Protocol of the Session on October 14, 2015

Das ist eine jährliche Entlastung um 90 Millionen € für unse re Kommunen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Wir haben mit den kommunalen Landesverbänden einen Pakt für Familien mit Kindern geschlossen. Im nächsten Jahr be teiligen wir uns mit 795 Millionen € an den Betriebsausgaben für die Kleinkindbetreuung. Das sind 68 %.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich habe mal in einen alten Haushalt von Waghäusel hinein geschaut, wie das zu Ihrer Regierungszeit war. Da waren es läppische 20 %. Jetzt sind es 68 %.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Andre as Schwarz GRÜNE: Stimmt!)

Gemeinsam mit den kommunalen Landesverbänden haben wir dies erreicht.

Noch ein Beispiel, das ich konkret erlebt habe: Schulsozial arbeit. Wir hatten damals bei uns – wie viele andere Kommu nen auch – im Hinblick darauf, dass das Land eine Finanzie rung gab, einen Schulsozialarbeiter eingestellt. Nach zwei, drei Jahren, als sich das Land aus dieser Anschubfinanzierung zurückzog, standen wir belämmert da. Wir haben die Arbeit des Schulsozialarbeiters auf eigene Kosten weitergeführt. Die se Regierung war es, die gemeinsam mit den kommunalen Landesverbänden erreicht hat, dass wir, das Land, uns jetzt wiederum zu einem Drittel an den Kosten der Schulsozialar beit beteiligen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

So viel zum Thema „Wahre Partner“, bevor ich zum eigentli chen Thema komme. Jeder kann sich jetzt überlegen, wer wirklich der wahre Partner ist.

Zum Tagesordnungspunkt „Gesetz zur Änderung kommunal verfassungsrechtlicher Vorschriften“: Es ist sicher richtig, dass sich die Gemeindeordnung in Baden-Württemberg in den ver gangenen Jahren und Jahrzehnten durchaus bewährt hat. Die baden-württembergischen Kommunen sind hervorragend auf gestellt und haben in den letzten Jahrzehnten außerordentlich gute Arbeit geleistet. Das muss aber nicht heißen, alles so zu belassen, wie es ist.

Kollege Klein, Sie sind 1992 in Mühlhausen zum Bürgermeis ter gewählt worden, waren dies bis 2011, wenn ich es recht weiß, aber seitdem ist die Zeit weitergegangen. Das bedeutet: Nichts ist so gut, dass es nicht noch besser werden könnte. Dies war unser Anspruch, als wir an die Überarbeitung und Verbesserung unserer Kommunalverfassung gegangen sind, und dies ist uns auch gelungen. Wir ermöglichen mehr Bür gerbeteiligung. Die direkte Demokratie – es wurde bereits er wähnt – auf kommunaler Ebene wird erweitert. Die Quoren werden gesenkt. Damit sind Sie einverstanden.

Auch beim Thema „Bürgerentscheid bis zum Aufstellungsbe schluss im Rahmen eines Bauleitplanverfahrens“ waren wir uns einig. Dann entstand die derzeitige Flüchtlingssituation. Lieber Kollege Klein, wenn Sie das angesichts dieser Situa tion jetzt herausnehmen wollen, ist das meines Erachtens ein falsches Signal. Sie sagen den Bürgerinnen und Bürgern: „Okay, grundsätzlich Ja zum Bürgerentscheid. Aber wenn es in der Entscheidungsfindung dann mal problematisch wird, dann seid ihr außen vor, dann machen wir das im Gemeinde rat.“ So kann es wohl nicht gehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Zuruf von der CDU)

Eines sage ich Ihnen auch, Herr Kollege Klein.

(Abg. Karl Klein CDU meldet sich.)

Herr Kollege Klein, diese Rede ist so gut und in sich schlüs sig, dass sich Ihre beabsichtigte Frage sozusagen von selbst beantwortet.

