Protocol of the Session on March 11, 2015

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregie rung erteile ich Herrn Kultusminister Stoch das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wesentliche Inhal te!)

Eltern fordern zu Recht, dass ihre Kinder an den Schulen in unserem Land nach modernsten pädagogischen Erkenntnis sen und Methoden unterrichtet werden. Dazu zählt auch, dass sie kritisch hinschauen, einen möglichen pädagogischen Mehr wert kritisch hinterfragen und wissen möchten, woran sich dieser bemisst. Das ist das legitime Interesse der Eltern, aber vor allem auch der Schülerinnen und Schüler.

Deswegen ist es unser Anspruch, dass jede bildungspolitische Innovation auch durch bildungswissenschaftliche Befunde und Erkenntnisse untermauert ist. Wir werten sowohl den na tionalen als auch den internationalen Diskurs zu diesen Fra gen intensiv aus und lassen diese Erkenntnisse ständig in un sere Politik einfließen. Wir wissen, wie man rechnet und wie man mit Zahlen umgeht.

Dies kann man in Bezug auf die Gemeinschaftsschule von der Opposition leider nicht behaupten. Seit Wochen geistern bei spielsweise – auch Teil der Kampagne der CDU – absurde Zahlen zu den angeblich besonders hohen Kosten eines Ge meinschaftsschülers durch das Land, die von Herrn Wacker, Ihrem bildungspolitischen Sprecher, in die Welt gesetzt wer den. Allein diese Rechnung ist schon ein Beweis dafür, dass das bisherige Schulsystem an seine Grenzen gerät, meine sehr geehrten Damen und Herren. – Dies sei aber nur am Rande erwähnt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Im bildungswissenschaftlichen Diskurs haben momentan – ich glaube, schon seit einiger Zeit – die Ergebnisse der empi rischen Bildungsforschung hohe Relevanz. Seit der empiri schen Wende werden in der Bildungsforschung immer umfas sender Daten und Zahlen gesammelt und erhoben, miteinan der verglichen und in Beziehung gesetzt. Diese Entwicklung hat durch den PISA-Schock im Jahr 2000 noch einmal erheb lich an Dynamik gewonnen.

Zwei Aspekte stehen dabei immer wieder im Mittelpunkt des Interesses. Dies ist zum einen die Frage nach der Bildungsge rechtigkeit und den verschiedenen Stellschrauben, um diese zu verbessern. Zum anderen ist es die Frage nach dem Leis tungsniveau und den Möglichkeiten, den Bildungserfolg jun ger Menschen weiter zu verbessern.

Sie, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kolle gen von der Opposition, wollen der Bevölkerung weismachen, dass unsere Politik, die auf ein eher integratives Bildungssys tem mit mehr – ich betone: mehr – individualisierten Lehr- und Lernformen und mehr individueller Förderung abzielt, empirisch nicht abgesichert sei.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sie müssen den Leistungsnachweis noch bringen! Um das geht es!)

Sie behaupten, dass es keine empirischen Ergebnisse gibt, oder Sie verdrehen die Ergebnisse in Ihrem Sinn. Wenn alles nicht mehr weiterhilft, geben Sie eigene, höchst fragwürdige Untersuchungen in Auftrag. Ich denke etwa an die von Ihnen in Auftrag gegebene Studie zur Zukunft der Realschule, in der beispielsweise gefragt wurde, was die Realschule gegenüber der Gemeinschaftsschule besonders auszeichne.

All dies sind wirklich keine Beiträge für eine fundierte Qua litätsdiskussion an unseren Schulen, meine sehr geehrten Da men und Herren. Mit dieser Umfrage können Sie nämlich al lenfalls messen, wie Ihre Strategie des Schlechtredens bei Menschen funktioniert, die größtenteils noch nie eine Gemein schaftsschule von innen gesehen haben.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Woher wissen Sie, dass sie erfolgreich ist? Sie unterstellen das nur!)

Auch bei dieser Großen Anfrage, meine sehr geehrten Damen und Herren, steht wieder einmal Ihr krampfhaftes Bemühen im Mittelpunkt, die Gemeinschaftsschule, das Thema „Integ rative Schul- und Bildungsformen“ schlechtzureden.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Jetzt entspannen Sie sich doch mal, Herr Minister! – Abg. Karl-Wil helm Röhm CDU: Den Nachweis müssen Sie führen, Herr Minister!)

Dieses Bemühen haben Sie zuletzt im Februar eindrucksvoll unter Beweis gestellt, als wir hier auf Antrag der CDU anläss lich eines Infoflyers zur Gemeinschaftsschule diskutieren mussten, ob die Schulverwaltung in Baden-Württemberg die Eltern überhaupt noch objektiv berät.

Heute versuchen Sie die Bildungsforschung gegen die Ge meinschaftsschule ins Feld zu führen. Fakt ist aber, dass die empirische Forschung in vielen Ländern gezeigt hat, dass in tegrative Schulformen in Bezug auf die Schülerleistungen kei neswegs schlechter abschneiden als stark differenzierende Schulformen. Wie könnte es sonst sein, dass sich auf den vor deren Plätzen internationaler Vergleichsstudien auch und ge rade Länder mit integrativen Bildungssystemen befinden?

