und dieser Zustand muss endlich vonseiten der Bundesregie rung, vonseiten des zuständigen Innenministers abgestellt werden. Wir brauchen eine deutliche Verkürzung der Verfah ren. Eine Dauer von drei Monaten ist unser Ziel, und da sind Taten und Anstrengungen zur Umsetzung vonseiten der Bun desregierung gefordert, meine Damen und Herren.
(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU und Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)
Die Dauer der Verfahren ist, meine Damen und Herren, auch das Nadelöhr für viele, die dann aufgrund des Asylverfahrens keine Aufenthaltserlaubnis, keine Genehmigung bekommen. Und ja: Da stellt sich heraus, dass für viele Menschen des Westbalkans das Asylverfahren ein Nadelöhr ist, das am En de nicht zu dem Erfolg führt, den sie sich gewünscht haben, sprich zu einem Bleiberecht in Deutschland. Das wissen wir. Auch da, Herr Kollege Wolf, braucht es einen differenzierten und ehrlichen Blick.
Im September letzten Jahres hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann mit seinen Kolleginnen und Kollegen und der Bundeskanzlerin verhandelt. Er hat damals der Einstufung von weiteren Ländern als sichere Herkunftsländer zugestimmt.
Es war versprochen worden, dass es eine Evaluation in der Frage geben wird, wie sich diese Maßnahme auswirkt, ob sich die Verfahren verkürzen und ob es tatsächlich dazu führt, dass weniger Menschen aus diesen Ländern kommen. Diese Eva luation liegt bis heute nicht vor. Das würde die Debatte im Sinne einer Lösungssuche erheblich vereinfachen.
Wir wissen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass es unter den sogenannten sicheren Herkunftsländern Länder gibt, aus denen inzwischen wieder weniger Menschen zu uns kommen. Es gibt andere Länder, bei denen diese Zahlen gleich geblie ben sind, und wiederum Länder, bei denen die Zahlen gestie gen sind. Wenn wir darüber reden, was jetzt politisch notwen dig ist, sollten wir über Maßnahmen reden, die wirklich hel fen. Die Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsländer wird dazu keinen so relevanten Beitrag leisten, wie das manchmal in der öffentlichen Diskussion zu suggerieren versucht wird.
Wichtig ist weiter, dass wir die positive Stimmung, die es vie lerorts gibt, alle gemeinsam wie einen Schatz hüten. Wir müs sen dafür sorgen, dass sie erhalten bleibt und die Willkom menskultur, die wir in Baden-Württemberg haben, weiter wächst. Deshalb ist es ganz entscheidend, dass wir Sorgen – die es gibt – nicht verschweigen, aber keine Stimmung gegen Flüchtlinge und keine Stimmung auf Kosten von Flüchtlin gen machen, die zu uns kommen. Denn das ist das wertvolls te Gut, das wir haben: die positive Stimmung bei uns im Land und in Deutschland insgesamt und die große Bereitschaft in Baden-Württemberg und anderswo, sich für die Flüchtlinge einzusetzen.
Die Kollegen haben zu Recht die vielen Menschen gelobt, die jetzt ehrenamtlich bei der Unterbringung helfen – seien es eh renamtliche Helfer vom Deutschen Roten Kreuz, vom Tech nischen Hilfswerk, von der Feuerwehr und von Wohlfahrts verbänden, oder seien es ehrenamtliche Helfer, die keiner sol chen Organisation angehören. Aber auch die Polizei verdient an dieser Stelle unseren besonderen Dank. Die Polizeibeam ten leisten derzeit überall und unermüdlich wirklich wertvol le Dienste.
Lassen Sie mich an dieser Stelle noch einmal betonen, wie wichtig die morgigen Verhandlungen zu Flüchtlingsfragen sind. Am heutigen Tag führt die Bundeskanzlerin Verhandlun gen auf europäischer Ebene. Für morgen sind Verhandlungen zwischen dem Bund und den Ländern geplant, um Asylver fahren deutlich zu beschleunigen und dadurch rasch zu mehr Klarheit und damit zu einer Entlastung zu kommen. Wir brau chen endlich auch eine strukturelle Beteiligung des Bundes an den Kosten, die den Ländern und den Kommunen entste hen. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt, meine Damen und Herren. Es kann nicht sein, dass Herr Schäuble als Bundesfi nanzminister das Portemonnaie schön geschlossen hält und, wenn man lange genug an die Tür geklopft hat, einen einma ligen Betrag gibt. Vielmehr muss eine strukturelle und ver lässliche Unterstützung des Bundes kommen, und zwar rasch und in angemessener Höhe.
Das gilt selbstverständlich auch, wenn es um die zweite Fra ge geht, nämlich um die Frage der Integration all derjenigen Menschen, die bei uns bleiben werden. Für sie müssen wir – das ist das Allerwichtigste – den Erwerb von Sprachkompe tenz fördern. Auch hier ist der Bund in der Pflicht, wenn es um Integrations- und Sprachkurse geht. Das ist das A und O, damit später dann auch weitere Schritte folgen können. Auf Landesebene machen wir unsere Hausaufgaben, was die Sprachförderung im vorschulischen Bereich betrifft. Dies gilt auch für die Unterstützung der Schulen bei der Einrichtung von Vorbereitungs- und VABO-Klassen. Hierfür haben wir bislang 560 Lehrerstellen zur Verfügung gestellt, und wenn es weitere Bedarfe gibt, werden wir die Zahl der Lehrerstellen entsprechend aufstocken.
