Protocol of the Session on September 23, 2015

Für die CDU-Fraktion erteile ich dem Herrn Fraktionsvorsitzenden Wolf das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, diese Aktuelle Debatte ist eine un gewöhnliche. Sie ist eine ungewöhnliche Debatte mit Blick auf die Gesamtsituation, in der wir uns befinden, mit Blick auf die große politische Herausforderung, der wir alle miteinan der in diesem Haus ausgesetzt sind, aber auch mit Blick dar auf, dass es eine gemeinsame Aktuelle Debatte der SPD und der CDU ist. Wohl wahr, kein alltäglicher Vorgang!

Aber außergewöhnliche Situationen erfordern auch außerge wöhnliche Antworten. Deshalb will ich zunächst dem Kolle gen Schmiedel, ohne es übertreiben zu wollen und ihm da durch noch mehr Probleme zu bereiten,

(Vereinzelt Heiterkeit)

ganz herzlich danken, dass er zunächst einmal – so, wie er es gerade selbst ausgedrückt hat – zu diesem ungewöhnlichen Schritt bereit war.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Nikolaos Sakel lariou SPD)

Lieber Herr Kollege Schmiedel, für Sie und für mich will ich beanspruchen: Es war kein politischer Gag, es war kein Schau spiel, es war und bleibt die ehrliche Absicht in dieser Situati on, in der es darum geht, nicht den falschen politischen Kräf ten in diesem Land Vorschub zu leisten, sondern ein besonde res und überparteiliches Signal zu setzen. Das war ein gutes Signal, verehrter Kollege Schmiedel.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der SPD)

Nun müssen wir uns überhaupt nicht vornehmen, aus der Tat sache, dass es eine gemeinsame Aktuelle Debatte ist, abzulei ten, dass wir jetzt politische Unterschiede einfach ausblenden. Ich glaube, das war nicht seine Absicht, und es ist auch nicht meine Absicht.

Wenn die Menschen in dieser Situation eines nicht wollen, dann ist das Schönfärberei. Sie wollen sich vielmehr ein Stück weit an dem orientieren, was Politik zum Ausdruck bringt,

und sich dort in ihren Fragen und Sorgen wiederfinden. Das mag uns in der politischen Bewertung unterscheiden.

Ich wünsche mir, dass sich niemand in diesem Hohen Haus – weder in den Reihen meiner Fraktion noch in den Reihen an derer Fraktionen – anmaßt, darüber zu befinden, ob einer dif ferenziert argumentiert, indem er Sorgen und Nöte der Men schen ernst nimmt, oder ob er damit – das würde man ihm dann unterstellen – das falsche politische Potenzial bedienen will. Das wollen wir bitte jedem Einzelnen in Wahrnehmung seiner Verantwortung überlassen. Auch das ist eine wichtige Botschaft in einer solchen parlamentarischen Debatte.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Wo sind wir denn hier?)

Im Landtag von Baden-Württemberg, liebe Kollegin Mie lich, in einer Aktuellen Debatte, die von SPD und CDU ge meinsam beantragt worden ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Herr Kollege Schmiedel, Sie haben den Begriff des Organi sationsversagens als einen von mir geprägten Begriff kriti siert. Diesen Begriff habe ich lediglich zitiert. Dieser Begriff des Organisationsversagens kommt von einem Oberbürger meister,

(Zuruf: Von einem Grünen!)

noch dazu von einem grünen Oberbürgermeister, nämlich aus Freiburg. Er hat diesen Begriff „Organisationsversagen“ ge prägt.

(Zuruf von den Grünen)

Hören Sie einfach ganz gelassen zu.

(Zuruf von den Grünen: Wir sind immer gelassen!)

Sie hören immer gelassen zu. Ich nehme das zur Kenntnis.

Jetzt will ich Ihnen ein paar Überschriften aus den Medien der vergangenen Tage vortragen. Der SWR titelte am 16. Septem ber:

Landrat warnt vor Gewalt in der LEA und fordert rasche Hilfe.

Das „Main-Echo“ schrieb am 17. September:

Landeserstaufnahme: Falsche Ankündigungen sorgen für Unmut und Ärger bei den Ehrenamtlichen.

Das „Schwäbische Tagblatt“ schrieb am gleichen Tag:

Kommunen greifen Grün-Rot scharf an: Zu spät infor miert.

Die „Stuttgarter Nachrichten“ titelten gestern:

Kretschmann vertröstet die Helfer.

Daraus kann man doch ableiten, dass aktuell in der Kommu nikation zwischen der Landesregierung und den Kommunen etwas schiefläuft, und zwar kräftig.