(Heiterkeit bei der SPD und den Grünen – Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Abg. Karl Klein CDU: Bürgerbeteiligung! – Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Herr Kollege Klein, ich muss mich ernsthaft fragen, ob Sie gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern Misstrauen hegen oder ob Sie Angst vor ihnen haben. Im Rahmen des Problems der Flüchtlingsunterbringung, das Sie angesprochen haben, erreichen Sie vor Ort ohnehin nur dann gute Lösungen, wenn Sie gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern zu einer Entscheidungsfindung gelangen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Zuruf des Abg. Karl Klein CDU)

Deshalb bleiben wir dabei, dass das zum Bürgerentscheid Ver einbarte nicht aufgedröselt werden kann.

Nächster Punkt: Wir stärken die Fraktionen.

(Zuruf des Abg. Karl Klein CDU)

Ja, das haben manche Gemeinden so gemacht. – Aber wir werden erstmals die Bildung von Fraktionen in kommunalen Vertretungsorganen gesetzlich regeln. Damit stärken wir die Fraktionen, und wir stärken auch die kommunale Selbstver waltung, weil wir es den Kommunen selbst überlassen, in ih ren Geschäftsordnungen die Detailregelungen hierzu zu tref fen.

Wir stärken gleichzeitig die Minderheitenrechte in kommu nalen Gremien. Künftig kann eine Fraktion oder ein Sechstel des Gemeinderats oder Kreistags Anträge auf Aufnahme ei nes Verhandlungsgegenstands in die Tagesordnung stellen.

Außerdem erweitern wir die Rechte von Gemeinde- und Kreis räten. Wir stärken diese Rechte z. B. dadurch, dass wir Auf wendungen für Kinderbetreuung und die Betreuung pflegebe dürftiger Angehöriger während der Sitzungen von Gemeinde räten und Ortschaftsräten erstatten wollen. Wir leisten damit einen unverzichtbaren Beitrag zur Vereinbarkeit von Familie und Ehrenamt und damit auch zur Gleichstellung von Män nern und Frauen. Es ist sicher richtig, dass die Kommunen dies bislang bereits können und einige Kommunen das bereits machen. Wir haben es z. B. in unserer Stadt. Aber richtig ist auch, dass viele Kommunen es noch nicht getan haben. Wir wollen, dass es in Baden-Württemberg flächendeckend ein geführt wird.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Lieber Kollege Klein, ich komme zur Frist von sieben Tagen für die Zusendung der Sitzungsunterlagen. Wir wissen, dass das bislang nicht in allen Kommunen der Fall ist. Wir haben

von den kommunalen Landesverbänden gehört, dass es Kom munen gibt, bei denen die Sitzungsunterlagen zwei bis drei Tage vorher kommen. Ich selbst war 19 Jahre lang ehrenamt lich Mitglied des Gemeinderats. Ich erwarte schon, dass die Sitzungsunterlagen eine Woche vor der Sitzung kommen. Denken Sie einmal an Sitzungstage am Donnerstag oder Frei tag. Wenn Sie die Sitzungsunterlagen drei Tage vorher zuschi cken, kommt ein ehrenamtlich Tätiger gar nicht dazu, sie zu lesen. Man sollte sie, pragmatisch gesehen, zumindest übers Wochenende haben. Deswegen legen wir diese Frist jetzt im Gesetz fest.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Wir stellen es den Gemeinderäten und den Kreistagen frei – auch das ist kommunale Selbstverwaltung, unser oberstes Ge bot, unsere Priorität –, zu entscheiden, ob Vorberatungen in den Ausschüssen in öffentlicher oder nicht öffentlicher Sit zung erfolgen. Auch das ist ein deutlicher Fortschritt, wie ich denke.

Wir stärken weiter die Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen. Das Wahlrecht ab 16 Jahren haben wir mit Er folg eingeführt. Wir denken, dass, wenn wir in der Gemein deordnung jetzt festlegen und fest verankern, dass Kinder und Jugendliche angemessen beteiligt werden, sie auch ihre Inte ressen einbringen können und dass damit das Bewusstsein für Kommunalpolitik gestärkt wird. Ich denke, das ist ein wich tiger und richtiger Schritt, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Ich habe jetzt noch einige kurze Anmerkungen zu unseren vor gesehenen Änderungsanträgen. Darauf sind Sie noch gar nicht eingegangen. Wir verzichten auf Hinderungsgründe für die gleichzeitige Mitgliedschaft von Familienangehörigen im Ge meinderat. Dies war in den Kommunen über 10 000 Einwoh nern bislang ohnehin schon so. Ich habe mich immer gefragt, weshalb die Einwohnerzahl eigentlich einen Einfluss auf Hin derungsgründe haben soll.

