Protocol of the Session on July 24, 2014

In Baden-Württemberg gibt es eine Vielzahl von Grabungs stätten, die neue Erkenntnisse zutage fördern. Das liegt übri gens auch daran, dass im Land sehr viel Infrastruktur gebaut und deshalb an diesen Stellen gegraben wird. Das wurde z. B. bei einer Grabung auf der Schwäbischen Alb im vergangenen Jahr deutlich, als völlig überraschend eine Siedlung aus der Bronzezeit gefunden wurde. Niemand weiß, warum damals Menschen dort gesiedelt haben, obwohl es kein Wasser gab. Gleichwohl wurden dort interessante Dinge gefunden und hochinteressante Erkenntnisse daraus gewonnen.

Es sei beispielhaft auch die Heuneburg genannt. Dort gibt es ein von der DFG gefördertes Langzeitprojekt, mit dem die frühkeltische Burganlage und die Bestattungsplätze erforscht werden sollen.

Die Denkmäler und Fundstätten verteilen sich – das ist eine große Chance – über alle Landesteile. Sie sind natürlich auch ein wichtiger Bestandteil der regionalen Stärke unseres Lan des.

Ich meine, das ist eine Chance. Das Profil unseres Landes Ba den-Württemberg bundesweit und auch darüber hinaus sollte sich nicht nur auf unsere wirtschaftliche Stärke beschränken. Vielmehr müssen wir bei unserer Vermarktung und bei unse rer Außenwirkung noch größeren Wert auf diese herausragen den Kulturdenkmäler und das archäologische Erbe legen.

Wir meinen, es bedarf einer zentralen Gesamtkonzeption, um diese archäologischen Zeugnisse der baden-württembergi schen Geschichte entschiedener zu bewerben und in Deutsch land und weltweit bekannt zu machen.

Außerdem ist es aus unserer Sicht wichtig, dass die Fundstü cke dezentral präsentiert werden, dass sie dort gezeigt wer den, wo sie auch gefunden worden sind. Wir sind nicht mehr bei Hofe, wo alles zentral in Stuttgart oder in Karlsruhe ge zeigt werden muss.

(Zuruf: Oder Ulm!)

Ich möchte beispielhaft die dezentrale Präsentation der ältes ten Kunst- und Musikinstrumente der Menschheit nennen. Hierzu hat die Regierung die Grundsatzentscheidung getrof fen, dass diese Artefakte vor Ort gezeigt werden. Viele dieser Artefakte werden derzeit im Land gezeigt, konkret zwei im Archäopark in Niederstotzingen sowie einige im neu eröffne ten Urgeschichtlichen Museum in Blaubeuren und natürlich auch einige im Ulmer Museum, wo mit dem „Löwenmen schen“ auch das mit 40 000 Jahren älteste bekannte Kunst werk zu sehen ist.

Die dezentrale Struktur ist wichtig. Mit Unterstützung der Landesregierung und der Baden-Württemberg Stiftung arbei tet man dort an einer gemeinsamen Vermarktungsstrategie der Fundorte und der Museen. Man ist guter Hoffnung, dass die Höhlen der Schwäbischen Alb im Lone- und im Achtal bald auch in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenom men werden.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um das Ganze in einen größeren Zusammenhang zu stellen. Der Donauraum und kon kret Baden-Württemberg kann mit diesen Fundorten der äl testen Kunstwerke überhaupt sehr selbstbewusst darstellen, dass der Ursprung der Kultur in unserer Region zu verorten ist. In den Höhlen der Schwäbischen Alb im heutigen BadenWürttemberg haben sich vor 40 000 Jahren zum ersten Mal Menschen damit beschäftigt, Kunst und Musik zu machen. Sie haben sich nicht mehr allein damit beschäftigt, zu jagen und für ihr Überleben zu sorgen, sondern sie haben sich mit schönen Dingen beschäftigt. Ich behaupte einmal, dass durch diesen Sprung, durch diese Erkenntnis der Mensch erst zum Menschen geworden ist.

Ferner möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass sich die Fundorte entlang der Donau hinziehen. Dies kann – um diesen Zusammenhang hier auch noch einmal zu nennen – na türlich auch eine identitätsstiftende Botschaft für den Donau raum an sich sein. Ich nenne z. B. die in Ulm ansässige Euro päische Donau-Akademie, die, von der Baden-Württemberg Stiftung unterstützt, eine Wanderausstellung entlang der Do nau kreiert hat, die darauf hinweisen soll, dass vor etwa 40 000 Jahren die Wanderungsbewegung des Menschen über den Do nauraum, über Baden-Württemberg nach Mitteleuropa statt gefunden hat. Dabei sind die Neandertaler vom heutigen mo

dernen Menschen verdrängt worden. Ich denke, das ist eine interessante und vermarktungsfähige Botschaft.

