Dieser Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung entgegen dem Willen der Kommunen in diesem Land ist bisher einma lig und zeigt ein ausgesprochenes Misstrauen gegenüber den kommunalen Entscheidungsträgern. Sie stoßen heute die Kom munen vor den Kopf, auf die Sie in den nächsten Wochen mehr denn je angewiesen sind, um die Anschlussunterbrin gung für Flüchtlinge und den sozialen Wohnungsbau in die sem Land zu meistern. Das ist eine große Herausforderung, eine große Aufgabe für jede einzelne Kommune, für jeden Oberbürgermeister, für jeden Bürgermeister, für jeden Ge meinderat und jeden Ortschaftsrat. Dabei sollten wir die Kom munen eigentlich unterstützen und ihre Arbeit nicht zusätz lich belasten und behindern.
Während die Bundesregierung in Verantwortung von Bundes bauministerin Dr. Barbara Hendricks – die übrigens der SPD angehört –
wird mit der Ausweitung des Bürgerentscheids auf den Auf stellungsbeschluss in der Bauleitplanung und mit der Verlän gerung der Fristen von sechs Wochen auf drei Monate an ganz entscheidender Stelle die ohnehin schon sehr schwierige Ar beit vor Ort erschwert.
Davor kann man nicht länger die Augen verschließen, son dern man muss auch die Realitäten rechtzeitig erkennen und akzeptieren, auch – das räume ich ein – wenn man dies vor ca. zwei Jahren noch mit etwas anderen Augen gesehen und bewertet hat, wobei sich die CDU-Fraktion von Anfang an mit einer solchen Regelung sehr schwergetan hat.
Wenn Sie dies dennoch heute beschließen, eröffnen Sie für je den Einleitungsbeschluss, für jeden Änderungsbeschluss zu einem Bebauungsplan die Möglichkeit zu einem Bürgerbe gehren und zu einem Bürgerentscheid. Solche Beschlüsse wer den in den nächsten Wochen in großer Anzahl in den Kom
munen zu fassen sein, um Flüchtlingsunterkünfte und für den sozialen Wohnungsbau notwendigen Wohnraum zu schaffen. Sie tun dies auch noch völlig ohne Not; denn die Bürgerbe teiligung bleibt auch bei der jetzigen gesetzlichen Regelung nicht außen vor. Sie findet gerade bei der Bauleitplanung mehrfach statt und ist in unserem Land vorbildlich. Das Heft des Handelns bleibt aber bei den aus freien und demokrati schen Wahlen hervorgegangenen Gemeinderäten, und daran können zumindest wir, die CDU-Fraktion, nichts Nachteili ges erkennen.
Herr Ministerpräsident Kretschmann und sein Finanz- und Wirtschaftsminister Dr. Schmid fordern von der Bundesregie rung Erleichterungen beim Bauen, sie fordern kostenlose Grund stücke, auf denen sie die BEAs, LEAs und Notunterkünfte verwirklichen können, und sie fordern wie immer viel Geld. Sie bringen über die Presse Erleichterungen durch eine Än derung der Landesbauordnung ins Spiel und versprechen den Kommunen, diese beim Bau von Flüchtlingsunterkünften und im sozialen Wohnungsbau zu unterstützen. Und was machen Sie heute? Genau das Gegenteil, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Bevor Sie zukünftig Versprechungen dieser Art abgeben – da meine ich jetzt den Ministerpräsidenten und seinen Stellver treter –, müssen Sie Ihren Verkehrsminister und die Staatsse kretärin im Verkehrsministerium zurückpfeifen; denn diese weigern sich bis heute, die dringend notwendige Änderung der Landesbauordnung zur Schaffung von Wohnraum vorzu nehmen.
Was wird nun aus diesen Versprechungen? Das wird Minis terpräsident Kretschmann ganz gründlich hinterfragen müs sen.
Die Auffassung der CDU-Landtagsfraktion, liebe Kollegin nen und Kollegen von Grün und Rot, vertrete nicht nur ich als kommunalpolitischer Sprecher und als ehemaliger Bürger meister, sondern das Gleiche sagen Ihnen auch Ihre eigenen Oberbürgermeister und Bürgermeister, so z. B. Herr Oberbür germeister Salomon aus Freiburg, Herr Oberbürgermeister Kurz aus Mannheim oder auch Herr Oberbürgermeister Gön ner aus Ulm, und dies sogar öffentlich über die Presse.
Wenn Sie diese Pressemitteilungen nicht haben, stelle ich sie Ihnen gern zur Verfügung. Was empfehlen Ihnen diese Ober bürgermeister?
Sie empfehlen Ihnen ganz einfach, diesen Gesetzentwurf in die Mottenkiste zu werfen und es bei den bewährten bisheri gen Regelungen zu belassen. Darauf sollten Sie entsprechend hören.
