Ein weiteres Problem ist: Die Regelungen wurden in den frü hen Neunzigerjahren gemacht, als die östlichen Bundesländer eindeutig viel mehr Zugverkehr hatten als heute. Durch den demografischen Wandel und eine Änderung des Verkehrsver haltens hat der Zugverkehr dort inzwischen deutlich abgenom men. Umgekehrt sind in den alten Bundesländern, etwa in Ba den-Württemberg, aber auch in Nordrhein-Westfalen und Bay ern, in den letzten Jahren aufgrund des Einsatzes von Regio nalisierungsmitteln deutliche Zuwächse zu verzeichnen. Dies hat zu einer Verschiebung des Bedarfs geführt.
Ich kann Ihnen sagen: Es waren harte Monate, in denen wir mit den anderen Bundesländern gerungen haben. Während Sie immer eine höhere Quote gefordert haben, haben wir – we sentlich wir in Baden-Württemberg, mein Haus – dazu beige tragen, dass letztlich ein Konsens aller Länder gefunden wur de. Selbst die Länder, die zukünftig einen geringeren Anteil bekommen, haben letztlich zugestimmt und anerkannt, dass es Länder wie Baden-Württemberg gibt, die einen Mehrbe darf haben und eben auch einen höheren Anteil an der Ge samtsumme bekommen müssen.
Ich war am Ende selbst überrascht, dass wir dies im Konsens geschafft haben. Wir waren schon auf dem Weg, zu sagen: Wir treffen eine Mehrheitsentscheidung. Aber besser ist es, das Ganze im Konsens zu regeln.
Nur muss man eines wissen: Der Konsens ist auch dadurch möglich geworden, dass die Länder im Westen, die einen Mehrbedarf haben, bereit waren, die neue Quote nicht sofort zu fordern und sich auf ein Übergangsverfahren einzulassen. Danach wird in den ersten fünf Jahren die Hälfte neu verteilt, und in den anschließenden zehn Jahren folgt die andere Hälf te. Das heißt, die östlichen Bundesländer bzw. die Länder, die einen Minderbedarf aufweisen, können sich umstellen und werden nicht gezwungen, Züge abzubestellen. Auch dies woll ten wir den betreffenden Ländern nicht zumuten. Es ist ein richtiger Erfolg, dass wir ein solches Konzept hinbekommen haben.
Allerdings handelt es sich um ein fragiles Konzept. Denn wenn die Mittelerhöhung nicht kommt, wird das Konzept nicht funktionieren. Wenn es zu einer Stagnation oder gar zu Rückgängen kommt, dann kann die Veränderung der Quote nur zulasten der östlichen Bundesländer gehen. Dies kann man nicht im Ernst wollen.
Meine Damen und Herren, wir hoffen jetzt sehr, dass das Ver fahren in Gang kommt. Dadurch, dass der Bundesrat vor zwei Wochen einstimmig beschlossen hat, dem Vorschlag der Ver kehrsminister der Länder zu folgen, stehen zwei Gesetzent würfe im Raum: auf der einen Seite der des Bundes mit gera de einmal einem Jahr Verlängerung und einer Dynamisie rungsrate von 1,5 % für ein Jahr – und dann geht es nicht wei ter. Auf der anderen Seite steht das Gesamtkonzept der Län der auf 15 Jahre mit den neuen Quoten.
Insofern muss ich sagen: Ich kann mir nichts anderes vorstel len, als dass das Ganze in das Vermittlungsverfahren geht. Da sind Sie gefragt, und zwar alle, die Kontakte nach Berlin und in die Bundestagsfraktionen haben. Von dort brauchen wir Un terstützung. Übrigens sitzt Ihr ehemaliger Kandidat Strobl im Vermittlungsausschuss. Ich erwarte einmal, dass er etwas für Baden-Württemberg tut. Denn diese Quote wird Baden-Würt temberg wirklich helfen.
Wenn wir es schaffen würden, das durchzusetzen, was wir ge meinsam beschlossen haben, würden wir die Angebote in Ba den-Württemberg in den nächsten Jahren in der Tat verbes
sern können. Kollege Haller, wir würden da und dort auch noch das eine oder andere zusätzlich finanzieren können, was wir heute nicht mehr finanzieren können, weil uns die Mittel nicht reichen. Früher waren die Regionalisierungsmittel so üppig, dass man sich vieles Sonstige noch leisten konnte. Heu te besteht eine Konsumquote von 98 %, die vollumfänglich in die Bestellung von Zügen fließt. Davon würde ich gern he runterkommen, damit wir wenigstens einen gewissen Spiel raum haben, um da und dort auch Konzepte und andere Ver fahren unterstützen zu können. Denn die Mittel dienen nicht ausschließlich, sondern überwiegend der Bestellung von Zü gen, und dem werden wir gerecht.
Wenn das Konzept kommt, können wir selbstverständlich das Zielkonzept 2025 einlösen. Aber in der Tat: Wenn wir keine auskömmliche Lösung finden, keine neue Quote haben, ist das Makulatur. Dann müssten wir Ihnen Streichungsvorschläge vorlegen. Deswegen muss man auch klipp und klar sagen: Wenn das nicht kommt, dann sind Schäuble und die Bundes regierung verantwortlich dafür, dass in Baden-Württemberg und in der ganzen Republik Züge gestrichen werden müssen.
