Protocol of the Session on February 5, 2015

Ich frage mich, wie die Kollegen in Berlin ihre Arbeit machen; ordentlich jedenfalls nicht: Sie verabschieden ein Gesetz und wundern sich hinterher, dass das, wie beim Mindestlohn, Bü rokratie verursacht. Das erinnert mich an eine Aussage von Otto von Bismarck:

Je weniger die Leute davon wissen, wie Würste und Ge setze gemacht werden, desto besser schlafen sie.

Frau Nahles ist für mich die personifizierte Investitionsbrem se schlechthin. „Nahles will keine Änderung beim Mindest lohn“, titelte die FAZ am 28. Januar 2015. Zwei Tage später schrieb sie, Nahles setze den Mindestlohn für ausländische Lkw-Fahrer im Transitverkehr aus. Der Laie fragt sich: Ist das jetzt kein Gesetz mehr, an das man sich halten muss? Kann ein Minister einfach Regelungen eines Gesetzes „aussetzen“, nachdem der Bundestag es beschlossen hat?

Der Mindestlohn schränkt die Tarifautonomie ein und verhin dert Beschäftigung. Er führt zu einem Verlust von sozialver sicherungspflichtigen Arbeitsplätzen und zu einem Anstieg der Schwarzarbeit. Das hat sich schon in den wenigen Wo chen nach Einführung des Mindestlohns dramatisch gezeigt.

Mit der Arbeitsstättenverordnung schwingt Nahles erneut die Bürokratiekeule. Die Qualität eines Arbeitsplatzes bemisst sich nicht an der Frage, ob eine Toilette oder eine Teeküche ein Fenster haben. Für die Arbeitgeber ist eine solche Vorga be aber eine massive Einschränkung. Wenn die Union nicht

vollständig zu den neuen Sozialdemokraten werden will, muss sie dieses Vorhaben stoppen!

Die Bundesregierung muss ihren teuren Irrweg der pausenlo sen Staatsintervention endlich verlassen und der Marktwirt schaft wieder Vorrang einräumen. Mit dem Rentenpaket, dem Mindestlohn und der CSU-Maut steht die Bundesregierung klar für mehr Belastung für Bürger und Wirtschaft, mehr Bü rokratie und weniger Wettbewerbsfähigkeit. Es ist unverant wortlich, dass Deutschland in einer so angespannten Lage in Europa seine Staatsausgaben hochschraubt, statt Investitions anreize zu setzen.

Die Große Koalition muss mehr tun, als nur teure Wohltaten zu verteilen. Sie muss Deutschland endlich „enkelfit“ machen. Dazu müssen die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt werden, der demografische Wandel berücksichtigt werden und die Gene rationengerechtigkeit bewahrt werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie sehen: Wir brauchen das Innovationspaket der EU. Deutschland wird unter Wert regiert – im Bund und vor allem im Land. Daher sind wir Freien De mokraten zuversichtlich, dass das Programm hausgemachte Hemmnisse überwindet.

Wir hoffen auch, dass die von der EU erwartete Hebelwirkung eintritt, dass also durch öffentliche Mittel Privatinvestitionen ausgelöst werden. In diesem Zusammenhang bitten wir die Landesregierung, zu prüfen, ob auch ein auf das Land zuge schnittenes Programm unterstützend wirksam sein könnte.

Die Herausnahme von 2,7 Milliarden € aus dem EU-For schungsprogramm Horizon 2020 lehnen wir schlichtweg ab. Dies kommt aus unserer Sicht nur dann in Betracht, wenn Mit tel aus diesem Programm nicht abgerufen wurden. Ansonsten hoffen wir natürlich, Mittel aus diesem Fonds in maßgebli chem Umfang in Baden-Württemberg abrufen zu können.

Zu guter Letzt ein Hinweis: Die Freien Demokraten haben kürzlich ein Programm für die Infrastruktur des Landes und dessen Finanzierung vorgestellt. Das Milliardenprogramm ist ein Bestandteil der Agenda 2020, die die FDP/DVP-Fraktion für einen zukunftsfähigen Wirtschaftsstandort Baden-Würt temberg auf den Weg bringt. Die Agenda umfasst insbeson dere die Bereiche Wirtschaft, Verkehrs- und Breitbandinfra strukur, Haushalt und Finanzen, Energie, Integration und In novation. Entsprechende Haushaltsanträge hat die Regierungs koalition aus fadenscheinigen Gründen abgelehnt.

Die EU-Initiative wird sicherlich von allen begrüßt. Bei un seren Vorschlägen war die Euphorie nicht so groß. Das zeigt mit, dass es Grün-Rot nicht um die Sache, sondern um den Urheber einer guten Idee geht.

Vielen Dank.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In der öffentlichen Wahrnehmung der Europäischen Union dominieren aktuell vor allem finanzpolitische Themen wie die EZB-Entscheidung und die Auswirkungen der Wahl in Griechenland. Auch wenn diese Themen natürlich ganz besonders akut sind, begrüßen wir sehr, dass die EU auch die „Realwirtschaft“ nicht aus den Augen verliert und zu diesem Zweck eine Investitionsoffen sive plant.

