Protocol of the Session on October 14, 2015

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich das Wort Herrn Abg. Schwarz.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Baden-Württemberg ist ein starkes Land, und wir haben in unserem Bundesland starke Kommu

nen. In keinem anderen Bundesland hat sich die Finanzkraft der Kommunen so gut entwickelt wie bei uns.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Zuruf der Abg. Nicole Razavi CDU)

Die geringsten Schulden aller Flächenländer, überdurchschnitt liche Steuereinnahmen und nach Bayern die höchsten Inves titionsausgaben je Einwohner – das ist ein deutlicher Beweis: Wir haben in unserem Land starke Kommunen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und des Abg. Walter Heiler SPD)

In den letzten Jahren hat diese Koalition die Kommunen an ganz wesentlichen Punkten dabei unterstützt, diesen Spitzen platz zu halten und auszubauen. Für die frühkindliche Bildung stellen wir im laufenden Doppelhaushalt 1,4 Milliarden € für die kommunale Ebene zur Verfügung. Die Ganztagsschule ha ben wir ins Schulgesetz aufgenommen und gemeinsam mit den Kommunen eine gute Lösung gefunden. Den Sanierungs stau bei den Krankenhäusern haben wir abgebaut und stellen mit einer Fördersumme von 900 Millionen € in diesem Dop pelhaushalt eine Rekordsumme zur Verfügung.

(Abg. Peter Hauk CDU: Was hat das jetzt mit dem Gesetz zu tun? – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Sie wissen doch, was auf der Tagesordnung steht! – Weitere Zurufe von der CDU)

Und für den Straßenunterhalt erhalten die Kommunen bis 2018 280 Millionen €. Als Sie von der CDU regiert haben, haben die kommunalen Landesverbände gesagt: „Wir gehen vor den Staatsgerichtshof“, weil Ihre Verwaltungsreform den Kommunen das Geld entzogen hat. Wir haben eine Vereinba rung getroffen und statten die Kommunen gut aus. Das ist der Unterschied, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und des Abg. Walter Heiler SPD)

Diese kommunalfreundliche Politik, die wir seit den letzten viereinhalb Jahren hier praktizieren, setzen wir heute mit der Änderung der Gemeindeordnung und der Landkreisordnung fort. Wir stärken einerseits die Mitwirkungsrechte der Ge meinderätinnen und Gemeinderäte,

(Abg. Klaus Herrmann CDU: Politisiert werden die Gemeinderäte!)

also die Kräfte der repräsentativen Demokratie werden ge stärkt, und gleichzeitig verbessern wir die Bürgerbeteiligung, bauen also die direkte Demokratie aus. Wir tun den Kommu nen damit etwas Gutes, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Zuruf von der CDU: Grüne Ideologie!)

Es ist doch kein Widerspruch zwischen repräsentativer De mokratie und der Arbeit in den Gremien auf der einen Seite und der Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern auf der an deren Seite. Das ergänzt sich doch optimal. Mit der Änderung der Gemeindeordnung ist Baden-Württemberg nicht mehr Schlusslicht, was wir momentan sind, sondern kommt auf ei

nen vorderen Platz, und das ist gut für unser Land, liebe Kol leginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Sie von der CDU-Fraktion tragen die Absenkung der Quoren mit, und Sie tragen auch mit, dass die Frist für das Einreichen eines Bürgerbegehrens auf drei Monate verdoppelt wird. Das macht es der Bürgerschaft leichter, sich in wesentliche kom munalpolitische Fragen einzubringen.

Wir finden es gut, dass auch zu Fragen des Städtebaus und zu Fragen der Stadtplanung künftig Bürgerbegehren eingereicht werden können. Ein wichtiges kommunales Feld, Planen und Bauen, öffnen wir somit für die Bürgerbeteiligung. Wir wa ren uns in der interfraktionellen Arbeitsgruppe auch einig, dass wir das machen wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Abg. Karl Klein CDU: Das ist nicht Bürgerentscheid, das ist Bürgerbeteiligung!)

