Protocol of the Session on April 16, 2015

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Wo ist der Minister? – Gegenruf des Abg. Martin Rivoir SPD: Kommt gleich! – Zuruf von der SPD: Er hört zu!)

Sehr geehrter Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Bei einer guten Übertragungs technik wird sicher auch Kultusminister Stoch im Haus diese Rede mitverfolgen können.

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Meine Damen und Herren, die Realschulen haben bekannter maßen ein sehr hohes Ansehen bei den Eltern und der Wirt schaft. Erfreulich ist, dass Minister Stoch in der Stellungnah me zu unserem Antrag dies auch bestätigt hat. Er sprach von einem großen Vertrauen seitens der Eltern gegenüber der Re alschule. Das hat uns durchaus gefreut.

In die gleiche Richtung geht das Ergebnis einer aktuellen for sa-Umfrage im Auftrag der Realschullehrerverbände in Bay ern und Baden-Württemberg, die am 13. April veröffentlicht wurde. Aus dieser forsa-Umfrage ging hervor, dass 89 % der befragten Bürgerinnen und Bürger die Schulbildung an Real schulen für außerordentlich wichtig halten. Dabei haben die se Befragten gleichzeitig die besondere Rolle der Realschu len für die Fachkräftesicherung betont.

Hierzu würde ich gern den Herrn Minister fragen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Wenn er da wäre!)

Er hatte im letzten Jahr die Umfrage von Infratest dimap, die damals von der CDU-Fraktion in Auftrag gegeben wurde, dif famiert. Er hat die Umfragewerte als unseriös bezeichnet. Des wegen würde mich schon interessieren, ob er sich gegenüber dieser aktuellen Umfrage genauso verhält. Ist denn diese Um frage für den Minister auch wieder unseriös, weil die Real schulen hervorragende Ansehenswerte bei der Bevölkerung haben?

Meine Damen und Herren, die Realschulen stehen vor gewal tigen Herausforderungen. Insbesondere die Schüler sind be troffen. Wir wissen, dass die überhastete Abschaffung der ver bindlichen Grundschulempfehlung zu diesen großen Proble men geführt hat. Die Landesregierung hat sehr lange nicht re agiert. Sie hat dieses Thema sogar kleingeredet. Erst die Pro teste und auch die Realschulkampagne seitens der CDU-Frak tion haben letztlich dazu geführt, dass zumindest eine Maß nahme ergriffen wurde; diese ist ja bekannt. Selbst die 1 300 zusätzlichen Unterrichtsdeputate, die die frühere Landesre gierung, Frau Boser, den Realschulen hat zukommen lassen, haben nicht dazu führen können, dass die Realschule dieses Problem der zunehmenden Heterogenität in den Eingangs klassen hätte bewältigen können.

Kultusminister Stoch hat im vergangenen Jahr ein Konzept vorgelegt, das wir anfänglich sogar begrüßt haben, weil wir es als einen ersten Schritt gewertet haben. Aber wir waren dann sehr rasch enttäuscht, weil damit verfolgt wird, die Re alschulen zu Gemeinschaftsschulen zu machen, sozusagen ei ne „Gemeinschaftsschule light“ zu schaffen. Eine echte Stär kung der Realschule ist mit diesem Konzept nicht verbunden. Es gibt zu wenig Differenzierungsangebote. Ursprünglich wa ren 500 Deputate vorgesehen. Jetzt sind im Landeshaushalt nur etwas über 300 Deputate zu finden, und diese auch über drei Jahre gestreckt. Sozusagen in kleinen Häppchen gibt man den Realschulen diese Ressourcen.

Es gibt eine große Protestwelle. Deswegen würde ich schon gern den Minister fragen, wie er denn jetzt darauf reagiert, dass Schulleiter aus dem Schulamtsbezirk Lörrach einen ge meinsamen Brief an den Minister geschrieben haben, in dem sie ihren Unmut über diese Reform zum Ausdruck gebracht haben,

(Minister Andreas Stoch betritt den Saal. – Abg. Claus Paal CDU: Guten Morgen, Herr Minister! Sit zengeblieben!)

und gleichzeitig 17 Schulleiter aus dem Schulamtsbezirk Frei burg den Minister angeschrieben und ihren Unmut zum Aus

druck gebracht haben. Sämtliche Elternbeiratsvorsitzenden des Schulamtsbezirks Nürtingen haben dem Minister in einem gemeinsamen Schreiben ihren Unmut über diese Reform zum Ausdruck gebracht, gleichzeitig auch Elternbeiratsvorsitzen de aus dem Landkreis Calw.