Bereits am 26. November 2014 hat die Europäische Kommis sion in einer Mitteilung die Einrichtung eines mit öffentlichen Mitteln garantierten neuen „Europäischen Fonds für strategi sche Investitionen“ vorgeschlagen. In den Jahren 2015 bis 2017 sollen so zusätzliche Investitionen von mindestens 315 Milliarden € in der Europäischen Union generiert werden. Ausgangspunkt war, dass sowohl bei den Krisenstaaten unter den reifen Volkswirtschaften als auch bei den Ländern der eu ropäischen Peripherie ein hoher Investitionsbedarf zur Ankur belung der Wirtschaft besteht.

Die Investitionsoffensive besteht aus drei Komponenten:

Erstens ein neuer Fonds: Mit öffentlichen Mitteln soll ein neu er „Europäischer Fonds für strategische Investitionen“ (EFSI) eingerichtet werden. Mit diesem sollen in den kommenden drei Jahren zusätzliche öffentliche und private Investitions mittel in Höhe von mindestens 315 Milliarden € mobilisiert werden.

Die Modalitäten des Fonds sehen dabei wie folgt aus: Der „Europäische Fonds für strategische Investitionen“ wird bei der Europäischen Investitionsbank (EIB) eingerichtet. Die EU bringt Garantien in Höhe von 16 Milliarden € ein, die EIB weitere 5 Milliarden €. Diesen Einsatz von öffentlichem Geld von faktisch 21 Milliarden € will die Europäische Union auf 315 Milliarden € hebeln und damit das Risiko von Investitio nen mindern. So sollen Investoren gelockt werden, die im Laufe der Krise risikoscheuer geworden sind.

Die zweite Komponente ist eine Projektliste: Mit einer Über sicht über europäische Projekte und der Schaffung einer effi zienten und effektiven Projektsteuerung, einer sogenannten Projekt-Pipeline, soll eine optimale Verwendung der Mittel erreicht werden.

Die wichtigsten Einzelheiten sind:

In einem transparenten europäischen Investitionsprojektever zeichnis können sich Investoren über laufende und mögliche künftige Projekte informieren. Der Mangel an Informationen ist zurzeit ein erhebliches Investitionshindernis.

Eine erste „Wunschliste“ kursiert bereits: Eine von der Kom mission und der EIB eingesetzte gemeinsame Taskforce für Investitionen hat bereits rund 2 000 mögliche Projekte im Wert von 1,3 Billionen € ermittelt.

Ein Investitionsausschuss will ohne geografische oder sektor bezogene Quoten entscheiden, welche Projekte aus dem EFSI gefördert werden.

Die dritte Komponente bildet die Beseitigung von regulatori schen Hemmnissen. Die EU-Kommission möchte einen „In vestitionsfahrplan“ aufstellen, um regulatorische Engpässe in Europa zu beseitigen. Hierzu gibt es allerdings noch keine konkreten Hinweise. Die EU-Kommission muss dies noch vo ranbringen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, so viel in aller Kür ze zur „Konstruktion“ der Investitionsinitiative. Doch wie sind diese Pläne aus Sicht unseres Landes zu bewerten?

Richtig ist zunächst: Es besteht eine Investitionslücke in Eu ropa. Die von der Kommission dargelegten Pläne zielen dar auf ab, diese Lücke zu schließen, und sind deswegen grund

sätzlich zu begrüßen. Dies gilt besonders, da es sich um „re ale“ Investitionen handelt. Dies kann den Bürgern in Europa verdeutlichen, dass sich die EU eben nicht nur um die Ban ken, sondern auch um konkrete Verbesserungen in der Infra struktur kümmert. Europa bewegt sich.

Diese Offensive könnte gerade auch für die Krisenländer ein wichtiges psychologisches Zeichen sein. Wenn uns die Krise eines gelehrt hat, dann, wie wichtig Psychologie für die wirt schaftliche Entwicklung mitunter sein kann.

Richtig ist, dass es in einzelnen Bereichen insbesondere der öffentlichen Infrastruktur einen Mangel an Investitionen gibt. Positiv wird deshalb bewertet, dass die Gelder nicht per se nur „in die Krisenländer“ gehen, sondern dass grundsätzlich je der Mitgliedsstaat profitieren kann.

Insbesondere dort, wo private Investoren Risiken nur schwer einschätzen oder nicht voll übernehmen können, kann die Of fensive einen Beitrag leisten. Die Übernahme von Risiken im Rahmen der Finanzierung von Investitionsprojekten durch den Fonds kann helfen, Investitionsengpässe zu überwinden.

Positiv bewertet wird weiterhin, dass mit der Europäischen Investitionsbank ein ökonomischer Experte mit ins Boot ge nommen wurde, die EU-Verwaltung und die EIB also gemein sam diese große Initiative bearbeiten.