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja, vor allem die Asiaten!)

Natürlich gibt es auch Länder mit integrativen Bildungssys temen, die in diesen Rankings schlechter abschneiden. Dies ist aber doch der Beleg dafür, dass es neben der Schulstruk tur entscheidend auf die gute Aus- und Weiterbildung der Lehrkräfte, auf eine gute Ausstattung der Schulen und auf ein gutes gesellschaftliches Umfeld ankommt.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Zu dem die CDU nichts beiträgt!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, aus allen Debatten, die wir hier führen, sehen Sie, dass wir uns dieser Themen an nehmen, während Sie diese Themen jahrelang, ja jahrzehnte lang vernachlässigt haben.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Wieder einmal glauben Sie, den neuseeländischen Bildungs forscher John Hattie als Kronzeugen anführen zu können, um die baden-württembergische Bildungspolitik zu diskreditie ren.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Sie tragen Hattie wie eine Monstranz vor sich her und bemü hen ihn als Beleg für ein überkommenes Bildungssystem und ein überkommenes Verständnis von Pädagogik, das ihm in keiner Weise gerecht wird. Hattie sagt nämlich, dass die Leh rerinnen und Lehrer für den Erfolg der Schülerinnen und Schüler die wichtigste Größe, der wichtigste Faktor sind.

Sie irren sich aber, wenn Sie meinen, dass man deshalb um Fragen der inneren und äußeren Schulstruktur herumkommt und alles so bleiben kann, wie es ist. Das ist der Fehlschluss, den Sie aus der Hattie-Studie ziehen. Denn angesichts der he terogenen Schülerschaft kann auch ein guter Lehrer nur dann guten Unterricht leisten, gute pädagogische Qualität erbrin gen, wenn ihm die Strukturen dies ermöglichen. Unter den Bedingungen steigender Begabungsvielfalt im Klassenzim mer – der Sie sich doch nicht entziehen können – werden Leh rerinnen und Lehrer die jungen Menschen ohne die Möglich keit zur individuellen Förderung, ohne einen ausgewogenen Mix – jetzt bitte gut zuhören! – klassischer und individueller Lehr- und Lernformen nicht mehr in gleichem Maß zum Bil dungserfolg führen können.

Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, verstehe ich auch Ihre Vorstöße nicht, die immer wieder ein Zerrbild

der Wirklichkeit, ein Zerrbild von Gemeinschaftsschule brau chen, um Ihre Thesen zu unterstützen. Machen Sie die Tür auf! Machen Sie das, was Kollege Zimmermann auch getan hat. Er hat in meiner Anwesenheit in einer Gemeinschafts schule in Wendlingen gesagt: Herr Minister, ich bin mir si cher, das ist nicht die Gemeinschaftsschule, die Sie gemeint haben; aber diese Gemeinschaftsschule hier funktioniert her vorragend. – Da muss ich doch sagen: ein großer Erkenntnis gewinn, Herr Kollege Zimmermann.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, gestat ten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Zimmermann?

Herr Kollege Zimmermann, gern, wenngleich ich darauf hin weise, dass mich die Kollegen aufgefordert haben, auf die Zeit zu achten. Wir stehen kurz vor dem Feierabend der Kollegen.

Herr Minister, Sie reden so schnell, dass Sie die Zeit wieder hereinholen.

Herr Minister, erlauben Sie mir, ein Korrektiv anzubringen.

Ich weiß, das schlechte Gewissen treibt Sie.

Ich habe tatsächlich bei die ser Einladung gesagt: Das ist eine gute Schule.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Oh-Rufe von den Grünen und der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Auf dem Weg der Besserung!)

Ich habe ergänzt: Ich betrachte die Gemeinschaftsschule als eine Schule vieler Gemeinschaften und als die Hauptschule der Zukunft.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Das habe ich nicht ge hört! – Vereinzelt Heiterkeit)

Sie haben mich mit den Worten zitiert, ich hätte mich „vom Saulus zum Paulus“ entwickelt.

Herr Zimmermann, wo ist die Frage?

Ich habe das nicht gesagt. Können Sie das bestätigen?

Wo ist die Frage gewe sen?

(Unruhe)

Ich habe gesagt, die Gemein schaftsschule ist okay; ich habe auch gesagt, dass sie die

Hauptschule der Zukunft ist; mehr habe ich nicht gesagt. Die Frage ist: Stimmen Sie mir darin zu?

(Zuruf von der SPD: Ja was jetzt? Was haben Sie ge sagt? – Vereinzelt Heiterkeit)

Bitte, Herr Minister.

Herr Kollege Zimmermann, ich kann mich beim besten Wil len nicht an eine Aussage von Ihnen erinnern, mit der Sie die Gemeinschaftsschule als Hauptschule der Zukunft bezeich nen. Ich kann nur zitieren, was in der Zeitung über den Be such stand. Da stand nämlich ausdrücklich – das muss also neben mir noch mindestens eine weitere Person, nämlich ein Journalist, gehört haben –: „Ich habe mich, was die Gemein schaftsschule angeht, vom Saulus zum Paulus gewandelt.“ So steht es in der Zeitung.