnisse erzielen.
Ich finde es auch ganz interessant, dass Sie noch einmal auf die Residenzpflicht und die Verfahrensdauer eingegangen sind. Sie haben darauf verwiesen, was die Landesregierung in den vergangen Jahren gemacht hat. Sie sind aber nach wie vor die Erläuterung schuldig geblieben, Herr Wolf, wo aus Ihrer Sicht der Zusammenhang zwischen Residenzpflicht und Ver fahrensdauer besteht. Ich warte auf Ihre Antwort. Sie haben den Zusammenhang in der ersten Runde und auf Nachfrage auch in der zweiten Runde nicht benannt. Ich prophezeie Ih nen: Es wird Ihnen auch in Zukunft nicht gelingen, diesen Zu sammenhang herzustellen.
Ich möchte noch einmal kurz darauf eingehen, dass wir natür lich auch in Baden-Württemberg dringliche Aufgaben haben. Wir haben unmittelbar vor dem Winter große Aufgaben. Die größte und dringlichste Aufgabe, die wir schnell erledigen müssen, ist die, ausreichend viele Plätze in der Erstaufnahme zu schaffen, weil nach wie vor viele Menschen zu uns unter wegs sind. Ganz egal, was irgendwo an der Grenze passiert, die Menschen sind unterwegs und werden kommen. Deshalb haben wir da eine sehr große Aufgabe.
Die Verfahrensbeschleunigung ist nach wie vor in der Ent wicklung. Wir haben in Heidelberg die Abwicklungsstraße, ein Modell, das noch nicht voll leistungsfähig ist. Auch da wird noch mehr passieren müssen.
Wir werden auch darauf setzen müssen, dass der Bund uns noch weiter unterstützt. Es geht auch um die Integrationsleis tungen, die der Bund angeboten hat. Da könnten Sie z. B. auch einmal fragen: Wo bleiben die BAMF-Kurse, die angeboten werden sollen? Wo bleibt der Zugang zu den Arbeitsmarkt förderungsmöglichkeiten, die angekündigt sind? Vielleicht fragen Sie da auch mal so nach wie hier.
Wir werden bald die verschiedenen Möglichkeiten der Sprach bildung neu sortieren müssen, und wir werden im Bereich der Schulen, der Berufsschulen und der Ausbildung noch weiter aufbauen müssen. Ausführlicher werde ich nicht darauf ein gehen, weil die Redezeit leider erschöpft ist.
Ich danke ausdrücklich auch den ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern im Land, den hauptamtlich im Asylbereich Be schäftigten und der Landesregierung für ihr Engagement.
Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Flucht und Vertreibung sind Erscheinun gen, die es schon länger gibt, die aber jetzt bei uns angekom men sind. In den Regierungen in Westeuropa und in der deut schen Regierung wurde dieses Thema viel zu lange ignoriert.
Jetzt haben sich die Menschen auf den Weg gemacht, und sie machen sich auch weiter auf den Weg. Zu suggerieren, wir könnten nur durch „Grenzen dicht!“ dieses Thema lösen, ist falsch.
(Abg. Winfried Mack CDU: Das haben wir doch nicht gemacht! Wer sagt denn das? Das macht doch keiner! – Zuruf von der CDU: Das macht doch nie mand!)
Wenn wir uns hier einig sind, ist es ja recht. Aber ich habe nicht den Eindruck, dass das innerhalb der CDU insgesamt so gesehen wird. Wir lesen heute schon wieder in den Zeitungen, dass „Grenzen dicht!“ gefordert wird. Wenn wir uns einig sind, stelle ich fest: Dass wir uns einig sind, ist gut so.
Jetzt haben wir eine riesengroße Herausforderung, und diese Herausforderung werden wir für viele Jahre bestehen müssen. So zu tun und der Bevölkerung zu suggerieren, man könnte durch kurzfristige Maßnahmen diese Bewegung stoppen, wird nicht funktionieren. Also muss man sich darauf einstellen. Wir stellen uns darauf ein. Natürlich läuft nicht alles rund. Herr gott, es wäre ja auch ein Wunder, wenn so, wie die Zahlen ex plodieren, alles rundlaufen würde. Aber es läuft verhältnismä ßig gut. Das müssen auch Sie einräumen. Es läuft verhältnis mäßig gut. Bei uns muss niemand im Freien übernachten. Die Strukturen, die wir brauchen, um der Herausforderung gerecht zu werden, werden entwickelt und etablieren sich.
An dieser Stelle möchte ich jetzt auch noch einmal sagen, was nicht von vornherein zu erwarten war: Die Bereitschaft der Mitbürgerinnen und Mitbürger, anzupacken und mitzuhelfen, damit es vor Ort auch klappt, sinkt nicht, sondern wächst. Es ist doch eine Riesenchance für uns, jetzt auch das Miteinan der in unserer Gesellschaft zu erleben, zu erleben, wie die Menschen anpacken und mithelfen, damit niemand auf der Straße schlafen muss, damit jeder etwas zu essen und zu trin ken bekommt und dass jeder Ansprechpartner hat.
Deshalb an dieser Stelle einmal einen herzlichen Dank an all diejenigen, die tagtäglich anpacken und dafür sorgen, dass es auch funktioniert und die Menschen ein Dach über dem Kopf haben und ein Essen auf dem Tisch haben.
(Beifall bei der SPD und den Grünen sowie Abgeord neten der CDU und der FDP/DVP – Glocke des Prä sidenten)
Ich möchte nur daran erinnern: Wir haben den Versuch unter nommen, in einer gemeinsamen Resolution auch dieser ge meinsamen Verantwortung gerecht zu werden. Es ist eine Ver antwortung, aus der sich letztlich niemand davonstehlen kann. Das beginnt in Europa und geht über den Bund und das Land bis in die Kommunen.
Wir dürfen aber auch nicht vergessen, welche Chancen sich dahinter verbergen. Uns fehlen aufgrund der demografischen Entwicklung schon in den nächsten Jahren Millionen von Ar beitskräften in der Bundesrepublik Deutschland. Millionen von Arbeitskräften! Deshalb: Es ist zunächst eine Riesenher ausforderung, es ist mittelfristig auch eine große Herausfor derung, die notwendigen Wohnungen herzustellen, wenn die Menschen aus der Erstunterkunft und der Nachfolgeunterkunft herauskommen, aber es ist auch eine Riesenchance für unse re Gesellschaft, die Arbeitskräfte zur Verfügung zu haben, die wir mittelfristig brauchen, um unseren Wohlstand und unsere soziale Sicherung auch in Zukunft zu gewährleisten.
Wenn Sie die Altersgruppen derjenigen sehen, die zu uns kom men, dann sehen Sie, dass das auch für unsere Gesellschaft nicht nur eine Last, sondern auch eine riesengroße gute Pers pektive ist. Auch das sollten wir gemeinsam nach außen tra gen, damit die Menschen nicht den Eindruck haben, wir hät ten nur eine Last zu schultern. Es ist mittelfristig eine riesen große Chance für unsere Gesellschaft, die wir gemeinsam er greifen sollten.