Das zeigt allein schon der Debattentitel „Abschaffung des In formatikunterrichts“. Ich kann Sie nur bitten, Herr Wolf: Über lassen Sie die zweite Runde den Fachleuten!
Sie haben gezeigt: Wenn jemand hier im Raum ein Problem beim Thema Informationsverarbeitung hat, ist es die CDUFraktion.
Zu Ihrem Debattentitel: Der Informatikunterricht kann gar nicht abgeschafft werden, da Sie ihn 2004 überhaupt nicht in den Bildungsplan eingeführt haben. Sie haben weder ein ei genes Fach etabliert noch übrigens separate Stunden hierfür in der Stundentafel ausgewiesen. Es war damals schon die
Idee, die Informationstechnische Grundbildung z. B. an Leit fächer wie Deutsch, Mathematik oder Fremdsprachen anzu koppeln. Schon damals übrigens hat auch der Informatikleh rerverband ein eigenständiges Fach gefordert. Sie haben es abgelehnt, Sie haben die IT-Inhalte in Teilen sogar noch zu rückgefahren. Man kann es kurz machen: Sie waren damals wie heute schon in Richtung gestern unterwegs.
Der neue Ansatz: Schauen wir uns einmal die Fakten an – Kol lege Wolf, zuhören, Sie können etwas lernen –: Erstmals wird Informatik durchgängig und verpflichtend in allen Klassen stufen und Fächern verankert, und zwar auf Grundlage der Leitperspektive Medienbildung und übrigens jetzt schon ab Klasse 1. Erstmals wird es in Klasse 5 einen Basiskurs Medi enbildung geben, und zwar in einem Umfang von 35 Stunden. Das machen wir, damit alle auf die gleiche Ausgangsbasis kommen können. Erstmals wird Informatik an den Gymnasi en zu einem vierstündigen Kernfach in der Kursstufe aufge wertet, und erstmals – Kollegin Boser hat es bereits ausge führt – wird es ab 2017 die Möglichkeit geben, das Abitur in Informatik abzulegen.
Wie man hier von einer Abschaffung des Informatikunterrichts reden kann, ist mir schleierhaft und zeugt entweder von un zureichender Kenntnis oder unzureichender Recherche, oder aber es geht ganz gezielt darum, Fakten zu ignorieren. Das Gegenteil ist der Fall: Das Kultusministerium ist zielgerich tet und gut unterwegs.
Wenn wir übrigens einmal eine fachliche Betrachtung anstre ben: Andere Bundesländer haben in der Tat den Weg gewählt, ein separates Schulfach für Informatik in Sekundarstufe I zu bilden. Aber nach Ergebnissen einer Umfrage aus dem Jahr 2011 gibt es Hinweise, dass der integrative Ansatz hier in Ba den-Württemberg mehr Schülerinnen und Schüler erreicht als ein separater Unterricht.
Übrigens: Wir haben Sie, die Opposition, nicht ohne Grund auch in den Beirat zum Bildungsplan eingeladen. Auch Sie können bestätigen, dass es dort an dieser Stelle keine kontro verse Diskussion gab. Aber manchmal – das kann ich Ihnen nur empfehlen – kann man ja einfach einen Praktiker anrufen. Genau das habe ich gemacht. Ich habe am Montag einmal mit einem mir gut bekannten Realschulrektor telefoniert – übri gens auch VBE-Funktionär – und habe ihn gefragt: „Sagen Sie mir doch einmal offen: Was verändert sich aus Ihrem Blickwinkel eigentlich im neuen Bildungsplan an dieser Stel le?“ Seine Antwort: Im Wesentlichen sei der jetzige Ansatz eine Fortentwicklung des Bildungsplans 2004. Allerdings er halte das Thema Informatik über die Leitperspektive Medien kompetenz noch einmal eine stärkere Gewichtung.
Der Kollege hat mich übrigens auch darauf hingewiesen, dass es bei Ihnen eben genau die gleiche Diskussion gab. Auch da mals hätten die Informatiklehrer ein eigenständiges Fach ge fordert. Übrigens: Auch damals hat man das nicht nur aus Res sourcengründen abgelehnt, sondern man hat es aus pädagogi schen Erwägungen abgelehnt, weil nämlich – wie der Kolle
ge sich ausdrückte – damals die Gefahr gesehen wurde – wie heute –, dass, wenn man Informatik sozusagen in ein eigen ständiges Fach outsourct, sich dann die anderen Lehrerinnen und Lehrer möglicherweise auch fächerbezogen zurückleh nen könnten. Dies sei aus seiner Sicht aber eher schädlich. Dies bedeutet nichts anderes, als dass der jetzt gewählte An satz der richtige ist und dass übrigens das Kultusministerium auch auf dem richtigen Weg ist, wenn wir hier gerade beson ders den Fokus auf die Fortbildung der Lehrkräfte legen.
Kollege Wolf, sehen Sie es mir nach: Während Sie sich mit, wie ich fand, schon ein bisschen merkwürdigen Geburtstags briefen an Winfried Kretschmann entschuldigt haben, konnte ich den Ministerpräsidenten ins Silicon Valley begleiten.
Man spürt auch in Sachen Digitalisierung – zuhören, zuhö ren! – bei einem Blick in die Zukunft, was immer stärker auf uns zukommt. Man nimmt als Bildungspolitiker den klaren Auftrag mit, in die Zukunft zu denken. Das Spannende ist aber: Ich habe die Gelegenheit auch nutzen können, um Rand gespräche mit Wissenschaftlern zu führen. Raten Sie einmal, was insbesondere von den Informatikern als Empfehlung kam, auch mit Blick auf die Bildungspolitik: Richten Sie kein ei genständiges Fach ein.
