Protocol of the Session on December 11, 2014

Offensichtlich waren nach fünf Jahren gemeinsamen Regie rens die Postkommunisten für die SPD das kleinere Übel als die CDU. Das Verhalten der CDU als Regierungspartei ge genüber Koalitionspartnern ist nach meiner Auffassung auch ein Grund dafür, warum die CDU mittlerweile bundesweit nur noch vier Ministerpräsidenten stellt.

Dass sich gerade ein Liberaler diesen Hinweis an Ihre Adres se von der CDU bei der heutigen Debatte nicht verkneifen kann, darüber dürften Sie eigentlich nicht verwundert sein.

(Vereinzelt Beifall)

Ein letzter Aspekt, der mir wichtig ist: Auch heute gibt es die sogenannten Montagsdemonstrationen. Mich stört diese schein bare Vergleichbarkeit von damals und heute.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Martin Rivoir SPD: Das stimmt! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Völlig richtig! Das ist lä cherlich!)

Vor 25 Jahren erkämpften sich die Menschen im Osten unse res Landes die Freiheit.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Dazu gehörte damals sehr viel Mut, denn die Menschen ris kierten beim Aufbegehren gegen die Staatsgewalt ihr Leben. Heute dagegen demonstrieren Menschen in einem liberal-de mokratischen Rechtsstaat und nicht wie damals in einer Dik tatur. Dafür aber die gleiche Bezeichnung zu verwenden hal te ich für vollkommen unangemessen. Denn es verharmlost den Heldenmut der Menschen in der damaligen DDR.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der CDU, der Grünen und der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Es verhöhnt sie!)

Für diesen Heldenmut bin ich im Übrigen auch persönlich sehr dankbar. Denn meine beiden Kinder würden sonst heute nicht existieren.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Herr Kollege Dr. Kern, Sie haben noch rund eine Minute Redezeit. – Sie gestatten nun die Frage von Herrn Abg. Dr. Rösler.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Der war auch im Osten!)

Werter Kollege, wie ste hen Sie denn dazu, dass die FDP 1990 alle Mitglieder der Volkskammer der DDR, die Mitglied der Liberaldemokrati schen Partei Deutschlands waren, der LDPD,

(Abg. Martin Rivoir SPD: Die sogenannten Block flöten! – Zuruf von der SPD: Blockpartei)

komplett übernommen hat, ebenso wie das Vermögen? Ich kenne persönlich einige dieser Kollegen, die quasi zwangs weise von der FDP übernommen wurden.

Wie stehen Sie zu diesem Prozess in der Historie der FDP?

(Abg. Martin Rivoir SPD: „Das ist ja etwas ganz an deres“!)

Es gab ja einen Grund, wa rum Menschen, die damals politisch aktiv sein wollten, nicht in die SED, sondern in eine andere Partei eingetreten sind.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Aha! – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Was für eine Verbiegung! – Abg. Helmut Wal ter Rüeck CDU: Aber die sind da freiwillig hineinge gangen! – Weitere Zurufe)

Zweitens finde ich es auch – –

(Unruhe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie doch bitte Herrn Dr. Kern eine Antwort formulieren.

Dafür, dass Sie sich selbst zur „Koalition des Zuhörens“ ernannt haben, ist die Art und Weise, wie Sie tatsächlich zuhören, oft problematisch.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Das liegt am Red ner!)

Aber in der Tat: Auch ich hätte mir da ein anderes Verhalten vorstellen können.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Danke!)

Für die Landesregie rung erteile ich das Wort Herrn Minister Friedrich.

Herr Präsident, meine sehr ge ehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der Titel der heu tigen Debatte lautet: „25 Jahre nach friedlicher Beendigung der SED-Herrschaft und dem Mauerfall – Zusammenarbeit der grün-roten Koalition in Baden-Württemberg mit dem rotrot-grünen Linksbündnis in Thüringen?“ Jetzt habe ich der Debatte aufmerksam gelauscht, insbesondere Ihrer Rede, Herr Röhm.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Gut so!)

Sie haben am Ende fünf Fragen an die Landesregierung ge stellt. Ich muss aber feststellen, dass sich vier dieser Fragen an die jeweiligen Parteien wenden. Ich habe bei der gesamten Debatte viel Parteiendiskussion festgestellt, aber – das gilt

auch für Ihre Rede – wenig dazu, was denn die Landesregie rung eigentlich diese ganze Angelegenheit angehen soll.

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen: Ich spreche hier als Vertreter der Landesregierung, als Minister, der BadenWürttemberg im Bund, im Bundesrat, in Europa und in inter nationalen Angelegenheiten vertritt. Ich werde also einiges zu der Frage sagen, wie sich die Zusammenarbeit mit anderen Landesregierungen in diesem Kontext gestaltet. Aber ich spre che nicht für die Parteien; denn bei uns sind Partei und Regie rung nicht das Gleiche. Sie mögen da traditionell ein anderes Verständnis haben, was Baden-Württemberg betrifft; bei uns ist es so.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Matthias Pröfrock CDU: Jetzt lache ich mich gleich kaputt! – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Die frisch gewählte Regierung in Thüringen ist ohne jeden Zweifel – das haben bislang auch alle anerkannt – auf demo kratischem Weg gewählt worden. Dies steht außer Zweifel. Sie mögen Mitgliedern der Partei Die Linke absprechen, auf rechte Demokraten zu sein, oder Sie mögen ihnen dies zubil ligen. Sie mögen ihnen auch ihre Geschichte vorhalten und die Meinung vertreten, sie hätten sich davon nicht genügend distanziert. Das sind übrigens Dinge, die SPD und Grüne in Thüringen ebenfalls getan haben und auch weiterhin tun. Des wegen steht die schon angesprochene Präambel im Koaliti onsvertrag, und deswegen ist das Thema „Aufarbeitung der Geschichte“ auch ein wichtiges Thema dieser Koalition – es ist wichtiger, als dies zuvor in der Zeit der Regierung von CDU und SPD in Thüringen der Fall war.