Die Forderungen aus diesen Schreiben sind vielfältig, enthal ten aber auch gleichzeitig eindeutig die Forderung nach mehr Differenzierungsstunden ab Jahrgangsstufe 7, vor allem für die leistungsschwächeren Schülerinnen und Schüler, die den Hauptschulabschluss anstreben. Aus einem Schreiben geht auch ganz klar die Bewertung hervor: „Ein Hauptschulab schluss ist nicht durch eine abgebrochene Realschulkarriere zu erreichen.“ Diese Aussage belegt: Gerade diese Schülerin nen und Schüler brauchen spätestens ab Jahrgangsstufe 7 ei ne klare Differenzierung. Die wenigen Poolstunden reichen nicht aus, um diese jungen Menschen wirklich auch profilbil dend auf den jeweiligen Abschluss vorzubereiten.

Es gibt weitere Forderungen. Vor allem die Gleichbehandlung der Realschule mit den anderen Schularten wird in aller Deut lichkeit angesprochen, Bezug nehmend auf die Ungleichbe handlung bei den Poolstunden, auf die Ungleichbehandlung bei der Ausgestaltung der Kontingentstundentafel, auf den Klassenteiler, aber auch auf die Ungleichbehandlung bei den Sachkostenbeiträgen.

Meine Damen und Herren, deswegen möchte ich hier zum Schluss ein Zitat bringen aus dem Schreiben – aus einem von sehr vielen Schreiben an den Minister – des Fördervereins „Realschule Baden-Württemberg – So real ist Schule“ e. V. – ich zitiere –:

Bei dieser Umsetzung muss auch beachtet werden, dass Bildungsgerechtigkeit erst dann erreicht ist, wenn Schü lerinnen und Schüler an Realschulen hinsichtlich des Um fangs an Deputatstunden für Unterricht, Differenzierung und individuelle Förderung die gleichen Voraussetzun gen vorfinden wie Schülerinnen und Schüler, die den mitt leren Bildungsabschluss an einer anderen Schulart errei chen möchten.

Das ist das klare Empfinden an den Realschulen. Ihnen steht das Wasser bis zum Hals.

Deswegen zum Schluss der ersten Runde: Herr Minister, Sie haben in einem Antwortschreiben vom 13. Februar 2015 an diejenigen, die Ihnen den Brief geschrieben haben, Folgendes geschrieben: Sie halten einen konstruktiven Dialog mit allen Beteiligten für sehr wichtig.

Herr Minister, ich frage: Wie sieht Ihr Dialog aus, bezogen auf die Problemlagen, die ich hier skizziert habe? Ist eine Än derung, eine Verbesserung in Sicht? Das sind die Fragen, die ich Ihnen heute stellen möchte.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich das Wort Frau Abg. Boser.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben im vergangenen Jahr gemeinsam mit der SPD eine Anhörung zum Thema Re alschulen hier im Plenarsaal abgehalten. Es war klar, dass die Realschulen ein neues Konzept für ihre Heterogenität fordern und dass die Realschulen zukünftig auch den Hauptschulab schluss bieten wollen.

Im Nachgang wurde dann von Kultusministerium und Rekto renvereinigung der Realschulen gemeinsam das jetzt vorlie gende Konzept erarbeitet. Die GEW ist diesem Konzept auch beigetreten. Das heißt, ein Großteil der Lehrerschaft an den Realschulen war in den Prozess derer mit eingebunden, die dieses Konzept am Ende erarbeitet haben. Ein Großteil der Realschulen befürwortet dieses Konzept ausdrücklich, denn damit wird man an den Realschulen genau dem gerecht, was gefordert wurde: Es kann am Ende der Realschulabschluss und der Hauptschulabschluss abgelegt werden. Die Möglich keiten zur Differenzierung sind vorhanden, und diese Mög lichkeiten zur Differenzierung wurden auch genau so mit den Realschulen verabredet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bei dem, was von der CDU in diesem Zusammenhang immer wieder vorge bracht wird, die Zunahme der Heterogenität an den Realschu len, muss man nach wie vor – manchmal kommt man sich so vor wie „Täglich grüßt das Murmeltier“ – darauf hinweisen: Die Realschulen waren schon immer die Schulart mit der größten Heterogenität.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Aber so nicht!)

Frau Gurr-Hirsch, wenn Sie sagen „Nicht so“, dann stimme ich Ihnen zu. Nur: Warum haben Sie dann zu Ihrer Regie rungszeit Gymnasien sowie Haupt- und Werkrealschulen mit Poolstunden – so sage ich jetzt einmal – überschüttet und den Realschulen keine einzige Poolstunde zur Verfügung gestellt?

(Abg. Georg Wacker CDU: Es waren 1 300 Deputa te!)