Wir wollen hier für alle Kommunen in Baden-Württemberg die gleichen Voraussetzungen schaffen. Wenn die Wählerin nen und Wähler vor Ort entscheiden, den oder die mögen sie im Gemeinderat als Mitglied haben, auch wenn diese mitein ander verwandt sind, dann ist es unser höchstes Gebot, den Willen der Wählerinnen und Wähler zu beachten. Nicht mehr und nicht weniger.

(Beifall bei der SPD)

Dies soll künftig übrigens auch für Hinderungsgründe gelten, wenn man mit dem Bürgermeister in einem die Befangenheit begründenden Verwandtschaftsverhältnis steht.

Wir wollen der kommunalen Selbstverwaltung ferner überlas sen, wie öffentliche Bekanntmachungen zu tätigen sind. Hier geben wir die Wahlfreiheit zwischen Veröffentlichungen im Internet und Veröffentlichungen in Zeitungen. Ich denke, auch das ist angemessen. Wir überlassen es auch hier den Kommu nen vor Ort – Stichwort kommunale Selbstverwaltung –, wie jeweils entschieden wird. Wir greifen da nicht ein, sondern bieten nur die Möglichkeit an. Aber wie es geregelt wird, das entscheidet der Gemeinderat vor Ort in eigener Regie.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Zum Thema „Altersgrenze Bürgermeister, Oberbürgermeis ter“ ist schon vieles gesagt worden. Ich kann auf die letzten Plenarsitzungen verweisen. Das brauche ich hier nicht zu wie derholen. Wir denken, dass unser Änderungsantrag hier der richtige ist. Sonst hätten wir ihn ja auch nicht eingebracht.

(Lachen des Abg. Karl Klein CDU)

Lieber Kollege Karl Klein, vielleicht klären Sie mich auf; ich glaube, Sie haben noch Redezeit für eine zweite Runde reser viert.

(Dem Redner wird das Ende seiner Redezeit ange zeigt.)

Ich sehe es, Herr Präsident. Das blinkt ja wie in der Disco.

Herr Kollege Karl Klein, klären Sie mich einmal auf, wie es funktionieren soll, dass jemand wie ich, der gewählt wird – ich muss ausscheiden, weil ich 2022 dann 68 Jahre alt wäre, obwohl acht Jahre noch nicht erreicht sind –, die volle Amts zeit im Amt bleiben sollte. Das geht verfassungsrechtlich gar nicht, denn man kann nicht rückwirkend in den Wählerwillen eingreifen. Die Wähler wissen: Er ist soundso lange im Amt, und dann muss er ausscheiden.

(Zuruf des Abg. Karl Klein CDU)

Sie können also nicht rückwirkend irgendetwas machen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, letzter Satz. Ich bin der Überzeugung, dass wir mit der heutigen Verabschiedung der Kommunalverfassung einen wichtigen Schritt zu einer notwendigen Modernisierung der kommunalen Demokratie gehen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Für die Fraktion der FDP/ DVP erteile ich Herrn Abg. Dr. Goll das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf, um den es heute geht, enthält Positives und Negatives, von Letzterem leider ein bisschen zu viel, sodass wir ihn insgesamt auch nicht mit tragen können, was im Grunde ein Stück weit schade ist, denn es steckt für sich betrachtet viel Positives darin. Darauf will ich zunächst zu sprechen kommen. Das betrifft gerade den Be reich der direkten Demokratie, der Erleichterung kommuna ler Bürgerentscheide. Das sind Materien, die wir ohne Weite res mittragen. Da hätten wir auch insofern gern isoliert zuge stimmt. Das sind auch Teile der gemeinsamen Vereinbarung, zu der wir auch stehen, aber – das muss ich jetzt sagen – mit einer einzigen Ausnahme.