Unterstützung im Bereich der Integration brauchen wir aber auch, wenn es um das Thema Wohnen geht. Wir brauchen vom Bund eine Zusage für ein Wohnraumförderungsprogramm.
Wir werden vonseiten des Landes selbstverständlich auch in Zukunft – wir haben bereits 60 Millionen € zur Verfügung ge stellt – unseren Beitrag dazu leisten, um auch bei diesem wichtigen Baustein für die Integration voranzukommen.
Lassen Sie mich noch einmal deutlich machen, dass seit dem 5. September dieses Jahres 17 000 Menschen zu uns nach Ba den-Württemberg gekommen sind – 17 000 Menschen, die auf der Flucht waren und die hauptsächlich über die Westbal kanroute gekommen sind. Es war möglich, all diesen Men schen ein Dach über dem Kopf, ein Bett, eine Grundversor gung zu gewährleisten; dies ist eine unglaubliche Anstrengung des Landes und der Kommunen. Wir wissen es sehr zu schät zen, dass auch auf kommunaler Ebene die Kooperationsbe reitschaft, die Bereitschaft, Unterkünfte zur Verfügung zu stel len, groß ist, sodass wir diese große Aufgabe überhaupt erst gemeinsam haben leisten können. Ich bin mir sicher, dass wir dies auch zukünftig leisten werden. Das werden wir – das Land Baden-Württemberg zusammen mit den Kommunen und den vielen ehrenamtlich Tätigen – hinbekommen.
Sicher bin ich mir auch, dass diejenigen, die sich inzwischen auch aus dem Bereich der Wirtschaft zu Wort gemeldet haben und einfach noch einmal die großen Chancen betont haben, richtig liegen. Wenn ein Herr Zetsche sagt, dass wir, wenn wir das Thema konstruktiv angehen, etwas Tolles schaffen kön nen, und zwar sowohl für Deutschland als auch die Menschen, die zu uns kommen, sind das die Chancen, die wir nutzen soll ten. Wir alle sollten sie gemeinsam nutzen. Die gute Aus gangslage, sowohl was die wirtschaftliche Situation als auch was die Möglichkeiten der Integration in den Arbeitsmarkt be trifft, die große Bereitschaft der ehrenamtlichen Helfer – das ist ein gutes Fundament, um den Flüchtlingen Unterbringung und Grundversorgung sowie vor allem auch langfristig eine gute Perspektive in unserem Land bieten zu können.
Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Das Asylrecht, der Schutz po litisch Verfolgter und von Menschen, die in ihrer Heimat von Krieg und Vertreibung bedroht sind, gehört zu den großen Er rungenschaften des Grundgesetzes und zu den großen Lehren aus der deutschen Geschichte. Deshalb verteidigen Freie De mokraten das Asylrecht und den Schutz an Leib und Leben bedrohter Menschen ganz selbstverständlich. Deshalb ist es auch gut, wenn der Landtag von Baden-Württemberg sich par teiübergreifend dazu bekennt, politisch verfolgten und bedroh ten Menschen Schutz zu gewähren und diese Menschen auch möglichst rasch in unsere Gesellschaft zu integrieren, wenn sie länger in unserem Land bleiben. Deshalb ist es auch not wendig, dass wir ein parteiübergreifendes Signal gegen Ge walt, gegen Verrückte, gegen Verbrecher, die Asylbewerber heime in Brand stecken, setzen.
Es beschämt mich persönlich, dass in meinem eigenen Wahl kreis – in Remchingen – ein für diese Menschen vorgesehe nes Haus gebrannt hat. Wir müssen aber auch deutlich ma chen, dass der Rechtsstaat wehrhaft ist. Wir müssen diese Ein richtungen schützen, und wenn es notwendig ist, müssen wir auch die Behörden besser ausstatten. Deshalb kann ich an die ser Stelle nur noch einmal unsere Forderung wiederholen, bei
der Polizei möglichst rasch für mehr Personal zu sorgen – un sere Forderung nach 1 000 zusätzlichen Polizisten –, und zwar auch aufgrund dieser Entwicklung.