Wir sind einen guten baden-württembergischen Weg gegan gen, indem wir den Aufstellungsbeschluss bürgerentscheids fähig stellen, indem wir ein klares Zeitfenster von drei Mona ten vorsehen. In dieser Zeit nach einem Beschluss kann ein Bürgerbegehren eingereicht werden. Danach ist das nicht mehr möglich. Danach besteht für alle Planungs- und Rechts sicherheit. Dadurch stärken wir insgesamt das Verantwor tungsgefühl, die direkte Demokratie und das Gemeinwesen vor Ort.

(Beifall bei den Grünen)

Herr Klein, ich möchte noch einmal die Geschäftsgrundlage unserer Vereinbarung in der interfraktionellen Arbeitsgruppe konkretisieren. Es war immer klar: Das ist die interfraktionel le Arbeitsgruppe „Bürgerbeteiligung“. Da geht es um alle Punkte, die mit Bürgerbeteiligung zu tun haben. Wir haben immer gesagt: Es gibt weitere Punkte, die die Koalition re geln wird, beispielweise zum Verhältnis von Gemeinderat und Bürgermeister. Ich bitte Sie, das anzuerkennen.

Ich bitte Sie weiter, anzuerkennen, dass wir mit den kommu nalen Landesverbänden sehr wohl gute Vereinbarungen ge troffen haben. Wir haben einen sehr konstruktiven Dialog, Kollege Walter Heiler, mit dem Städtetag. Wir haben mit dem Städtetag sehr intensiv über diese Gemeindeordnung disku tiert, haben viele wichtige Hinweise des Städtetags – Sie ha ben ja den Kollegen Salomon erwähnt – aufgegriffen, und der Städtetag hat mit uns dann eine Vereinbarung abgeschlossen. Da muss ich sagen: Das waren konstruktive Gespräche; so stelle ich mir ein gutes Zusammenwirken zwischen Land und kommunalen Landesverbänden vor, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Die Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum ist eine aktu elle Herausforderung. Die Kollegin Lindlohr, Klaus Maier und ich haben heute Morgen dazu schon etwas gesagt. Wir reagie ren darauf. Wir haben die Fördermittel zur Schaffung von be zahlbarem Wohnraum auf 75 Millionen € erhöht. Die Landes bank kann den Kreditnehmern dadurch zinsfreie Kredite für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stellen. Wir legen

ein Förderprogramm für die Anschlussunterbringung von Flüchtlingen auf. Zusammen mit den Geldern des Bundes stel len wir zusätzliche Mittel in Höhe von 60 Millionen € für die Kommunen zur Verfügung. Das kann sich sehen lassen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Mit den Änderungen im Baugesetzbuch, die der Ministerprä sident letztes Jahr mit initiiert hat, schaffen wir Erleichterun gen. Wir haben heute Morgen über die Landesbauordnung ge sprochen. Darin gibt es umfassende Abweichungs- und Aus nahmetatbestände sowie Befreiungstatbestände. Das Baurecht und die Gemeindeordnung behindern nicht das Bauen, son dern wir fördern damit das Bauen in unseren Kommunen, lie be Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Das Thema „Bereitstellung von Wohnraum, Bereitstellung von bezahlbaren Wohnungen“ eignet sich in unseren Augen nicht, um es gegen die Bürgerbeteiligung auszuspielen. In vie len Fällen, in denen es um die Bereitstellung von zusätzlichen Unterkünften für Flüchtlinge oder von weiterem Wohnraum geht, wird kein Bebauungsplanverfahren notwendig sein. Vie les wird sich im Rahmen von baurechtlichen Nutzungsände rungen oder baurechtlichen Genehmigungsverfahren abspie len. Wenn dann im Einzelfall ein neuer Bebauungsplan not wendig wird, sehen wir keinen Grund, warum das im stillen Kämmerlein geschehen soll und erst dann in die Bürgerbetei ligung gehen soll; vielmehr muss die Bürgerschaft hier von Anfang an einbezogen werden. Gerade diese neuen Wohnge biete müssen doch gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bür gern entwickelt werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und des Abg. Walter Heiler SPD)