Ebenso wie die kommunalen Landesverbände sind auch wir der Auffassung, dass die beabsichtigten weiteren Änderungen nicht zu einer Stärkung der kommunalen Demokratie führen. So verlässt der Gesetzentwurf das bisher vom Landesgesetz geber fein austarierte Verhältnis zwischen der Gemeindever waltung und dem Bürgermeister mit dem Gemeinderat.
(Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE: Das stimmt doch überhaupt nicht! – Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE meldet sich.)
Zudem erschweren Sie mit diesen Änderungen das Gewinnen qualifizierter Bürger für das Ehrenamt als Gemeinde- oder Ortschaftsrat.
Warum sollte man als Gemeinde- oder Ortschaftsrat viele Stunden der Vorbereitung und der intensiven Befassung mit Sachthemen auf sich nehmen, wenn die Entscheidungsbefug nisse immer mehr beschnitten und verlagert werden?
Im Detail bringen Sie nun verpflichtende Regelungen zu Sach verhalten in die Gemeindeordnung ein, die bisher jeder Ge meinderat für seine Gemeinde selbst entscheiden konnte, so z. B. zur Bildung von Fraktionen, zur Absenkung des Quo rums für die Aufnahme eines Punktes auf die Tagesordnung der Sitzung des Gemeinderats, zur Absenkung des Quorums für die Einführung eines Fraktionsrechts, zu den verbindli chen Einladungsfristen, zur Bekanntgabe nicht öffentlicher Beschlüsse im Wortlaut – da fehlt eigentlich nur noch, in wel cher Sprache –, zur Festlegung, ob Fraktionen im Gemeinde blatt berichten dürfen, zur Festlegung, welche Unterlagen für eine Beschlussfassung notwendig sind, zur Regelung der Kin derbetreuung und der Betreuung pflegebedürftiger Angehöri ger, zur Regelung der Kinder- und Jugendbeteiligung etc. Das werden nun alles gesetzliche Festlegungen, über die bis jetzt eine Mehrheit des Gemeinderats ganz individuell und selbst entscheiden konnte.
Damit werden unnötige Vorgaben gemacht. Die Arbeit der po litischen Gremien, hauptsächlich des Gemeinderats und des Ortschaftsrats, wird politisiert, anstatt auf die Entscheidungs fähigkeit der kommunalen Hauptorgane zu vertrauen.
Dabei ist es doch gerade die Kommunalpolitik, meine sehr ge ehrten Damen und Herren, die seit Jahrzehnten beweist, dass
sie sachgerecht, zielorientiert und auch zukunftweisend ent scheidet. Die Kommunen brauchen nicht Ihre grün-rote Ideo logie der Besserwisserei. Sie treffen sinnvolle Regelungen von allein und ganz individuell, so wie es eigentlich auch der ge wünschten Vielfalt in unserem Land entspricht.
Eine weitere Neuregelung schiebt die Landesregierung nun mit der Altersregelung für kommunale Wahlbeamte hinterher. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen keine zwei Al tersgrenzen für kommunale Wahlbeamte; denn so schlimm sind sie nicht. Vorgesehen sind eine Regelung für die zulässi ge Wiederwahl vor dem 65. Lebensjahr und eine Altersgren ze für das zwingende Ausscheiden mit Vollendung des 68. Le bensjahrs. Deshalb bringen wir einen Änderungsantrag ein, der vorsieht, die Regelung zum zwingenden Ausscheiden mit dem 68. Lebensjahr aus dem Gesetz zu nehmen. Damit wür de ein Landrat, ein Oberbürgermeister oder ein Bürgermeis ter spätestens mit Ablauf seiner Amtszeit im 73. Lebensjahr aus dem Amt scheiden.
Genau diesem Vorschlag schließen sich auch die kommuna len Landesverbände an. Die von Ihnen vorgeschlagene Rege lung, die vorsieht, dass die Wiederwahlgrenze für kommuna le Wahlbeamte auf 68 Jahre angehoben wird und diese dann zwingend mit 73 Jahren aus dem Amt scheiden, macht wirk lich keinen Sinn und ist ein durchsichtiger partei- und perso nenbezogener Kompromiss.
Für den Oberbürgermeister von Stuttgart, meine sehr geehr ten Damen und Herren, brauchen Sie keine speziellen gesetz lichen Regelungen. Das wird nach meiner ganz persönlichen Einschätzung der Wähler schon richten.
Abschließend, meine sehr geehrten Damen und Herren, stel le ich ausdrücklich fest, dass die CDU-Landtagsfraktion die in der interfraktionellen Vereinbarung getroffenen Regelun gen zur Änderung der Landesverfassung und zur Absenkung der Quoren für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide auf kommunaler Ebene nach wie vor mitträgt. Alle weiter gehen den Einschnitte in die Kommunalverfassung lehnen wir ab, da die Kommunen dies in ihrer kommunalen Selbstverwal tung viel besser und individueller regeln können. Wir vertrau en den kommunalen Gremien, wir unterstützen sie, wir er schweren nicht ihre Arbeit vor Ort. Wir waren und sind die Partner der Kommunen,