Protocol of the Session on September 23, 2015

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der SPD – Abg. Klaus Herrmann CDU: Kein Beifall bei den Grünen! – Abg. Nikolaus Tschenk GRÜNE: Das ist doch nur Heuchelei! – Un ruhe)

Herr Kollege Tschenk, Sie sind hier nicht als Oberlehrer, sondern als Abgeordneter des Landtags von Baden-Württem berg.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf: Sie auch! – Unruhe)

Ihre Aufregung zeigt Ihre Nervosität.

(Lachen bei Abgeordneten der Grünen)

Ich wünsche mir, dass Sie die Kraft haben, sich auf diese Dis kussion einzulassen. Sie müssen nicht alles gut finden, was ich sage. Im Zweifel würde ich etwas falsch machen, wenn Sie mich nur noch loben würden. Ich finde aber, wir müssen zu einer differenzierteren Diskussion in der Lage sein. Jeden falls beabsichtige ich nicht, mir von Ihnen sagen zu lassen, was ich noch verkünden darf und was nicht. Auch das gehört zu einer Diskussion, die sich mit Fragen der Toleranz befasst.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, die Bundesregierung zeigt Hand lungsfähigkeit.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl!)

Die Kanzlerin hat in einer Ausnahmesituation eine menschli che Entscheidung getroffen. Sie hat in der Folge weitere Maß nahmen auf den Weg gebracht, die zwingend erforderlich und richtig waren, die aber ohne die vorausgegangene Entschei dung in dieser Form vielleicht gar nicht möglich gewesen wä ren. Ich denke etwa an die Grenzkontrollen, die jetzt angeord net worden sind.

Die Große Koalition in Berlin ist handlungsfähig. Sie bringt jetzt ein Konzept auf den Weg,

(Zuruf: Erst jetzt!)

um das Verfahren deutlich zu beschleunigen. Das Ziel ist jetzt – Sie erinnern sich sicherlich daran, dass das auch schon in dem Konzept stand, das die CDU-Landtagsfraktion bereits vor Wochen vorgelegt hat –, die Verfahren so zu beschleuni gen, dass ein Verfahren abgeschlossen werden kann, solange sich der Asylbewerber noch in der Erstaufnahmeeinrichtung befindet. Erst wenn endgültig geklärt ist, ob er bleiben kann oder nicht, kann die Verteilung auf die Kommunen erfolgen, oder es muss die Rückführung aus der Erstaufnahme erfolgen. Auch das sind wir unseren Kommunen schuldig, wenn es da rum geht, dieses Problem vor Ort wirklich bewältigen zu kön nen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Ich finde die Entscheidungen der Großen Koalition und das, was jetzt auf dem Tisch liegt, die Rückkehr zum Sachleis tungsprinzip, notwendig und richtig. Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, es muss auch möglich sein, dass wir eine Diskus sion darüber führen, ob wir gegebenenfalls falsche Anreize in unserem Land haben, die diese Menschen motivieren, sich auf den Weg zu uns zu machen. Das ist unsere Aufgabe. Deshalb halte ich eine Rückkehr zum Sachleistungsprinzip für den richtigen Weg und erwarte, Herr Ministerpräsident, dass auch Sie für die Landesregierung von Baden-Württemberg diesen Weg der Großen Koalition in Berlin unterstützen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Seit Monaten plädieren wir für eine zeitnahe Aufnahme von Albanien, Montenegro und Kosovo in die Liste der sicheren Herkunftsstaaten. Ich verstehe nicht, Herr Ministerpräsident, warum Sie bei dieser Diskussion, für uns schwer nachvoll ziehbar, wie folgt argumentieren:

(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Das ist Taktik!)

Einerseits sagen Sie, auch assistiert von Mitgliedern Ihrer Par tei, dass das nicht der richtige Weg sein könne, dass das Sym bolpolitik sei, dass Sie sich das nicht ein weiteres Mal vorstel len könnten. Aber andererseits lassen Sie auch wieder durch blicken: „Ja, wenn die Gegenleistung stimmt, mache ich da vielleicht mit.“ Sind Sie wirklich der Auffassung, dass sich eine solche Frage für parteipolitische Spielchen anbietet?

(Zuruf von den Grünen)

Ich möchte Sie dringend auffordern, der zeitnahen Aufnahme von Albanien, Montenegro und Kosovo in die Liste der siche ren Herkunftsstaaten wirklich und vorbehaltlos zuzustimmen – auch im Interesse des Landes Baden-Württemberg.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde es wichtig, dass am Ende dieser De batte mit Blick auf das, was sich etwa in Wertheim vor weni gen Tagen abgespielt hat, ein klares Signal steht, nämlich das klare Signal, dass Fremdenfeindlichkeit und Fremdenhass in

diesem Land, in unserem Land Baden-Württemberg, nichts verloren haben und dass sich alle politischen Kräfte dieses Hohen Hauses gegen solche Formen von Fremdenfeindlich keit zur Wehr setzen. Auch das muss die Botschaft des heuti gen Tages sein.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP/DVP so wie Abgeordneten der Grünen)

Deshalb wird meine Fraktion dieser Resolution oder diesem Antrag – welche Überschrift dieses Papier auch immer trägt – im Sinne eines politischen Signals zustimmen.

Mit Blick auf die Ausgewogenheit und Differenzierung die ser Diskussion ist es uns aber auch wichtig, ein Signal zu set zen, dass Politik handlungsfähig ist und handlungsfähig bleibt. Deshalb führen wir in einem gesonderten Antrag ebenfalls ei ne Abstimmung über die Frage herbei: Was sind wesentliche und wichtige Schritte als Antwort auf diese große Herausfor derung? Das ist für uns die Festlegung weiterer sicherer Her kunftsstaaten. Das ist für uns der Abbau von Fehlanreizen.