Was aber nicht vergessen werden darf: Die Investitionsoffen sive wird nur dann Erfolg haben, wenn sie von Strukturrefor men begleitet wird. Parallel dazu sind andere Investitions hemmnisse zu beseitigen. Hierzu zählen insbesondere klare Eigentumsverhältnisse und die bürokratischen Hürden bei der Unternehmensgründung sowie für den laufenden Betrieb. Die EU hat diese Notwendigkeit erkannt. Aber wie genau das ge schehen kann und soll, wird die Kommission zeitnah erläu tern müssen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die Landesregierung hat diese Bewertung auch in den Bundesrat eingebracht. Die beteiligten Ausschüsse des Bundesrats haben zu dem Vorha ben grundsätzlich positiv Stellung genommen, aber auch die kritischen Punkte mitgetragen:

So sollten die Mittel nur dann eingesetzt werden, wenn das Investitionsprojekt eine hinreichende Rendite aufweist und/ oder einen nachprüfbaren, nachhaltigen gesamtwirtschaftli chen Nutzen stiftet.

Bei der Errichtung des „Europäischen Fonds für strategische Investitionen“ (EFSI) wird darauf zu achten sein, dass der bü rokratische Aufwand und die Kosten möglichst gering gehal ten werden.

Das Verfahren zur Aufnahme und Priorisierung von Projek ten muss transparent ausgestaltet werden. Insofern ist die nä here Ausgestaltung durch die Kommission abzuwarten.

Die Haushaltsumschichtungen, insbesondere die Verwendung von Horizon-2020-Mitteln in Höhe von 2,7 Milliarden €, zur anteiligen Finanzierung des Fonds sollten vermieden werden. Denn damit würde ein gut funktionierendes Wachstumspro gramm – von dem auch Baden-Württemberg profitiert – un nötig geschwächt werden.

Zu hinterfragen ist im bisherigen Verfahren außerdem die Rol le des Bundesministeriums für Finanzen bei der Erstellung der

deutschen Projektliste. Das BMF hatte bereits im November 2014 58 Projekte in einem Umfang von 89 Milliarden € an gemeldet, darunter Investitionen zum Ausbau schneller Inter netverbindungen, Offshorewindparks und Autobahnprojekte (u. a. in Baden-Württemberg). Es ist befremdlich, dass nicht alle Länder im Vorfeld beteiligt wurden und das BMF quasi autark agierte.

Das federführende BMF und die EU haben erklärt, dass die bisherige Liste eher „exemplarischen“ Charakter habe. Die Liste habe also keinen Anspruch auf Vollständigkeit und bie te zudem keine Gewähr dafür, dass die bislang aufgeführten Projekte auch umgesetzt würden.

Im Rahmen der Sitzung des Europaausschusses am Donners tag, 29. Januar 2015, haben wir Folgendes festgehalten:

Wir erwarten, dass die Bundesregierung künftig in größe rem Umfang Projekte aus Baden-Württemberg berücksichtigt und auf europäischer Ebene einbringt.

Das Land ist bei der Erstellung der bestehenden Projektlis ten nicht hinreichend berücksichtigt worden.

Da die Garantien für den Fonds aus bereits bestehenden eu ropäischen Haushaltsmitteln gestellt werden sollen, muss da rauf geachtet werden, dass sich das Investitionsprogramm nicht negativ auf Baden-Württemberg auswirkt.

So sollten etwa keine Mittel aus dem Horizon-2020-Pro gramm für Forschung und Innovation, von dem Baden-Würt temberg bereits jetzt in besonderem Maß profitiert, als Garan tien für den Fonds herangezogen werden. Dies brachten Herr Ministerpräsident Kretschmann und Herr Minister Friedrich gegenüber dem Präsidenten der Europäischen Kommission, Herrn Juncker, und Mitgliedern des Europäischen Parlaments zu Beginn dieser Woche in Brüssel zum Ausdruck.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, das Ziel die ser Investitionsoffensive darf kein konjunkturelles Strohfeu er sein. Vielmehr benötigen wir Investitionen in Nachhaltig keit und in die Wettbewerbsfähigkeit Europas.

Der Bericht der Landesregierung sollte zur Kenntnis genom men werden, verbunden mit der Erwartung des Ausschusses für Europa und Internationales, dass die Bundesregierung künftig in größerem Umfang Projekte aus Baden-Württem berg berücksichtigen und auf europäischer Ebene einbringen solle.

Ich rufe die Punkte 10 bis 19 der Tagesordnung gemeinsam auf:

Punkt 10:

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Fi nanzen und Wirtschaft zu der Mitteilung der Landesre gierung vom 19. Dezember 2014 – Bericht der Landesre gierung zu einem Beschluss des Landtags; hier: Denk schrift 2009 des Rechnungshofs zur Haushalts- und Wirt schaftsführung des Landes Baden-Württemberg – Beitrag Nr. 17: Personalunterkünfte der Zentren für Psychiatrie – Drucksachen 15/6301, 15/6371