Was bleibt als Fazit? Meine Damen und Herren, es ist einiges auf den Weg gebracht worden. Das Bergen von Kunstwerken und die Arbeit der Wissenschaftler funktionieren wunderbar. Da gibt es keine Klagen. Wir müssen uns aber überlegen, auf welche Art und Weise wir diese Erkenntnisse, diese Fundstät ten und diese Orte bundesweit und auch international stärker vermarkten können. Ich denke, das ist eine Aufgabe der nächs ten Jahre.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Für die CDU-Fraktion darf ich Herrn Abg. Herrmann das Wort erteilen.

Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Baden-Württemberg ist sehr reich an archäologischen Denkmalen, wie die Stellungnahme zu dem vorliegenden Antrag ergibt. Wir haben in Baden-Württemberg nicht nur eine hohe Dichte an vorgeschichtlichen, archäolo gischen Denkmalen, sondern wir haben auch in qualitativer Hinsicht Denkmale, die beispielhaft sind.

Das liegt zum Teil daran, dass sich unser Landstrich von an deren Landstrichen unterscheidet. Die Schwäbische Alb ist nun einmal ein Gebiet, in dem es sehr viele Denkmale aus vor geschichtlicher Zeit gibt.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Auch landschaft lich sehr reizvoll! – Gegenruf des Abg. Peter Hofe lich SPD: Unbedingt!)

Aber auch in der Fläche gibt es auf Ackerböden, auf Wiesen Funde von archäologischem Wert. Hier möchte ich namens der CDU-Fraktion insbesondere den vielen Tausend ehren amtlichen Helferinnen und Helfern danken,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl!)

die sich um dieses archäologische Erbe kümmern.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen, der SPD und der FDP/DVP)

Was von ihnen dabei geleistet wird, ist mit Geld nicht aufzu wiegen. Da kommt es nicht darauf an, ob man ein paar Hun derttausend Euro mehr oder weniger hat, sondern dass man – wie das auch die Regierung tut; das will ich ausdrücklich un terstreichen – diese Leute wertschätzt und weiterhin unter stützt.

(Beifall der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Herr Staatssekretär Rust, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie sich ganz besonders stark um diesen Bereich kümmern, der im Rahmen der Gesamtaufgaben eines Landes eigentlich eher ein Nischenbereich ist. Aber ich höre aus dem Bereich der Ar chäologie immer wieder, dass Sie sich sehr stark um diese Dinge kümmern und auch Vor-Ort-Termine wahrnehmen. Das möchte ich ausdrücklich lobend erwähnen.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen, der SPD und der FDP/DVP)

Es ist auch richtig und gut, dass die in den letzten Jahrzehn ten schon sehr gute Öffentlichkeitsarbeit über die Vor- und Frühgeschichte fortgesetzt wird. Das geschieht durch Fach publikationen, die nur ein Fachpublikum ansprechen, aber auch durch Bücher, Veröffentlichungen und Flyer, wie man heute auf Neudeutsch sagt, also Handzettel, in denen für eine breite Öffentlichkeit Erkenntnisse dargelegt werden. Auch bei Ausstellungen darf man den Wert dessen nicht unterschätzen, wie Dinge in die Bevölkerung multipliziert werden.

Ich erinnere mich noch gut, als vor 35, 40 Jahren in Eberdin gen-Hochdorf das Grab eines Keltenfürsten entdeckt wurde. Einige Jahre später fand hier in diesem Gebäude die erste gro ße Keltenausstellung statt. Eine breite Öffentlichkeit hat sich dann erstmals intensiver mit der Geschichte der Kelten be fasst. Man kannte sie vorher nur durch Asterix und Obelix, aber das ist ja nur ein kleiner Teil dieser Geschichte. Dass die se Öffentlichkeitsarbeit durch Ausstellungen, Bücher, Fach publikationen und anderes fortgesetzt wird, halten wir für richtig, sinnvoll und weiterhin unterstützenswert.

Zur Heuneburg – das wurde von Herrn Kollegen Rivoir an gesprochen – hat man jetzt eine Lösung, ein Trägerkonzept gefunden, um diesen bedeutendsten keltischen Fürstensitz nördlich der Alpen auch auf Dauer entsprechend zu präsen tieren. Es ist auch erfreulich, dass sich die Deutsche For schungsgemeinschaft an einem Langfristprojekt beteiligt, dass hier weitere Grabungen stattfinden können und weitere Er kenntnisse für die Öffentlichkeit gewonnen werden können.

Abschließend möchte ich auch der Gesellschaft für Archäo logie in Württemberg und Hohenzollern

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

sowie dem Förderkreis Archäologie in Baden danken. Dort tragen viele Mitglieder durch ihre Mitgliedsbeiträge dazu bei, den Bereich der Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württem berg weiter zu unterstützen und zu fördern.

Herr Staatssekretär Rust, Sie sind hier insgesamt auf einem Weg, das in den vergangenen Jahrzehnten Entstandene und Begonnene fortzuführen. Unsere Unterstützung haben Sie da bei.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der FDP/DVP)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Herrn Abg. Kern das Wort.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ich dachte, du bist Musiker!)