Ich will aber ausdrücklich keinen inneren Zusammenhang zwischen den beiden Erklärungen herstellen. Denn die Absa ge an Fremdenfeindlichkeit muss kompromisslos erfolgen. Dem stellen wir uns. Aber in gleicher Weise wünsche ich mir, dass auch Sie sich veranlasst sehen, ein Zeichen zu setzen und die Menschen davon zu überzeugen: Ja, wir haben die richti gen Antworten, um mit diesen großen Flüchtlingsströmen um zugehen. Wir wollen auch unseren Kommunen in dieser schwierigen Situation helfen.

An uns soll es heute nicht liegen, in beiderlei Hinsicht wich tige Signale aus dem Landtag von Baden-Württemberg in das Land Baden-Württemberg hinaus zu senden.

Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der CDU – Beifall bei der FDP/DVP)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich der Frau Fraktionsvorsitzenden Sitzmann das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Lassen Sie mich mit dem Positiven be ginnen. Ich finde es gut, dass wir, der Landtag von BadenWürttemberg, heute über alle Fraktionen hinweg eine gemein same Resolution verabschieden werden, in der wir uns ganz klar gegen Fremdenhass, gegen Gewalt, gegen rechte Parolen und vor allem auch gegen Anschläge, wie sie gegen Flücht lingswohnheime verübt worden sind, aussprechen und hier als demokratische Kräfte für ein positives und weltoffenes Ba den-Württemberg zusammenstehen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie Abgeord neten der CDU und der FDP/DVP)

Das ist ein wichtiges und richtiges Signal. Wir sind erschüt tert, wenn wir davon hören, dass Brandanschläge verübt wer den und zum Teil sogar in Kauf genommen wird, dass dabei Menschen zu Schaden kommen. Wir sind froh, dass es aus der Bevölkerung sehr deutliche Signale gibt – durch Demonstra tionen, durch Mahnwachen, durch Unterstützung der Flücht linge – gegen Hass und Extremismus. Wir müssen alles tun,

um dafür zu sorgen, dass das nicht wieder vorkommen wird, sondern unterbunden und geahndet wird.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Ganz entscheidend für die weiteren Fragen, mit denen wir uns beschäftigen, muss die Einigkeit darüber sein, dass das Grund recht auf Asyl für politisch Verfolgte keine Obergrenzen kennt und wir selbstverständlich bereit sind, die Flüchtlinge, die aus der Hölle eines Bürgerkriegs zu uns kommen, zu jeder Zeit und ohne Obergrenze mit einem humanitären Bleiberecht in Baden-Württemberg und in Deutschland aufzunehmen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Ich bin froh, dass Bundeskanzlerin Merkel diese klare Bot schaft sendet, und ich bin irritiert, dass nicht alle in der Süd west-CDU diese klare Botschaft unterstützen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Peter Hauk CDU)

Es ist Ihre Aufgabe, sehr geehrter Herr Wolf, und die der CDU-Landtagsfraktion, als gewählte Abgeordnete dafür zu sorgen, dass alle in der CDU in Baden-Württemberg zu die sem Kurs – zu dem Grundrecht auf Asyl

(Lachen bei der CDU und der FDP/DVP – Zurufe von der CDU und der FDP/DVP – Unruhe)

und zu einem Bleiberecht für Bürgerkriegsflüchtlinge – ste hen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, wir hielten es für eine richtige und wichtige Aktion – nicht nur Geste – der Bundeskanzlerin, dass sie es Anfang September denjenigen Menschen, die auf der Flucht in Budapest, in Ungarn festgesessen sind, möglich ge macht hat, zu uns zu kommen. Diese große humanitäre Ges te verdient unser aller Respekt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der SPD)

Wir haben eine große Aufgabe gemeinsam zu bewältigen – ich betone das Wort „gemeinsam“. Das ist nur möglich, wenn alle Ebenen – zuvörderst Europa, aber auch die Bundesrepu blik Deutschland, die Länder, die Kommunen und unsere Ge sellschaft – an dieser Aufgabe mitarbeiten. Ich bin zuversicht lich, dass wir, obwohl diese Aufgabe und die Herausforderung groß sind, dies gemeinsam hinbekommen werden.

Entscheidend ist, dass alle das tun, was auf ihrer eigenen Agenda steht und wofür sie jeweils zuständig sind. Wenn ich sage: „Wir haben Respekt vor der großen humanitären Geste der Kanzlerin“, so fordern wir auf der anderen Seite aber von seiten der Bundesregierung schnelle Zusagen und Unterstüt zung in vielen wichtigen Fragen. Das hat, bis heute, zu lange gedauert. Sie haben die Dauer der Asylverfahren angespro chen, Herr Kollege Wolf. Hier dauern sie immer noch sechs Monate oder länger – und dies ist ein Durchschnittwert; im Einzelfall können Verfahren durchaus auch zwölf oder gar 15 Monate dauern. Das ist ein Zustand, der seit langer Zeit be kannt ist,

(Zuruf von den Grünen: Da könnte auch einmal ein entsprechender Antrag gestellt werden!)

und dieser Zustand muss endlich vonseiten der Bundesregie rung, vonseiten des zuständigen Innenministers abgestellt werden. Wir brauchen eine deutliche Verkürzung der Verfah ren. Eine Dauer von drei Monaten ist unser Ziel, und da sind Taten und Anstrengungen zur Umsetzung vonseiten der Bun desregierung gefordert, meine Damen und Herren.