Damit wollen wir auch Vorbild für kommunale Gremien sein, sich verstärkt auch dort um die Frage zu kümmern, wie die Räte attraktiv für junge Menschen bleiben, und dafür zu sor gen, dass auch die Vereinbarkeit von Familie und Ausübung einer kommunalen Gremienmitgliedschaft gut möglich ist.
Jeder Abgeordnete wird weiter selbst darüber entscheiden, ob er einen solchen Antrag nach der Geschäftsordnung stellt. Er wird auch weiterhin selbst entscheiden, wie er die Wahlkreis arbeit wahrnimmt. Aber wir, der Landtag, werden den Urlaub wegen Mutterschutz und Kindererziehungszeiten so behan deln wie den Urlaub bei dienstlicher Verhinderung. Deshalb haben die Fraktionsvorsitzenden die entsprechende PairingRegelung auch für diesen Fall zugesagt.
Auch von meiner Seite Dank für die Zusammenarbeit zwi schen den Fraktionen für eine praktikable Lösung der recht lichen Fragen und für eine übereinstimmende Verabschiedung.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich stehe heute hier, weil wir seit März 2013 die engagierte Kollegin Anneke Graner bei uns im Landtag haben. Diese war als junge Mutter in den Landtag nachgerückt und stellte kurz nach ihrem Amtsantritt vollkommen verständlich die Frage: Was mache ich mit mei nem Kind? Gibt es hier keine Elternzeit?
Eine intensive Recherche zeigte: Landauf, landab sprechen wir von Familienfreundlichkeit, von Vereinbarkeit von Fami lie und Beruf und von Chancengleichheit für Mann und Frau, aber leider endet ein zentrales Element zur Ermöglichung die ser Ziele an den Pforten der Landtage und des Bundestags.
Die verfassungsrechtliche Stellung unseres Mandats erlaubt keine echte Elternzeit. Darin sind sich die Juristen einig; das haben meine zwei Vorredner schon gesagt. Aber es wurden auch in keinem Parlament in Deutschland Alternativen dazu geschaffen.
Ich stehe heute auch hier, weil meine Kollegin Charlotte Schnei dewind-Hartnagel den Prozess intensiv mitbegleitet und maß geblich zum Gelingen beigetragen hat. Sie hat mir als erstem Elternzeitfall den Vortritt gelassen, um das Thema auszufüh ren. Herzlichen Dank euch beiden für euren Einsatz in dieser Sache.
Ich stehe heute hier, weil euer Einsatz nach wie vor wichtig ist. Denn immer noch fällt es insbesondere Männern schwer, für eine gewisse Zeit den Arbeitsplatz zu verlassen und sich intensiver der Familie zu widmen. Dabei haben viele Mütter und Väter, ob in der Politik oder nicht, den Wunsch, mehr Zeit mit dem eigenen Nachwuchs zu verbringen.
Weil das aber offenbar nicht so einfach möglich ist, insbeson dere für uns Berufspolitikerinnen und -politiker, wählen vie le den Ausstieg. Beispielsweise stieg Exfamilienministerin Kristina Schröder aus, um mehr Zeit für ihr Töchterchen zu haben. Der Vater, der Pinneberger CDU-Bundestagsabgeord nete Ole Schröder, bleibt derweil in der Politik.
Ich stehe heute hier, weil wir, der Landtag von Baden-Würt temberg, als erstes Parlament Deutschlands in der Geschäfts ordnung des Landtags folgende Regelungen für den Mutter schutz und die Elternzeit festlegen werden:
Beantragt eine Abgeordnete innerhalb der gesetzlichen Mutterschutzfristen Urlaub, ist dies vom Präsidenten zu gewähren.
Zum Zwecke der Kinderbetreuung kann der Präsident Ab geordnete auf Antrag für längstens sechs Monate nach der Geburt des Kindes für die Plenar- und Ausschusssit zungen beurlauben.
Die Abgeordneten behalten während der Elternzeit ihr Man dat. Falls sie aufgrund ihrer Beurlaubung an Abstimmungen nicht teilnehmen können, haben die Fraktionen für solche Fäl le ein Pairing in Aussicht gestellt, wie es auch meine beiden Vorredner betont haben. Das Kräfteverhältnis zwischen Re gierungs- und Oppositionsfraktionen bleibt dadurch gewahrt.
Ich stehe heute also hier, weil auch ich mit der Geburt meines Sohnes im August dieses Jahres das Glück erfahren durfte, das so viele hier im Saal schon teilen – eine ganz besondere Erfahrung. Die ersten Momente eines kleinen Menschen sind sicherlich die beeindruckendsten und intensivsten für junge Eltern. Da freut es mich natürlich sehr, dass mit der kommen den Regelung auch mein Sohn die Chance bekommt, seinen Vater etwas intensiver und vielleicht auch etwas entspannter erleben zu dürfen.