Noch ein Wort zum Verfahren. Wir, die Länderminister, ha ben uns mehrfach für ein fristgerechtes Verfahren eingesetzt. Wir haben mehrfach gedrängt. Es stand jetzt zweimal ganz oben auf der Tagesordnung der Ministerpräsidentenkonferenz. Zweimal haben sich die Ministerpräsidenten mit der Kanzle rin einmütig darauf verständigt, dass es diesen Bedarf gibt. Jedes Mal blieb das folgenlos. Ich finde, das muss jetzt ein mal ein Ende haben. Jetzt brauchen wir wirklich einen Ent schluss, der perspektivisch ist.
Ich kann Sie nur bitten: Unterstützen Sie das Land, unterstüt zen Sie die Länder bei der Fortschreibung des Regionalisie rungsgesetzes – mit einer neuen Quote, mit einem neuen An satz und einem Aufsatz von 8,5 Milliarden € bei einer Dyna misierungsrate von 2 %. Das ist auskömmlich, und das ermög licht einen guten ÖPNV.
Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Ich möchte in der zweiten Runde noch ein paar Sätze sagen, weil ja auch der Vergabekalender ange sprochen wurde.
Bislang sind, wie mir ein Blick in den Vergabekalender zeigt, in den drei Jahren, in denen unser Verkehrsminister im Amt ist, zehn Vergaben getätigt worden.
In drei Jahren zehn Vergaben: Das ist doch ein Mammutpro jekt, das der Verkehrsminister hier übernommen hat.
und die klare Aussage erhalten: Im Dezember 2018 ist neues Wagenmaterial da, wenn die neuen Verträge laufen.
Die Silberlinge, die Sie bestellt hatten, gehören dann der Ver gangenheit an, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ich möchte in dieser Debatte gar nicht „scharf“ sein. Denn der Konsens, den wir hier im Landtag zum Schienenverkehr ha ben, ist unserer Fraktion wichtig. Weil das Thema heute auf der Tagesordnung des Bundeskabinetts steht, wollen wir die sen Konsens der vier Landtagsfraktionen und des Landes Ba den-Württemberg nach Berlin übermitteln. Denn wir haben den latenten Verdacht: Der Bund spielt beim Thema Regiona lisierungsmittel auf Zeit. Der Bund hat als Erstes gesagt: Jetzt müssten sich die Länder einmal einigen, wie sie die Gelder untereinander aufteilen. Das haben die Länder gemacht. In der Verkehrsministerkonferenz im Herbst in Kiel hat man – Herr Köberle hat auch darauf hingewiesen – eine Verständigung unter den Ländern gefunden, und trotzdem bewegt sich der Bund nicht.
Das ist das, was wir kritisieren. Der Bund muss jetzt auf die Länder zugehen, der Bund darf nicht weiter auf Zeit spielen. Er passt jetzt das Regionalisierungsgesetz mit einer Dynami sierung von 1,5 % an. Dabei hat der Bund selbst gesagt: Die Anpassung muss im Grunde bei 2,6 % liegen. Dieses ewige Auf-Zeit-Spielen haben wir satt, liebe Kolleginnen und Kol legen.
Denn es geht hier nicht um eine Verhandlung zwischen den Ländern und dem Bund nach dem Motto „Wer holt mehr he raus?“, sondern es ist eine klar verfassungsrechtlich abgesi cherte Aufgabe des Bundes, den Schienenverkehr zu finanzie ren. Schauen Sie in Artikel 106 a des Grundgesetzes. Es ist eine ganz klare Aufgabe des Bundes, dass er den Schienen verkehr finanziert, dass er den Ländern die Gelder zur Verfü gung stellt. Wir wollen nichts anderes, als dass der Bund sei ne Aufgabe übernimmt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Lieber Herr Präsident, ich hof fe, Sie zählen die Zeit nicht, die erforderlich ist, um das Red nerpult wieder auf eine normale Höhe zu verstellen.
Verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Nochmals zurück zum Vergabekalender. Wir haben jetzt hof fentlich alle ein paar ruhige Tage vor uns. Wenn Sie genug ha ben vom Christbaumsingen und vom Kuchenessen, dann neh men Sie einmal in aller Ruhe diesen Vergabekalender in die Hand und schauen ihn sich an. Das ist das Regiebuch des Ver kehrsministers, aber zugleich ein Offenbarungseid.
Er hat drei Abschnitte. Der erste betrifft abgeschlossene und laufende Verfahren, Kollege Schwarz, durchgehend Verträge mit alten Fahrzeugen, teilweise von uns eingeleitet oder mit landeseigenen Betrieben vereinbart.
Interessanter wird es beim zweiten Abschnitt. Hier geht es um abgeschlossene Verfahren, bei denen das Land, bei denen der Verkehrsminister nicht die Regie geführt hat, sondern Bayern, Hessen oder Rheinland-Pfalz, also um länderübergreifende Projekte.
Wenn das alles stimmt, was Sie sagen, wenn es so kompliziert ist, dann frage ich mich: Warum wird bei schwierigeren Kon stellationen, bei denen sich zwei oder drei Länder zusammen tun müssen, ein Zeitplan eingehalten, der ganz schnell zum Erfolg führt?
Beim dritten Abschnitt sehen wir die ganze Misere, vor der Baden-Württemberg steht. Sie werfen alles auf einmal auf den Markt.