Denn damals gab es an den Gymnasien sowie an den Haupt- und Werkrealschulen nicht die Heterogenität, wie wir sie an den Realschulen hatten. Die Realschulen waren damals die einzige Schulart, die kontinuierlich und regelmäßig Schüle rinnen und Schüler von allen anderen Schularten hatte, 5 % bis 7 % Haupt- und Werkrealschüler, dann die Realschüler und 20 % Gymnasiasten. Dass Sie dann immer mit der Ab senkung des Klassenteilers kommen, rechne ich Ihnen ja an. Aber wenn Sie sagen, Sie haben den Realschulen 1 500 De putate zur Verfügung gestellt

(Abg. Georg Wacker CDU: Das waren 1 300 zusätz lich!)

1 300; danke, Herr Wacker, für die Korrektur –, 1 300 De putate für die Realschulen, lassen Sie damit natürlich außen vor, dass diese den anderen Schularten ebenso zur Verfügung standen und dass den anderen Schularten die Poolstunden eben auch zur Verfügung standen. Für uns war von Anfang an klar: Wir wollen die Realschulen unterstützen. Für uns war von Anfang an auch klar, dass die Gemeinschaftsschule eine Antwort auf die Heterogenität an den Realschulen ist, weil na türlich die Gemeinschaftsschule alle Leistungsniveaus abbil

det und wir damit auch eine Möglichkeit für die Realschulen zur Verfügung gestellt haben.

Wir anerkennen, dass die Realschulen jetzt die Gemein schaftsschulen nicht in dieser Form nachfragen, wie wir es am Anfang gedacht haben. Daher war es die richtige Entschei dung, den Realschulen jetzt noch ein Konzept zur Verfügung zu stellen. Wir unterstützen dieses Konzept. Die Rückmeldun gen zu diesem Konzept sind überwiegend positiv. Man muss dann in den Einzelfällen schauen, was kritisiert wird.

Ich möchte an dieser Stelle noch ein Zitat bringen, wenn ich es auf die Schnelle finde:

Schülerinnen und Schüler sollen künftig an der Realschu le neben der mittleren Reife auf einem teildifferenzierten Bildungsgang auch auf einen Hauptschulabschluss vor bereitet werden,...

Der Gesetzentwurf enthält mit der gemeinsamen Orien tierungsphase in den Klassen 5 und 6 eine... wesentliche Neuerung für die Realschule,...

Dieses Zitat stammt aus Ihrem CDU-Bildungspapier. Ich se he nach wie vor nicht, worin die große Diskrepanz zwischen unserem Papier und dem der CDU besteht. Sie haben sich an scheinend von Ihrer Bildungspolitik wieder verabschiedet. Das Papier ist gerade einmal anderthalb Jahre alt.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Blattschuss!)

Heute sprechen Sie nicht mehr davon. Das muss draußen schon etwas verwundern, wenn Sie zum einen ein Konzept auflegen, es auf der anderen Seite aber sofort widerlegen. Herr Wacker, wo steht denn die CDU an dieser Stelle?

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Wacker, anerkennen wir die Ar beit an allen Schulen in Baden-Württemberg. Wir unterstüt zen alle Schulen. Wir haben allen Schularten in dieser Legis laturperiode zusätzliche Stunden zur Verfügung gestellt. Wir haben die Haupt- und Werkrealschulen gestärkt. Wir haben die Realschulen mit zusätzlichen Stunden mit der AC-Kom petenzanalyse gestärkt. Wir haben den Gymnasien zusätzli che Stunden zur Verfügung gestellt.

Es wäre an dieser Stelle angebracht, wenn Sie nur ein einzi ges Mal in irgendeiner Form auch das Ansehen der Gemein schaftsschulen würdigen würden. Denn wenn Sie einmal die Anmeldezahlen in diesem Jahr für die Gemeinschaftsschulen anschauen, dann werden Sie sehen, dass das Ansehen der Ge meinschaftsschulen im Land stark gewachsen ist, auch im Ver gleich zu den Realschulen. Es tut mir nach wie vor leid, dass die CDU hier keinen Respekt zeigt und keinen Respekt zollt. Es wäre angebracht, dass Sie sich da auch einmal ein bisschen öffnen würden.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Ich möchte zusammenfassen: Wir haben ein Konzept für die Realschulen. Wir sind auch bei den sechs Poolstunden nicht am Ende. Wie Sie wissen, werden im nächsten Jahr

nochmals zwei hinzukommen. Sechs plus zwei sind acht Pool stunden. Wir werden dann auch für die weiteren Klassenstu fen noch einmal jeweils eine zur Verfügung stellen, sodass wir am Ende bei zehn Poolstunden angelangt sind und damit den Realschulen die Unterstützung bieten, die Sie ihnen immer versagt haben. Wie gesagt, es wäre schön, wenn Sie alle Schu len in Baden-Württemberg anerkennen würden und darin ir gendwann einmal auch die Gemeinschaftsschulen einschlie ßen würden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Käppeler das Wort.