Ich will mich auch dem anschließen, was meine Vorredner ge sagt haben, dem Lob an die ehrenamtlich, aber auch an die hauptamtlich Tätigen, die in diesem Bereich sehr gefordert sind. Es ist völlig richtig: Das ehrenamtliche Engagement in diesem Bereich ist besonders bemerkenswert. Aber ich stelle fest, dass auch viele hauptamtlich Tätige über das, was der Dienstherr normalerweise von ihnen verlangt, hinaus aktiv werden. Wir waren in der vergangenen Woche im Rahmen ei ner Fraktionsklausur im Oberschwäbischen – ich selbst war zwar nicht dort, aber die Kollegen haben es berichtet. Ich möchte das Sozialamt der Stadt Biberach nennen, wo Unge wöhnliches geleistet wird. Wenn man sich einmal anschaut, was viele im öffentlichen Dienst des Landes Baden-Württem berg unter diesen Voraussetzungen und angesichts dieser He rausforderungen leisten, sollten manche vielleicht bestimmte Vorurteile, die sie gegenüber dem öffentlichen Dienst hegen und pflegen, überdenken, meine Damen und Herren.
Die Landesregierung sollte vielleicht auch darüber nachden ken, nicht Eingangsbesoldungen abzusenken, sondern viel leicht auch einmal mit finanziellen Belohnungen gegenüber diesen Personen deutlich machen, dass die Politik ihren Ein satz zu schätzen weiß.
Zur Wahrheit gehört aber auch, meine Damen und Herren, dass es nicht genügt, von „Willkommenskultur“ zu reden und zu sagen: „Wir schützen jene Menschen“ – das ist völlig klar –; vielmehr muss man auch die Probleme benennen. Vor allem muss man seitens der Landespolitik auch deutlich ma chen, dass wir verstanden haben, dass wir alle die, die poli tisch verfolgt sind, alle die, die an Leib und Leben bedroht sind, schützen wollen, dass wir aber nicht jedem, der in Deutschland ein besseres Leben sucht, Aufnahme gewähren können, weil das nämlich unsere Möglichkeiten überfordert und weil wir dafür auch nicht die Akzeptanz der Bevölkerung haben. Auch das muss deutlich gesagt werden, meine Damen und Herren.
Hier gibt es die politischen Unterschiede. Es wurde nämlich viel zu spät darauf reagiert, dass diese Herausforderungen auf uns zurollen. Wir, die Opposition in diesem Land, haben früh zeitig gewarnt. Wir haben deutlich gemacht, dass es eben der falsche Weg ist, auf ein Ministerium von der Struktur des In tegrationsministeriums mit einer überforderten Ministerin an der Spitze zu vertrauen. Das ist zu wenig, meine Damen und Herren. Es ist auch zu wenig, zunächst einmal zu schweigen, Herr Ministerpräsident. Ich hoffe sehr, dass wir am heutigen Tag etwas von Ihnen hören.
Der Ministerpräsident ist gefordert, im Landtag von BadenWürttemberg Stellung zu nehmen und den Landtag nicht auf eine Zeit nach irgendwelchen Verhandlungen in Berlin zu ver trösten. Nicht nur die Opposition will von Ihnen Antworten, sondern auch der Koalitionspartner. Kollege Schmiedel wen det sich ja schon an die CDU, weil er von Ihnen nichts hört.
Es ist notwendig, dass der Ministerpräsident Stellung nimmt und nicht nur sagt: „Brandbriefe nutzen nichts.“ Sie sollten diese Brandbriefe ernst nehmen, Herr Ministerpräsident; denn sie sind ein deutliches Signal dafür, dass einiges schiefläuft. Wenn die untere Verwaltungsbehörde mit der oberen nicht zu frieden ist, sollte man nicht versuchen, ihr einen Maulkorb umzuhängen, sondern dann sollte man das ernst nehmen, was die Landräte, Oberbürgermeister und Bürgermeister in diesem Land Ihnen melden.
Es geht eben nicht, dass beispielsweise ein Oberbürgermeis ter wie der von Heidelberg aus der Presse erfährt, was in sei ner Stadt geplant ist, und dass ein Kabinettsmitglied das zu nächst noch bestreitet. Erst verplappert sie sich bei einer Ver anstaltung, dann bestreitet sie, dass irgendetwas geplant sei, und hinterher erklärt die Landesregierung, dass es doch so ist, und zwar in noch größerem Ausmaß als bisher bekannt. Das zerstört Vertrauen. So werden Sie dieses Problem nicht lösen, meine Damen und Herren.
Ich kann auch nicht – zumindest nicht in der Euphorie, wie es meine Vorredner zum Teil gesagt haben – ein uneingeschränk tes Lob an die Bundesregierung und ein uneingeschränktes Lob an die Kanzlerin aussprechen. Natürlich habe ich mensch lich Verständnis für ihre Entscheidung gegenüber den Men schen, die da in Ungarn unterwegs waren. Aber es war ein kla rer Bruch des Dublin-Abkommens.
Wir können nicht so tun, als wäre Europa ein rechtsfreier Raum, in dem Regierungschefs sozusagen freihändig ent scheiden, welche europäischen Regeln man einhält und wel che nicht. Man kann nicht an einem Tag sagen: „Ich breche das Dublin-Abkommen aus eigener Machtvollkommenheit und heile das dann wenige Tage später dadurch, dass ich auch das Schengen-Abkommen breche.“
Das ist passiert, meine Damen und Herren. Deshalb wundert es mich auch nicht, dass es schwierig wird, auf europäischer Ebene zum Konsens zu finden.