Dass es sich gerade nicht lohnt, das Thema Bürgerbeteiligung bei der Bauleitplanung und der Unterbringung von Flüchtlin gen auszuspielen, haben doch die zwei Bürgerentscheide in den letzten Wochen in den Gemeinden Eisingen am 20. Sep tember 2015 und in der Gemeinde Au am 19. Juli 2015 ge zeigt. Hier hat die Bürgerschaft mit Zweidrittelmehrheit bei einem Bürgerentscheid für die Flüchtlingsunterkünfte ge stimmt. Das macht mich sehr zuversichtlich. Gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern können wir dieses große The ma meistern, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Der Kollege Klein hat die Situation in den Gemeinderäten und Kreistagen angesprochen. Wir sind den 20 000 Menschen, die sich in den Gemeinderäten engagieren, und den über 2 300 Menschen, die sich in den Kreistagen einbringen, sehr dank bar für ihr Engagement. Das ist eine sehr wichtige Säule der repräsentativen Demokratie auf kommunaler Ebene. Wir wol len, dass es künftig attraktiver wird, im Ortschaftsrat, im Ge meinderat, im Kreistag mitzuarbeiten. Daher verbessern wir die Arbeitsbedingungen für die Gemeinderäte und für die Kreisräte: frühzeitige Übersendung von Unterlagen, längere Einladungsfristen und die Möglichkeit für die Gemeinderats fraktionen, Anträge auf Aufnahme eines Verhandlungsgegen stands in die Tagesordnung zu stellen. Das ist doch das Min deste, seine Ideen ins Gremium einbringen zu können.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Für uns ist klar: Es gilt weiterhin der Grundsatz „Mehrheit ist Mehrheit“. Das ist Demokratie. Über das, worüber die Ge meinderäte abstimmen, entscheidet letztendlich die Mehrheit.

Einen Punkt möchte ich noch erwähnen, nämlich die Jugend beteiligung. Uns ist es wichtig, dass mehr junge Menschen den Zugang zur Kommunalpolitik finden. Wir wollen verbind liche Mitwirkungsrechte für den Jugendgemeinderat oder für andere Formen der Jugendvertretung. Die Beteiligung von Ju gendlichen darf gerade keine Spielwiese sein, sondern es muss ein Rede- und Antragsrecht der Jugendvertretung und des Ju gendgemeinderats im Gemeinderat geben. Das setzen wir mit diesem Gesetz um. Das ist sehr wichtig, um junge Leute für die Kommunalpolitik zu gewinnen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Ich kann mir gar nicht erklären, warum Sie von der CDU da gegen sind, da Peter Hauk doch am 11. April 2013

(Abg. Peter Hauk CDU: 2013!)

einen Antrag eingereicht hat, in dem er eine entsprechende Ju gendbeteiligung mit unterstützt. Das müssen Sie mir einmal erklären.

Kurzum, liebe Kolleginnen und Kollegen: Die Änderung der Gemeindeordnung und der Landkreisordnung ist ein gutes Werk für den Ausbau der repräsentativen Demokratie und der direkten Demokratie. Glück auf für dieses Land!

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die SPD-Fraktion er teile ich Herrn Abg. Heiler das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen, liebe Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Her ren! Kollege Klein, Sie wissen, dass ich Sie sehr schätze. Aber bei dem, was Sie heute zum Teil gesagt haben –

(Zuruf von der CDU: Das war alles richtig!)

die Regierung würde die Kommunen vor den Kopf stoßen, wir hätten Misstrauen gegen die Kommunen, wir müssten die Kommunen mehr unterstützen und würden dies nicht tun, und Sie seien die wahren Partner der Kommunen –, habe ich mich schon gefragt: Haben Sie eigentlich schon vergessen, wie das zu Ihrer Regierungszeit war und wer wirklich der wahre Part ner der Kommunen ist?

Ich will an drei Beispielen unterstreichen, was Kollege And reas Schwarz gesagt hat:

Erinnern Sie sich nicht mehr, wie es zu Ihrer Zeit mit dem kommunalen Finanzausgleich, mit der Vorwegentnahme war? Wir haben gemeinsam mit den kommunalen Landesverbän den ein Finanzpaket geschnürt, haben die Vorwegentnahme auf 315 Millionen € reduziert. Zu Ihrer Zeit waren das 405 Millionen €.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Das waren noch Zeiten!)

Das ist eine jährliche Entlastung um 90 Millionen € für unse re Kommunen, meine sehr geehrten Damen und Herren.