(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Karl-Wil helm Röhm CDU: Das wünsche ich Ihnen auch! – Abg. Thomas Blenke CDU: Auch dem Vater wün schen wir das!)
Ich werde, Herr Präsident, nach Inkrafttreten der Regelung gern die verbleibenden zwei Monate nutzen – auch um als po sitives Vorbild zu wirken. Ich finde, insbesondere wir Männer sollten diese Möglichkeit stärker nutzen, egal, welcher Be rufsgruppe wir angehören.
Dieses Buch ist symbolisch für die heutige Debatte. Auf der ersten Seite des Buches: ein Auto. Baden-Württemberg ist das allererste Land, in dem es das Auto gab.
Auf Seite 2 des Buches: ein Ball. Baden-Württemberg ist das Land mit dem Weltmeistertrainer Jogi Löw, Nummer 1.
Auf Seite 5 des Buches: ein Kind. Baden-Württemberg ist das erste Land, das eine Elternzeitregelung für Abgeordnete schafft. Ich danke Ihnen herzlich.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Er ist schon Papa! Er kriegt dann als Großvater frei! – Vereinzelt Hei terkeit – Gegenruf: Da hat er noch Zeit! – Abg. Fried linde Gurr-Hirsch CDU: Bei mir kommt bald Num mer 5!)
Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Ich kann Ihnen recht geben, Herr Kol lege Dr. Schmidt-Eisenlohr. Die Erfahrung von Kindern ist et was Großartiges, und die Erfahrungen hin und wieder nachts sind, wie ich weiß, sehr beeindruckend.
Wie bereits erwähnt, hat Josef Kelnberger in der „Süddeut schen Zeitung“ unser Land Baden-Württemberg im Zusam menhang mit der Elternzeit als „familienpolitische Avantgar de“ bezeichnet. Die geschätzte Kollegin Graner sieht darin ei nen Baustein der Frauenförderung.
Kritiker – auch in unserer Fraktion – sehen in dem vorliegen den Vorschlag allerdings keinen Fortschritt, sondern eine be denkliche Privilegierung der Abgeordneten. Dies gilt vor al lem vor dem Hintergrund, dass die Kolleginnen und Kolle gen, die Elternzeit in Anspruch nehmen wollen, ihre volle Ab geordnetenentschädigung weiter behalten. Es ist in der Tat nicht leicht zu vermitteln, dass man an den wenigen Sitzungs tagen in Stuttgart und bei der Entschädigung von ca. 7 000 € pro Monat nicht in der Lage sein sollte, eine Kinderbetreuung sicherzustellen.
Natürlich kann man sich auch intensiv um seine Kinder küm mern, ohne Elternzeit in Anspruch zu nehmen. Dafür gab es in der Vergangenheit gute Beispiele. Es gibt bereits Struktu ren, die man nutzen kann, so z. B. die Kindertageseinrichtung für Landesmitarbeiter in Stuttgart.
Die ursprünglichen Ausgangsforderungen haben wir ausge sprochen kritisch gesehen: das Ruhenlassen des Mandats, die Zahlung reduzierter Diäten bzw. den Verzicht auf einen Teil der Abgeordnetenentschädigung während der Elternzeit, das verbindliche Pairing bei elternbedingter Abwesenheit und zu letzt Möglichkeiten der Abstimmung im Internet.
Die letzte Forderung hätte einem möglichen Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Übrig geblieben ist nach kurzen Diskussio nen und einem Blick auf die Verfassungslage die Urlaubsre gelung. Die Urlaubserteilung steht grundsätzlich im Ermes sen des Präsidenten. Lediglich im Rahmen der Fristen des Mutterschutzes besteht ein Anspruch, und das macht auch Sinn.
Zuletzt zur Absichtserklärung, Pairing im Falle elternbeding ter Abwesenheit zu praktizieren: Auch dies tragen wir mit. Wir alle im Plenum müssen uns aber bewusst sein, dass diese Er klärung keinerlei rechtliche Verbindlichkeit hat.
Wir hoffen, den Landtag mit diesem kleinen Baustein ein we nig familienfreundlicher gemacht zu haben, und unterstützen den fraktionsübergreifenden Vorschlag.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ständigen Ausschusses, Drucksache 15/5505. Der Stän dige Ausschuss schlägt Ihnen vor, dem Antrag Drucksache 15/5500 zuzustimmen. Wer diesem Vorschlag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer ent hält sich? – Eine Enthaltung, eine Gegenstimme. Damit wur de der Beschlussempfehlung des Ständigen Ausschusses zu gestimmt.
Es gibt eine Wortmeldung zur Abstimmung. Für eine Erklä rung zur Abstimmung nach § 100 der Geschäftsordnung er teile ich Herrn Kollegen Dr. Bullinger das Wort.
Herr Präsident, meine werten Kolleginnen und Kollegen! Bei so viel Einig keit und Freude aller – ich gönne jedem die Elternzeit – habe ich diese Regelung abgelehnt.