Sie kommen ja auch nicht auf die Idee, in Klasse 7 Lesen und Schreiben separat zu unterrichten. Der Umgang mit Medien, von der kritischen Anwendung über die User-Kompetenz bis möglicherweise zum problemorientierten Programmieren, sollte nach deren Empfehlung Bestandteil aller Fächer wer den, ob es jetzt darum geht, in Mathematik Grafiken darzule gen, in Erdkunde Recherchen über Klimazonen vorzunehmen, in Deutsch Schaubilder zu analysieren und Hintergründe zu erarbeiten oder in Chemie ein Programm zur Bestimmung von Halbwertszeiten zu erstellen und, und, und. Wenn wir das Ganze noch an konkrete Handlungsanforderungen andocken, dann sind wir bei Lernformen, die nach den Forschungsergeb nissen bei Schülerinnen und Schülern zu einem besonders gu ten Lernfortschritt führen.
Ich gebe Ihnen einmal ein Beispiel aus meiner Praxis. Das Fach Wirtschaft wird ja jetzt auch noch breiter an den allge meinbildenden Schulen verankert. Nehmen Sie doch das Bei spiel Handyvertrag, ein Problem unmittelbar aus der Alltags welt der Schüler. Lassen Sie die Schüler dort doch einmal ein Programm erstellen, mit dem wirklich die gesamten Kosten über die gesamte Laufzeit eines solchen Handyvertrags dar gelegt werden. Dadurch werden anhand eines konkreten Pro blems informationstechnische Kompetenzen vermittelt; es wird eine konkrete Analyse mit Programmen und am Ende noch einmal eine verständliche Darstellung mit Grafiken vor genommen. Das ist ein Ansatz, der sich gerade in der berufli chen Bildung seit über zehn Jahren schon wirklich sehr gut bewährt hat. Das fällt unter das Stichwort Lernfelddidaktik.
Apropos Handys: Ich komme noch einmal auf den erwähnten Realschulrektor zurück. Der hat auch gesagt, an seiner Schu
le würden z. B. auch Ressourcen gebündelt, um einen dreitä gigen Kurs zum Thema „Handy und Mobbing, Datenschutz und Persönlichkeitsschutz“ durchzuführen. Das wird deswe gen gemacht, weil – wie er sich ausdrückte – die Naivität im Umgang mit den neuen Medien mit dem Angebot wächst. Die Schule setzt meines Erachtens also hier schon eine Intention der neuen Leitperspektive um. Übrigens hat er sich bei mir ausdrücklich dafür bedankt, dass durch die neue erhöhte Stun denzuteilung an den Realschulen auch in Zukunft genau sol che Kurse ermöglicht werden. Der Einsatz wird unterstützt durch immer mehr Whiteboards an der Schule. Das wird die Regel. An meiner Schule übrigens läuft der Schulversuch „Unterrichtseinsatz von Tablets“.
Fazit: Wir, das Land, sind zusammen mit den Schulträgern am Thema Informatik und vielem mehr dran. Wir dürfen uns nicht ausruhen,
aber wir brauchen auch nicht künstlich zu skandalisieren. Wir stärken die Informatik im Interesse der Wirtschaft unseres Landes, im Interesse guter Arbeit, vor allem aber im Interesse der Schülerinnen und Schüler, die damit eine zentrale Schlüs selkompetenz für ihr Leben vermittelt bekommen. Wir sind auf einem guten Weg.
Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Die CDU-Fraktion hat die heu tige Debatte „Bildungspolitik ohne Plan – die Abschaffung des Informatikunterrichts“ genannt. Der Debattentitel scheint Ihnen nicht zu gefallen.
Man kann über das eine oder andere diskutieren, Herr Kol lege Fulst-Blei. – Abschaffung des Informatikunterrichts: Fak tum ist – das haben Sie ausgeführt –: Sie wollen ein eigen ständiges Schulfach Informatik nicht. Das passt zu der Be trachtungsweise des ganzen Themenfelds durch diese Regie rungskoalition. Den grafikfähigen Taschenrechner haben Sie verboten, es gibt ein Facebook-Verbot, und der Umgang mit der Bildungscloud spricht Bände. Da passt es ganz gut, dass Sie ein eigenständiges Fach Informatik nicht wollen, weil die se Landesregierung und diese Regierungskoalition nämlich Probleme mit der Technik und Probleme mit den modernen Medien haben.
(Heiterkeit bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Irgendwie muss er auf sich aufmerksam machen!)
Vielen Dank, Herr Kol lege. – Es hat sich mir aus Ihren Wortbeiträgen nicht erschlos sen, worin für Sie der Unterschied besteht, kein eigenständi ges Fach einzuführen oder ein Fach abzuschaffen. Ist Ihrer Ansicht nach der Titel dieser Aktuellen Debatte richtig? Wird ein Fach abgeschafft, oder soll ein Fach abgeschafft werden? Sie sind doch, denke ich einmal, ein vernunftbegabter Mensch. Das müssen Sie mir einmal erklären.
Ich war immer noch dabei, über den Debattentitel zu reden, und will gern diese Ausführungen fortsetzen. Ich gebe Ihnen ja bis zu einem bestimmten Punkt recht, Herr Kollege Leh mann.
Ich teile den ersten Teil des Debattentitels „Bildungspolitik ohne Plan“ nicht. Denn diese Regierungskoalition hat einen Plan: Das ist die Schwächung des Gymnasiums zur flächen deckenden Durchsetzung der Gemeinschaftsschule. Das ist Teil Ihrer Politik, meine Damen und Herren.