Es ist aber zugegebenermaßen nicht immer leicht, gerade in den kleineren Städten und Gemeinden Akzeptanz für die Flücht lingsunterbringung zu finden. Wir versuchen, um Verständnis zu werben. Die Umstände zwingen uns aber zurzeit, auch dann auf geeignete Liegenschaften zurückzugreifen, wenn der Wi derstand vor Ort bestehen bleibt.
Insgeheim sind Sie vermutlich froh – ich glaube, an Ihrer Stel le wäre ich froh, und ich glaube, Sie sind auch froh –, dass nicht Sie diese schwierige Aufgabe meistern müssen.
(Lachen bei der CDU und der FDP/DVP – Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD zu CDU und FDP/DVP: Hoff nungslos überfordert wären Sie! – Weitere Zurufe)
Denn wir belassen es nicht dabei, den Flüchtlingen nur ein Dach über dem Kopf und eine warme Mahlzeit zu geben. Wir beeilen uns, die gesamte Infrastruktur nachzuziehen. Dazu ge hören natürlich die medizinische Versorgung, Sozialbetreu ung, Security, Streetworker, Ehrenamtskoordination, Ombuds stellen usw. Das Ziel ist es, das Miteinander von Flüchtlingen und Einheimischen so verträglich wie möglich zu gestalten.
Allein können wir das alles natürlich nicht schaffen. Wir brau chen dazu die Bevölkerung und die Kommunen. Ohne die Tausende von Ehrenamtlichen, aber auch ohne die Hilfe der jungen Bundeswehrsoldaten wäre alles noch viel schwieriger, wenn nicht sogar unmöglich. Wir legen also alle – Verwal tung, NGOs, Bevölkerung – einen gewaltigen Kraftakt hin, und zwar ohne Pause.
Nun kommt die Opposition und fragt fünf Tage nach Inkraft treten des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes, wann denn endlich die Umsetzung kommt.
Die Maßnahmen kommen teils allen Flüchtlingen zugute, teils müssen wir je nach Bleibeperspektive unterscheiden.
Der Gesundheitsschutz der Flüchtlinge, aber auch der Bevöl kerung wird insgesamt verbessert. Es gibt nun einen bundes weit einheitlichen Anspruch auf Schutzimpfungen, der in Ba den-Württemberg von den Gesundheitsämtern sichergestellt wird und von der Aufnahmeverwaltung finanziert wird. Epi demische Krankheiten dürfen weder innerhalb noch außerhalb der Flüchtlingsunterkünfte eine Chance haben. Gerade mit Blick auf den Winter ist das wichtig.
Jeder, der nach der Erstaufnahme in einen Stadt- oder Land kreis verteilt wird, soll eine Gesundheitskarte bekommen. Wir sind bereits in Kontakt mit den Krankenkassen und den kom munalen Landesverbänden. Das war gestern gerade Gegen stand der Regierungsbefragung, Einzelheiten habe ich bereits ausgeführt.
Wir brauchen dringend medizinisches Personal. Wir wollen sprachkundigen Ärzten unter den Flüchtlingen deshalb ermög lichen, in Begleitung eines deutschen Arztes in Erstaufnah meeinrichtungen zu arbeiten. Teilweise helfen syrische Ärzte bereits, aber eben als Übersetzer.
Insgesamt wollen wir vor allem, dass Bleibeberechtigte schnel ler integriert werden können. Deshalb sollen Syrer, Eritreer und andere Asylbewerber mit guten Bleibeperspektiven mög lichst nur noch wenige Wochen in den Erstaufnahmeeinrich tungen bleiben. Sie sollen frühzeitig in die Stadt- und Land kreise verteilt werden, in denen ihre Kinder in die Schule ge hen können und in denen die Erwachsenen möglichst schnell die deutsche Sprache lernen und arbeiten können.
Wir werden deshalb unsere eigenen Angebote der Sprachför derung mit den verbesserten und vorverlagerten Angeboten des Bundes verknüpfen. Unser Programm „Chancen gestal ten – Wege der Integration in den Arbeitsmarkt öffnen“ pas sen wir hierfür an.