Frau Präsidentin, meine Da men und Herren! Baden-Württemberg ist in vielerlei Hinsicht einzigartig.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo! – Zuruf: Sehr gut!)

Einmalig – darauf gehen wir heute ein – ist u. a. die reiche Ausstattung mit Kulturdenkmalen, egal, ob sie sichtbar sind als erhaltens- und schützenswerte Baudenkmale, als die Sin

ne anregende oder auch Macht ausdrückende wertvolle Kunst denkmale, oder ob sie sich unsichtbar im Boden befinden.

Gerade die archäologische Denkmalpflege eröffnet einen kon kreten Zugang zu unserer Geschichte. Sie hebt Schätze, die einen wichtigen Teil des kulturellen Gedächtnisses ausma chen. Wir müssen und werden alles dafür tun, sie für die kom menden Generationen zu erhalten.

Die öffentliche Förderung der Archäologie ist in den vergan genen Jahren kontinuierlich gestiegen. Diese Entwicklung spricht für sich. Die Landesregierung, allen voran Staatsse kretär Ingo Rust, weiß sehr wohl um die Bedeutung, die Ba den-Württemberg auf diesem Gebiet hat. Nicht nur, was die Dichte und die Anzahl archäologischer Fundstätten und Denk male angeht, sondern auch in qualitativer Hinsicht setzt die ses kulturelle Erbe Maßstäbe in Deutschland, ja in Mitteleu ropa.

Erwähnt seien an dieser Stelle nur kursorisch die altsteinzeit lichen Höhlen auf der Schwäbischen Alb, die Pfahlbauten aus der Jungsteinzeit und der Bronzezeit oder die frühkeltischen Fürstensitze und Fürstengräber, von denen auch schon gespro chen wurde.

Leider stehen diese historischen Bodenschätze häufig Bau- und Infrastrukturmaßnahmen sprichwörtlich im Weg. Hier gilt es, schnell und dennoch nachhaltig Lösungen zu finden, die sowohl den Bauherren als auch dem in der UN-Charta festge haltenen gesellschaftlichen Anspruch auf Erhalt des kulturel len Erbes gerecht werden.

Im Bodendenkmalschutz haben sich regionale Schwerpunkte vor allem dort herausgebildet, wo entsprechende Rettungsar beiten im Zuge von Baumaßnahmen regelmäßig erforderlich sind, z. B. entlang von Bahn- und Autobahnlinien. Für große Rettungsarbeiten werden zwischen den Denkmalfachbehör den und den Bauherren öffentlich-rechtliche Verträge ge schlossen. Darin wird nicht nur die Kostenbeteiligung beider Seiten verbindlich vereinbart, sondern es wird auch geklärt, in welchem Zeithorizont die Ausgrabungen stattfinden sollen. Dies hilft beiden Seiten und zeigt, dass die Landesregierung mit dem kulturellen Erbe dieses Landes verantwortungsvoll umgeht, ohne die Interessen der Betroffenen aus dem Auge zu verlieren.

Archäologische Denkmale erscheinen im Gegensatz zu Bau denkmalen zunächst häufig unsichtbar. Ihre kulturgeschicht liche Bedeutung erschließt sich nicht unmittelbar. Deshalb ist es unerlässlich, dass wir diese Funde in Ausstellungen und Pu blikationen der breiten Öffentlichkeit im gesamten Land zu gänglich machen.

Regelmäßig werden außerdem in Baden-Württemberg Große Landesausstellungen zu wichtigen archäologischen Epochen veranstaltet. Noch lange begleiten wird uns beispielsweise auch das auf zwölf Jahre angelegte Langzeitprojekt an der Heuneburg, das die Deutsche Forschungsgemeinschaft auf Antrag des Landesdenkmalamts mit insgesamt 4 Millionen € fördern wird.

Doch es gibt nicht nur solche epochalen Funde wie die oben erwähnten. So wurden vor nicht allzu langer Zeit in der Ge meinde Reilingen in meinem Wahlkreis Reste einer mittelal

terlichen Burg gefunden. Von der ehemaligen Burg Wersau kann man heute nichts mehr sehen, denn sie wurde bereits im späten 18. Jahrhundert vollständig abgetragen. Dennoch fand sich eine Gruppe interessierter Bürgerinnen und Bürger, die damit begannen, zusammenzutragen, was von der Burg noch auffindbar war.

Im Jahr 2012 fand als Beispiel für eine hervorragende Zusam menarbeit zwischen Behörden, wissenschaftlichen Einrich tungen und Ehrenamtlichen während der Sommersaison eine Grabung des Instituts für Vor- und Frühgeschichte der Uni versität Heidelberg auf dem Burggelände statt. Bei dieser Gra bung traten nicht, wie erwartet, die Mauern der alten Kern burg zutage, sondern weitere Spuren aus noch früherer Zeit. Unter der Grasnarbe warten also die Hinterlassenschaften aus mehreren Jahrtausenden, die unberührt im Dornröschenschlaf liegen.