Protocol of the Session on May 6, 2015

(Zuruf von der CDU: Genau!)

Ich denke, wenn andere Parteien, Parteien mit anderen Far ben etwas Gutes machen, sollten wir das insgesamt parteiüber greifend anerkennen und loben können.

Aber nun zu der scharfen Kritik, die zum Teil vorgetragen worden ist. Ich möchte einmal mit der Windenergie anfangen. Sie haben das ja schon öfter hier wiederholt, Herr Glück. Zum einen jammern Sie, dass viel zu wenig Windräder aufgestellt werden, dass es viel zu langsam vorangeht. Zum anderen be kämpfen Sie die Windkraftanlagen überall vor Ort. Ich glau be, das ist eine Position, die weder intellektuell redlich ist noch überzeugend bei den Leuten ankommt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Bravo-Rufe von der SPD)

Ich denke auch, dass es nicht angehen kann, einerseits mit Ernst Pfister und Walter Döring für die Windkraft zu sein und andererseits mit den Kollegen Glück und Rülke die Windkraft zu bekämpfen. Ich hoffe, dass die Wählerinnen und Wähler das auch nicht akzeptieren werden. Das ist einfach unglaub würdig, um nicht zu sagen scheinheilig.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Zu dem anderen Thema. Sie haben sicherlich recht: Es ist ein gewisses Trauerspiel gewesen, dass es lange Zeit keine Eini gung bei der steuerlichen Förderung der Gebäudesanierung gab. Da verstehe ich die Kritik. Ich möchte aber schon sagen, dass sich die baden-württembergischen Landesregierung – beispielsweise Europaminister Friedrich, Umweltminister Un tersteller – stark für Kompromisse eingesetzt hat und dass es jetzt, nachdem man endlich einen Kompromiss für diese wich tige Sache hatte, von der CSU und von Herrn Seehofer wie der bekämpft worden ist und der Kompromiss leider nicht mehr vorhanden ist. Das ist wirklich ein Trauerspiel für die Gebäudesanierung, die unheimlich wichtig ist. Ich glaube, da sind wir uns hier im Land fast alle einig.

Zum Schluss vielleicht noch eine ganz kleine Sache: Bei der Energiewende, bei der Energieeffizienz, beim Energiesparen kann sich auch jeder an die eigene Nase fassen, denke ich. Ich mache Ihnen einmal einen ganz kleinen Vorschlag. Jeder hat in seinem Abgeordnetenbüro einen Warmwasserboiler. Am besten ist es, sie schalten ihn aus, zumindest für die Zeit, in der Sie nicht im Büro sind. Das ist effektiv, spart Energie und ist effizient.

Abschließen möchte ich meinen Redebeitrag damit, zu beto nen, dass es wichtig ist, dass wir parteiübergreifend, frakti onsübergreifend dafür kämpfen, dass wir unseren Kindern und Enkelkindern keine zu großen Schuldenberge hinterlassen,

(Abg. Winfried Mack CDU: Ja, ja! Da müssten wir die Regierung wechseln!)

weder in Euro noch in Kohlendioxid. Dabei ist die Energie effizienz – so auch der Titel unserer heutigen Debatte – eine ganz zentrale Sache.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich dem Kollegen Glück das Wort.

Herr Minister, Sie sagten gerade, bei der steuerlichen Abschreibung der energetischen Gebäudesanierung hätte es keiner Gegenfinanzierung bedurft. Da gebe ich Ihnen absolut recht. Denn Investitionen zwischen 7 Milliarden und 9 Milliarden € hätten allein über die Umsatz steuer so viel für den Fiskus eingespielt, dass man eine ande re Gegenfinanzierung nicht gebraucht hätte. Deswegen stelle ich die Frage: Warum konnten Sie sich denn mit dieser For derung, dass eben keine Gegenfinanzierung erhoben wird, nicht durchsetzen?

(Minister Franz Untersteller: Weil es 15 andere Bun desländer gibt!)

So wäre beispielsweise auch die Blockade auf bayerischer Sei te ausgeblieben. Warum haben Sie es denn einfach nicht ge macht?

Zum nächsten Punkt: Herr Gruber, Sie fragten gerade, wie un sere Position beim Thema Windkraftanlagen ist. Ich glaube, ich muss das hier noch einmal eindeutig sagen – ich formu liere es einmal so –: Nicht einmal eine grün geführte Landes regierung bekommt es hin, dass ein Ausbau von Windkraft anlagen in Baden-Württemberg gelingt, weil wir hier ganz of fensichtlich die nötigen äußeren Rahmenbedingungen nicht vorfinden.