Es steht also außer Zweifel, dass die Regierung in Thüringen demokratisch gewählt ist und auf demokratischem Weg zu stande gekommen ist.

Wir, die Landesregierung, haben daher auch überhaupt kei nen Anlass und keinen Grund, uns in irgendeiner Weise der normalen Zusammenarbeit, wie sie zwischen Landesregierun gen in Deutschland üblich ist, zu verschließen. Im Bundesrat, in den verschiedenen Fachministerkonferenzen, in der Minis terpräsidentenkonferenz werden wir ganz normal zusammen arbeiten, so, wie dies zwischen demokratisch gewählten Re gierungen von Ländern in Deutschland üblich ist. Und das ist gut so.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Erlauben Sie mir folgenden Hinweis: Als ich dieses Minister amt übertragen bekam, traf ich im Bundesrat und im Ständi gen Beirat auf eine Ministerin – Frau Marion Walsmann –, die das Land Thüringen mehrere Jahre beim Bund vertreten hat, die auch in allen Koordinierungsrunden der CDU, der B-Sei te, saß und die selbst, als Mitglied der Ost-CDU, gewähltes Mitglied der Volkskammer war. Sie half also damals, die – wie es hieß – „Politik des sozialistischen Staats zu befördern“; sie hat dies als Mitglied der Ost-CDU auch so versprochen, und sie hat in der letzten Landesregierung in Thüringen das besagte Ministeramt übernommen. Das war Frau Walsmann.

Es ist daher, meine ich, sehr unredlich, in der laufenden De batte so zu tun, als gäbe es keine gemeinsame Vergangenheit der CDU im Osten mit der damaligen Ost-CDU.

Entsprechendes gilt für den Ministerpräsidenten des Freistaats Sachsen, Herrn Tillich. Auch er war Mitglied der Ost-CDU. Er hat sogar an der Kaderschmiede des SED-Staats, der Aka demie für Staats- und Rechtswissenschaften der DDR, teilge nommen.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Genau!)

Dies zu Herrn Tillich, der heute noch Ministerpräsident ist. Er hat höchstwahrscheinlich in der MPK gerade Herrn Ramelow die Hand gegeben – der seinerseits aus Niedersachsen stammt.

Ich will also darauf hinweisen: Sie sollten, wenn es um die Frage geht, wie sich Menschen entwickeln können und in wel cher Weise sie möglicherweise Fehler der Vergangenheit auch aufarbeiten, Mitgliedern anderer Parteien vielleicht die glei che Großmut zukommen lassen, die Sie gern für die Mitglie der, die Funktionäre sowie die Ministerinnen und Minister und die Ministerpräsidenten Ihrer eigenen Partei in Anspruch neh men.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Deswegen will ich klar sagen – damit nehme ich zur ersten Ihrer Fragen Stellung, der einzigen, die sich tatsächlich an die Landesregierung richtet –: Wir werden mit der Regierung in Thüringen zusammenarbeiten, so, wie wir das mit jeder an deren Landesregierung auch machen.

Ich will übrigens darauf hinweisen, dass in der thüringischen Landesregierung eine ganze Reihe von Ministern sitzen, so wohl für die SPD als auch für die Linke als auch für die Grü nen – sei es Wolfgang Tiefensee, der zu den Mitbegründern des demokratischen Forums Ostdeutschland in Leipzig gehört hat, sei es der grüne Justizminister, Herr Lauinger, der aus Ett lingen stammt, sei es der Innenminister, Holger Poppenhäger, der übrigens der Vorsitzende der deutschen Delegation im Ausschuss der Regionen in Brüssel ist –, die ohne Zweifel über jede Kritik erhaben sind, die darauf abzielt, dass sie Ver treterinnen und Vertreter eines Unrechtsregimes seien bzw. in einer Tradition der Vertretung des Unrechtsregimes der SED stünden. Ein solcher Vorwurf ist ihnen gegenüber in keinster Weise gerechtfertigt. Sie werden ihre Arbeit ordentlich ma chen; da bin ich mir sicher. Deswegen werden wir mit ihnen auch zusammenarbeiten.

Ich verbitte mir an dieser Stelle jedweden parteipolitischen Kommentar, sowohl vonseiten der Vorsitzenden der BundesCDU als auch von Ihnen. Zu glauben, man säße moralisch auf einem höheren Ross als diejenigen, die aktiv dazu beigetra gen haben, dass die DDR zugrunde gegangen ist – dies ge schah tatsächlich durch den Protest der Bürgerinnen und Bür ger –, während man selbst in der eigenen Partei gleichzeitig eine ganze Reihe von Vertreterinnen und Vertretern hat, die als „Blockflöten“ Stützen dieses Systems waren und später zu Funktionsämtern in der Partei gelangten, ist vermessen.

(Abg. Thaddäus Kunzmann CDU: Sind Sie jetzt Ver treter Ihrer Partei oder Vertreter der Landesregierung? Reden Sie für Ihre Partei oder für die Regierung?)

Gestatten Sie mir noch einen Satz zu der Frage, ob die Sache von uns begrüßt oder bejubelt wird, ob dies beklatscht wird: Keiner von uns hat das Wahlergebnis bzw. die Bildung dieses Bündnisses beklatscht – keiner von uns. Ich sage Ihnen auch ehrlich: Ich habe große Bauchschmerzen, wenn ich realisie