Herr Ministerpräsident, ich will in dieser Debatte einfordern, dass es angesichts der Dimension der Herausforderung, die jede Landesregierung, wenn sie im Moment am Werk wäre, auch in besonderer Weise fordern würde – was will ich gar nicht wegdiskutieren möchte –, der Landesregierung und Ih nen, Herr Ministerpräsident, gut zu Gesicht stünde, wenn Sie den Kommunen in dieser schwierigen Situation, in der wir die Kommunen brauchen, um die Unterbringungsfragen zu klä ren, ein besserer, ein fairerer Partner wären und wenn diese nicht immer erst aus der Zeitung erfahren würden, was die Landesregierung in Sachen Unterbringung mit ihnen plant. Das ist keine gute Form der Zusammenarbeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf von den Grünen)

Deswegen werden wir diese kritischen Fragen natürlich auch in Zukunft stellen. Das ist die Aufgabe der Opposition.

Ein Zweites: Herr Schmiedel, Sie haben sich kritisch mit ei nigen Äußerungen von mir auseinandergesetzt mit Blick da rauf, dass ich gesagt habe, dass es auch Asylbewerberinnen und Asylbewerber gibt, die den Wohlstand in Deutschland im Auge haben. Ich finde, das darf man in diesem Land sagen, und man muss es auch sagen dürfen.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe zu keinem Zeitpunkt alle über einen Kamm gescho ren. Ich argumentiere differenziert.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Lachen des Abg. Thomas Poreski GRÜNE)

Ich muss meine Reden auch nicht täglich umschreiben. Ich bleibe meiner Linie treu.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Daniel And reas Lede Abal GRÜNE)

Die große Herausforderung, vor der wir stehen, ist es, in ei ner differenzierten Weise auch zu trennen. Es gibt Menschen, die in ihrer Heimat ernsthaft politisch verfolgt werden und deshalb zu uns kommen. Ich nenne beispielhaft die Syrer. Es ist doch völlig klar und Ausdruck unseres Asylrechts, dass wir diesen Menschen hier Zuflucht, Sicherheit und eine noch schnellere Integration, als dies bislang der Fall war, ermögli chen müssen. Darüber brauchen wir nicht zu streiten.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Es gibt aber auch die andere Seite der Medaille, und diese muss man ebenfalls benennen.

(Zuruf von der CDU: Jawohl!)

Das heißt, dass mit diesen großen Flüchtlingsströmen auch Menschen zu uns kommen, die menschlich betrachtet Grün de haben mögen, warum sie ihre Heimat verlassen. Sie ma chen sich aber aus wirtschaftlichen Motiven auf den Weg zu uns, die ein Asylrecht nicht begründen.

Diesen Menschen müssen wir sagen, dass sie hier mit einem schnellen Verfahren – ich fordere ein schnelleres Verfahren als bisher – rechnen müssen und dass wir sie am Ende des Ver fahrens, wenn ihnen das Asylrecht nicht zuerkannt werden

kann, schnellstmöglich in ihre Heimat zurückführen müssen. Auch diese Seite der Medaille gehört zu einer stimmigen Asyl politik. Das ist eine differenziertere Argumentation, von der ich mich auch von Ihnen nicht werde abbringen lassen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU – Beifall bei Abge ordneten der FDP/DVP – Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Sie haben es nicht verstanden!)

Ich will mich dem Kollegen Schmiedel ausdrücklich anschlie ßen: Es gibt in unserem Land viele Menschen in den Flücht lingsorganisationen, in den Arbeitskreisen, aber auch in den Rettungsdiensten, bei der Feuerwehr, beim Technischen Hilfs werk, bei der Polizei usw., die jetzt mithelfen, damit wir die se Flüchtlingsströme bewältigen können, die Dienst tun, die oft über Nacht die Turnhallen herrichten, Betten aufbauen und Rahmenbedingungen schaffen, die eine Unterbringung in die ser Form ermöglichen.

Diese Menschen sind die wirklichen stillen Stars in dieser schwierigen Situation. Sie sind die Garanten dafür, dass die Stimmung in der Bevölkerung nicht kippt. Deshalb will ich mich den Worten des Kollegen Schmiedel anschließen. Ich will diesen Personen in Baden-Württemberg für ihr großes bürgerschaftliches Engagement von ganzem Herzen danken.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der SPD – Abg. Klaus Herrmann CDU: Kein Beifall bei den Grünen! – Abg. Nikolaus Tschenk GRÜNE: Das ist doch nur Heuchelei! – Un ruhe)