Ein weiterer wichtiger Punkt: Nur durch einen erleichterten und vor allem umfassenden Wohnungsbau werden wir die ak tuellen Herausforderungen meistern können. Neben Sprache, Bildung und Arbeit ist das der vierte, aber auch wesentliche Baustein für eine gelingende Integration. Weitere Erleichte rungen im Baurecht und die den Ländern vom Bund zugewie senen Mittel für den Wohnungsbau werden diesen Weg eb nen.
Aber wir müssen bei all dem an die andere Facette des Flücht lingszugangs denken: Viele von denen, die jetzt nach BadenWürttemberg kommen, werden keine Chance auf ein Bleibe recht haben. Diesen Menschen müssen wir klarmachen: Wer ausreisepflichtig ist, muss eben auch wieder gehen.
Die abgelehnten Asylbewerber, namentlich die aus den siche ren Herkunftsstaaten, sollen deshalb möglichst so lange in den
Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben, bis sie freiwillig ausrei sen oder manchmal eben auch gezwungenermaßen ausreisen müssen.
Wir werden die gesetzlich zulässige Verweildauer in der Erst aufnahme weitgehend ausschöpfen. Schon vor dem Inkraft treten des Gesetzes hatten wir uns mit den kommunalen Ver bänden darauf geeinigt. Insbesondere für diese Personengrup pe nehmen wir auch die Leistungen unter die Lupe. Wo es rechtlich vertretbar und praktisch machbar ist, werden wir für den besonderen persönlichen Bedarf statt des Taschengelds Sachleistungen oder Gutscheine gewähren oder zu gewähren versuchen.
Fehlanreize müssen wir also, soweit es in unserer Macht steht, vermindern. Wir müssen hier das tun, was im Wirkungsbe reich des Landes, der Landespolitik möglich ist. Insgesamt dürfen wir uns aber nichts vormachen. Das jetzt beschlossene Asylpaket ist kein Allheilmittel zur Bewältigung der Flücht lingskrise oder gar zur Steuerung von Migrationsströmen. So lange in der Welt – ja selbst in der EU – das soziale und wirt schaftliche Gefälle so groß wie derzeit ist, wird auch der Mi grationsdruck in Richtung Deutschland, in Richtung EU, Mit tel- und Nordeuropa nicht nachlassen. Dessen sollten wir uns bewusst sein, wenn wir mit großem Eifer und mit Liebe zum Detail über bundesdeutsche und baden-württembergische Ge setze reden.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Spannung, liebe Kollegin Aras, die sich bei Ihnen breitmacht, freut mich. Auch diese Debatte zeigt, dass es durchaus sinnvoll ist, noch einmal genau hinzuschau en. Frau Ministerin, es war ein bisschen bemerkenswert, dass Sie sich hier als Fachfrau für Übersprunghandlungen ausge ben.
Um ehrlich zu sein: Bei Ihren Reden in diesem Hohen Haus ist der Funke noch zu keinem Zeitpunkt übergesprungen.
Man spürt auch, dass das Integrationsministerium innerhalb der Landesregierung nicht wirklich das Herzstück ist, bei dem es darum geht, Antworten auf diese großen Herausforderun gen zu finden.
Fünf Wochen nach dem Asylkompromiss hätte ich heute eine andere, eine konkretere Antwort auf die Frage der Umstellung von Geld- auf Sachleistungen erwartet.
Das, was wir heute gehört haben, Herr Ministerpräsident, wa ren Ihre Worte von vor fünf Wochen. Seither ist nichts pas siert. So viel zum Thema „Umsetzung des Asylkompromis ses“.
Lieber Kollege Lede Abal, zum Thema Residenzpflicht: Wir wollen einmal genau hinschauen, was da passiert ist. Im ers ten Asylkompromiss wurde die Residenzpflicht auf die ersten drei Monate – jetzt sechs Monate – nur für die Landeserstauf nahmeeinrichtungen zusammengestrichen. Es war Minister präsident Winfried Kretschmann, der sich für die Abschaffung der Residenzpflicht starkgemacht hat und weitere Erleichte rungen eingefordert hat.
Ihrem Beifall entnehme ich, dass Sie sich Maßnahmen zur wirksamen Beschleunigung von Asylverfahren nach wie vor in den Weg stellen. Das kritisieren wir, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜ NE: Das ist ja grauenhaft!)