(Zuruf des Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE)

Damit meine ich als Allererstes den Wind, der hier fehlt. Aus diesem Grund ist die Position meiner Fraktion, dass zukünf tig keine Umlagen, keine Zuschüsse in den Bereich Wind kraftnutzung in Baden-Württemberg fließen sollen, sondern dass wir das Geld besser dort einsetzen, wo es sinnvoll ist, und das ist bei der Energieeffizienz, meine sehr geehrten Da men und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Paul Nemeth CDU)

Herr Minister Untersteller, ein klein wenig komme ich da schon durcheinander, wenn ich mir die Zahlen ansehe. Nicht nur Sie haben die Zahlen, auch wir haben die Zahlen. Betrach te wir einmal die KfW-Mittel im Jahr 2014. Sie sagen dazu, nach Baden-Württemberg sei mehr geflossen als nach Bayern und nach Nordrhein-Westfalen zusammen. Es ist richtig, Ba den-Württemberg ist mit 735 Millionen € Spitzenreiter, aber nach Bayern sind 584 Millionen € geflossen und nach NRW sogar 677 Millionen €.

(Abg. Paul Nemeth CDU: Hört, hört! Dann sind das ja falsche Zahlen!)

Und da wollen Sie tatsächlich sagen, dass Bayern und NRW zusammen nicht mehr bekommen haben als Baden-Württem berg? Da stimmt doch irgendetwas nicht.

(Minister Franz Untersteller: Ich habe gesagt: Alle Programme zusammengenommen! – Abg. Edith Sitz mann GRÜNE: Alle Programme zusammen, Herr Kollege!)

Dann noch einmal solch eine Milchmädchenrechnung: Herr Minister Untersteller, Sie sagen, weil Sie die 2,5 Millionen € in die Hand nähmen, lösten Sie Investitionen in Höhe von über 2,1 Milliarden € aus. Meine sehr geehrten Damen und Her ren, wenn das nicht eine tolle Anlage wäre! Aber Sie verken nen dabei, Herr Minister, dass das nicht auf Ihre 2,5 Millio nen € zurückzuführen ist, die Sie pro Jahr einsetzen, sondern auf den Anteil der Eigenheime, die es hier in Baden-Württem berg gibt – es gibt hier sehr viele Eigenheime –, dass es der Tatsache geschuldet ist, dass im Osten eben nicht mehr so viel saniert werden muss, weil dort schon viel saniert wurde, dass die kleinen und mittleren Unternehmen in Baden-Württem berg sehr stark und auch investitionsfreudig sind. Es hängt auch noch mit einem anderen Punkt zusammen – den haben wir noch gar nicht angesprochen –, nämlich mit dem Hei zungsaustausch. Nach einer Studie des Schornsteinfegerver bands kostet der Heizungsaustausch in Baden-Württemberg 20 000 € und in Bayern 9 000 €. Dann ist doch klar, dass bei höheren Kosten natürlich auch mehr Fördermittel nach Ba den-Württemberg fließen. Sie haben eben diese hohen Kos ten durch das EWärmeG mit verursacht, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Die novellierte Fas sung ist noch gar nicht in Kraft!)

Noch einmal: Die Sanierungsquote in Baden-Württemberg ist nicht schlecht, aber sie ist nicht wegen Ihrer Politik nicht schlecht, sondern trotz Ihrer Politik.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, es lie gen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aktuel le Debatte beendet und Tagesordnungspunkt 1 erledigt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nachdem das Hohe Haus nahezu vollzählig versammelt ist, möchte ich zwischen den Tagesordnungspunkten eines Mitarbeiters der Landtagsver waltung gedenken. Herr Ralf Streckfuß ist am 29. April im Alter von 50 Jahren verstorben. Er war 27 Jahre lang als tech nischer Mitarbeiter in diesem Haus tätig und damit auch ver antwortlich für den reibungslosen Ablauf unserer Sitzungen.

Ich bitte Sie, sich zu seinem Gedenken von Ihren Plätzen zu erheben.

(Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.)

Ich danke Ihnen.

(Die Anwesenden nehmen ihre Plätze wieder ein.)

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Die Befreiung am 8. Mai 1945 als eu ropäische Geburtsstunde – Erinnerung, Verpflichtung, Aufgaben – beantragt von der Fraktion der SPD

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuel le Debatte eine Gesamtredezeit von 40 Minuten festgelegt. Darauf wird, wie üblich, die Redezeit der Regierung nicht an gerechnet. Für die einleitenden Erklärungen der Fraktionen und für die Rednerinnen und Redner in der zweiten Runde gilt jeweils eine Redezeit von fünf Minuten. Ich darf die Mitglie der der Landesregierung bitten, sich ebenfalls an den vorge gebenen Redezeitrahmen zu halten.

Das Wort für die SPD-Fraktion erhält die Kollegin HallerHaid.

Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Übermorgen jährt sich der Tag, an dem Deutschland kapitulierte, zum 70. Mal. Überall in der Welt wird dieser Tag, der 8. Mai, als das Ende des Zweiten Welt kriegs und vor allem als Tag der Befreiung gefeiert. Der 8. Mai ist deshalb Gedenktag, weil er wie kein anderes Da tum das Ende des menschenverachtenden und völkermorden den Naziregimes markiert.

Wie kein anderes Regime brachten die Nazis Unheil über die Welt und offenbarten eine Seite des Menschen, die zuvor nie mand für möglich hielt: eine systematische Vernichtung gan zer Bevölkerungsgruppen wie die der Juden oder die der Sin ti und Roma. Insgesamt 60 Millionen Menschen wurden Op fer dieses Regimes – gefallen, im KZ ermordet, auf der Flucht gestorben oder im Lager verhungert.

In diesen Tagen gedenken wir dieser Toten, und in diesem Haus sei es erlaubt, auch ganz besonders an diejenigen zu er innern, die wegen ihrer politischen Überzeugung und ihres Einsatzes für Freiheit und Demokratie inhaftiert und ermor det wurden oder an den Spätfolgen der Haft verstarben, dar unter auch Abgeordnete des Badischen und des Württember gischen Landtags: Hermann Böning, Fritz Elsas, Johannes Fi scher, Karl Großhans, Josef Heid, Julius Helmstädter, Leo Kullmann, Guido Leser, Paul Rehbach, Karl Ruggaber, Karl Schneck, Laura Schradin, Kurt Schumacher, Jakob Weimer und Eugen Bolz.

Diesen Menschen, die sich trotz des Naziterrors nicht gleich schalten ließen, die sich dem Regime verweigert haben und unter Gefahr für das eigene Leben widerstanden, fühlen wir uns heute verpflichtet.

Unter diesen Menschen waren Abgeordnete, es waren darun ter Menschen aller Schichten der Bevölkerung, Menschen al ler politischen Richtungen, darunter besonders viele Sozial demokraten und Kommunisten, Menschen wie Georg Elser, die eine unglaubliche Zivilcourage aufbrachten und unter Ein satz ihres Lebens für eine humane Gesellschaft eingetreten sind.

Diese humane Gesinnung, die ihr Handeln bestimmt hat, war die Grundlage dafür, dass der 8. Mai, der Tag der Kapitulati on, die Chance eines Neubeginns und eines demokratischen Aufbruchs in sich trug.

Doch am 8. Mai 1945 konnten das viele Menschen noch nicht so sehen. Nach Kriegsende herrschte erst recht Not und Ver zweiflung, und dieser Tag brachte vor allem eines ans Licht: die Wahrheit – die Wahrheit über ein Regime, das die Zustim mung vieler Deutscher gefunden hat und an dessen Verbre chen nicht wenige mitgewirkt haben.

Deshalb setzte am 8. Mai vor allem eines ein: die große Ver drängung. Deshalb hat es auch lange gedauert, bis der 8. Mai auch bei uns als der Tag der Befreiung bezeichnet werden konnte.

Dass dies heute möglich ist, ist ohne Zweifel das Verdienst von Richard von Weizsäcker, der in seiner aufrüttelnden Re de zu 40 Jahren Kriegsende den 8. Mai als einen Tag der Er innerung an das bezeichnete, was Menschen erleiden muss ten. Er markiere das Ende eines Irrwegs deutscher Geschich te, und man dürfe den 8. Mai 1945 nicht vom 30. Januar 1933 trennen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, am 30. Januar 1933 gab es nur wenig Widerstand. Nur in einer einzigen Kommune wur de zum Generalstreik gegen die Machtergreifung Hitlers auf gerufen. Diese Gemeinde liegt in Baden-Württemberg, in mei nem Wahlkreis: das damalige Arbeiterdorf Mössingen am Fuß der Schwäbischen Alb.

Die sogenannten Rädelsführer des Mössinger Generalstreiks haben dafür bitter bezahlt. Auch nach dem Krieg wurden sie ausgegrenzt, und über den Generalstreik wurde geschwiegen. Bis heute gibt es in Mössingen und in meinem Wahlkreis Aus einandersetzungen darüber, wie dieser Streik und seine Teil nehmer einzuschätzen sind. „Vaterlandslose Gesellen“ – sol che Begriffe waren lange Zeit zu hören und zeugen von allem anderen als von Stolz auf jene, die bereit waren, Widerstand zu leisten.

Solche Konflikte sind für das Nachkriegsdeutschland symp tomatisch und zeigen, wozu die Verdrängung der Vergangen heit führt. Was verdrängt wird, führt zu neuen Konflikten im Hier und Jetzt. Um es mit Richard von Weizsäcker auszudrü cken: