Protocol of the Session on October 11, 2006

(Heiterkeit bei der SPD)

Es besteht Einigkeit darüber, dass im internationalen Standortwettbewerb die nominal hohen Körperschaftsteuersätze in Deutschland Schwierigkeiten auslösen. Gleichzeitig kam

auch der Sachverständigenrat im April 2006 zu folgendem bemerkenswerten Ergebnis:

Festzuhalten ist, dass deutsche mittelständisch strukturierte Unternehmen mit Blick auf die Steuerbelastung der hierfür relevanten Gesamtebene im internationalen Vergleich bereits nach geltendem Recht eine Mittelposition einnehmen.

Das heißt im Klartext: Die nominale Steuerbelastung ist wesentlich höher als derjenige Anteil, der dann tatsächlich bezahlt wird. Beispielsweise hat die Allianz im Jahr 2005 effektiv weniger als 20 % Gewinnsteuern gezahlt.

Es geht also darum, die Spannung zwischen nominalen, auf dem Papier stehenden Steuersätzen und real gezahlten Steuersätzen aufzuheben, indem man nominal absenkt, gleichzeitig aber die Bemessungsgrundlage verbreitert und damit die Haushalte der staatlichen Ebenen in die Lage versetzt, diese Unternehmensteuerreform überhaupt zu verkraften.

Klar ist – und deshalb hat sich die Große Koalition in Berlin auch darauf geeinigt –, dass die Nettoentlastung nicht über 5 Milliarden € betragen darf und dass Gegenfinanzierungsmaßnahmen sowohl auf der Körperschaftsteuerebene wie auf der Gewerbesteuerebene erfolgen müssen.

Ich weise darauf hin, dass es eine Einigung mit drei Elementen gibt, die wir begrüßen. Erstens wollen wir auf der Ebene der Körperschaftsteuer die Gesellschafterfremdfinanzierung stärker anpacken. Zweitens wollen wir auf der Ebene der Kommunalfinanzen eine Grundsteuer C mit zusätzlichem Hebesatzrecht für die Kommunen einführen – sehr attraktiv. Drittens wollen wir die Gewerbesteuer oder die neue kommunale Unternehmensteuer verstetigen. Das heißt, es gibt eine Fortentwicklung der Gewerbesteuer, was wir für die kommunalen Haushalte für besonders wichtig erachten.

In diesem Punkt will ich auch einmal darauf hinweisen, dass es nicht angehen kann, dass Herr Oettinger beim BDI immer für die Abschaffung der Gewerbesteuer plädiert, aber bei den kommunalen Landesverbänden immer sagt, damit habe er es nicht so eilig, denn er wisse nicht, was nachkommt.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Oswald Metzger GRÜNE)

Da muss man sich schon irgendwann entscheiden. Die Entscheidung wird in Berlin getroffen, und ich nehme an, dass die Landesregierung diese Entscheidung mittragen wird.

Das Letzte, was ich noch sagen kann, ist: Forderungen, wie sie ebenfalls von Herrn Oettinger erhoben, aber dankenswerterweise von der CDU-Fraktion nicht aufgegriffen worden sind, dass die Nettoentlastung noch höher sein soll, nämlich mindestens 8 Milliarden €, kann ich nicht nachvollziehen. Eine Nettoentlastung um 8 Milliarden € würde bedeuten, dass wir zusätzliche Einnahmeausfälle allein für den Landeshaushalt in Höhe von 200 Millionen € zu gewärtigen hätten. Dagegen ist das, was wir für Salem diskutieren, ein Nasenwasser – nur damit man sich die Dimension einmal richtig vor Augen führt.

Ich vermisse bei der Diskussion klare Stellungnahmen der CDU zu diesen Punkten, bei denen Herr Oettinger sehr machtvoll meint, er müsse aus der Spur laufen, während in Berlin die Verhandlungen eigentlich auf bestem Wege sind. Wie gesagt, die Einigung steht kurz bevor.

Ich bin auch sicher, dass wir bei der Erbschaftsteuer eine angemessene Lösung finden. Es gibt keine empirische Evidenz in Deutschland, wonach die Erbschaftsteuer Unternehmen massiv in den Konkurs stürzen würde.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Aber natür- lich! Wo leben Sie denn, wenn Sie das nicht wis- sen?)

Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir dies sehr sachlich beleuchten. Wir überlegen, ob wir über Stundungsmöglichkeiten oder Ausnahmemöglichkeiten im Falle des Betriebsübergangs Lösungen finden. Aber man sollte auch nicht den Teufel an die Wand malen. Auch da weise ich darauf hin, dass man sich darauf verständigt hat, erst einmal das Urteil des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten, weil wir schon jetzt eine beträchtliche Privilegierung betrieblicher Erbübergänge haben, und diese muss erst einmal vom Bundesverfassungsgericht bestätigt werden.

Ich halte das für richtig, und ich halte es auch für richtig, darauf zu achten, dass dies für die mittelständisch strukturierten Unternehmen in Deutschland aufrechterhalten bleibt. Aber schon bisher sind die Möglichkeiten gerade für die kleinen und mittleren Unternehmen bei der Erbschaftsteuer sehr groß. Deshalb denke ich, wir sollten da konsensual weiterarbeiten. Die Große Koalition ist auf dem richtigen Weg. Ich freue mich auf die Unterstützung der Landesregierung aus Baden-Württemberg.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Metzger.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn jetzt hier angedeutet wird, quasi am Horizont zeichne sich ab, dass die Große Koalition in Bezug auf die Unternehmensteuerreform auf dem richtigen Weg wäre, dann sage ich an die Adresse der SPD: Lesen Sie bitte die heutige Zeitung. Die SPD-Finanzexperten in Berlin propagieren heute in der „Financial Times Deutschland“, dass die Unternehmensteuerreform keineswegs in trockenen Tüchern ist und beispielsweise bis heute kein Konsens in der Frage gefunden wurde, wie man mit der stärkeren ertragsunabhängigen Komponente bei Gewerbesteuer und Körperschaftsteuer umgeht. Nächsten Montag findet eine Spitzenrunde von Steinbrück und Koch statt, von der jetzt schon behauptet wird, dass sie voraussichtlich keine Lösung finden wird. Insofern haben Sie auch auf dieser Baustelle das Szenario, das wir – auch die breite Öffentlichkeit – inzwischen kennen: Die können es nicht. Das wurde uns – Rot-Grün – früher immer entgegengehalten, aber Sie haben als Große Koalition auf Bundesebene in einem Jahr schon so viel Vertrauen verspielt, dass die Bevölkerung heute ihr Urteil in demoskopischen Umfragen deutlich von sich gibt.

(Vereinzelt Beifall bei den Grünen)

Man kann ruhig klatschen.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Sollen wir mitklatschen? – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Müder Beifall!)

Zur Sache: Kollege Herrmann hat als finanzpolitischer Sprecher der CDU zu Recht darauf hingewiesen, dass die nominalen Körperschaftsteuersätze in Deutschland europaweit in der Spitzengruppe liegen. Gleichzeitig – Herr Schmid, da haben Sie recht – ist die tatsächliche Steuerbelastung entsprechend niedriger. Beim Steuerrecht ist immer entscheidend, was hinten rauskommt. Da sind also die Abschreibungsmöglichkeiten und die Steuergestaltungsmöglichkeiten von Bedeutung, und da sind andere Länder teilweise schlechter. Trotzdem stelle ich als Oberschwabe die Vorarlberger Misere fest: Vorarlberg, das mit den niedrigen österreichischen Nominalsteuersätzen wirbt – 25 % Körperschaftsteuersatz plus 3 % Lohnsummensteuer, also 28 % Ertragsteuerbelastung –, wirbt unsere ertragsstarken Mittelständler aus Südwürttemberg ab.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Eben!)

Die Schweizer tun das Gleiche mit südbadischen Firmen.

Herr Schmid, die Tatsache, dass uns Steuereinnahmen entgehen, weil wir hier ein falsches Steuerrecht haben, plagt auch den Finanzminister, die plagt alle Finanzpolitiker. Da müssen wir in der Tat etwas tun.

(Zurufe der Abg. Dr. Nils Schmid SPD und Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Eine intelligente Gestaltung setzt natürlich voraus, dass man Mittelstandskomponenten aus der Sicht der Praxis betrachtet. Betrachten Sie einmal die Fremdfinanzierungsanteile auch von Mittelständlern. Wenn man jetzt ertragsunabhängige Elemente stärker besteuern würde – das will die SPD; zunächst wollte man eine Besteuerung von 50 %, dann hat man sich auf den Satz von 25 % geeinigt –, ist das natürlich eine Achillesferse für Mittelständler, die investieren. Denn diese werden, wenn ertragsunabhängige Elemente bei der Unternehmensteuer stärker verankert werden, den Teufel tun, weiter zu investieren, weil sie sagen: Dann werde ich im Zweifelsfall in schlechten Ertragszeiten substanzbesteuert, und dann lohnt sich Investition weder in Baden-Württemberg noch in Deutschland insgesamt.

Da muss man also höllisch aufpassen und darf auf der anderen Seite auch nicht einfach den Eindruck erwecken, man wäre kommunalfreundlich, weil man den Kommunen permanent in Sonntagsreden verspricht – das geht übrigens durch alle Parteien –, die Einnahmen der Gemeinden verstetigen zu wollen. Eine Lösung, die zulasten des Mittelstands geht, nützt den Gemeinden überhaupt nichts,

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Bärendienst!)

weil dann nämlich Betriebe hier von der Bildfläche verschwinden werden.

Die Lösung liegt in einem Spannungsfeld, das politisch auch in meiner Partei und Fraktion nicht entschieden ist,

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Da unterscheiden wir uns: Bei uns ist es entschieden! – Vereinzelt Heiterkeit)

nämlich in der Frage: Welche steuertechnische Möglichkeit haben wir, um die Gemeinden tatsächlich mit einer eigenen Einnahmequelle auszustatten, die aber eine Abkehr von der heutigen Gewerbeertragsteuer darstellt? Ich glaube, steuersystematisch und praktisch hat die Gewerbeertragsteuer der alten Form keine Zukunft. Wenn wir hier eine Lösung anstreben würden, wie sie sich jetzt bei der Großen Koalition in Berlin am Horizont abzeichnet, dann führte das zu einer Verankerung der Gewerbeertragsteuer in der heutigen schlechten Form auf ewige Zeiten im Gesetzblatt. Mir wäre lieber – das sage ich offen –, wenn man in Richtung des Viersäulenmodells der Stiftung Marktwirtschaft marschieren könnte:

(Zuruf des Abg. Dr. Nils Schmid SPD)

Grundsteuer – Grundsteuer C; das wurde angesprochen; da hätte man einen Berührungspunkt –, eine Bürgersteuer für alle Bürger als Zuschlag der Gemeinden auf die Einkommensteuer, eine Unternehmensteuer von 6 bis 8 % auf die Körperschaftsteuer und eine Lohnsummensteuer, die Arbeitsplätze vor Ort auch in das Interesse der Gemeinden stellt.

(Zuruf des Abg. Dr. Nils Schmid SPD)

Mit einem solchen Vorschlag hätten wir eine Lösung, die tatsächlich die Ertragskraft der Gemeinden gewährleistet und diese einbettet in ein Steuerkonzept, das tauglich ist.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Ist das Ihre Meinung oder die Meinung der Grünen, Herr Metzger?)

Bei uns wird das offen diskutiert, auch in der baden-württembergischen Landtagsfraktion. Man hat immer den Vorteil, lieber Kollege: Wenn man in der Meinungsbildung in der Fraktion noch nicht festgelegt ist, kann man freier denken, als wenn die Meinung schon festgelegt ist. Wir haben das in der Fraktionssitzung auch offen besprochen. Insofern biete ich Ihnen hier keine One-Man-Show, sondern ich will die Bandbreite schildern, in der wir stehen.

Das Problem des gesamten Steueraufkommens aus dem Unternehmenssektor in Deutschland ist doch Folgendes: Wir haben nicht nur die Steuerfront, sondern auch die Regulierungsdichte am Arbeitsmarkt. Wir haben eine Überbürokratie in vielen Bereichen. All dies zusammen führt dazu, dass immer mehr Unternehmerinnen und Unternehmer über den niedrigsten Zaun springen und die Steuergestaltungsmöglichkeiten in einem großen Ausmaß nutzen, wozu die hohen Steuersätze veranlassen. Dieser Hintergrund macht das ganze Dilemma deutlich.

Ich kann nur hoffen – dazu sage ich in der zweiten Runde etwas –, dass bei der Erbschaftsteuerreform die Ministerpräsidenten der Länder – im Bundesrat hat die Union die Mehrheit – nicht bremsen und auf das Verfassungsgericht warten wollen. Finanzminister Steinbrück dagegen hat am 26. September in Berlin vor dem BDI versprochen, die Reform zum 1. Januar nächsten Jahres ins Gesetzblatt zu brin

gen. Auch da wird wieder deutlich: Große Koalition – große Gegensätze. Ausbaden dürfen es auch in diesem Fall die Mittelständler.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Rülke.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst darf ich für die FDP/DVP-Fraktion sagen, dass wir unserem geschätzten Koalitionspartner dankbar dafür sind, dass er dieses Thema auf die Tagesordnung gesetzt hat. Zum einen bietet es die Gelegenheit, deutlich zu machen, was die Interessen der baden-württembergischen Wirtschaft, insbesondere des baden-württembergischen Mittelstands, sind. Zum anderen dient es vielleicht innerhalb der großen Volkspartei CDU zur Klärung der Meinungsbildung. Denn es gibt innerhalb der Union Leute, die sagen, niedrige Steuern seien eine Lebenslüge.

Wir sind dankbar dafür, dass die baden-württembergische Union nicht dieser Meinung ist, sondern die generelle Zielrichtung dieser Steuerreform begrüßt. Das gilt auch für uns. Die generelle Zielrichtung muss nämlich heißen: niedrigere Steuern. Das beweisen die Erfolge aller so organisierten Volkswirtschaften in Europa und darüber hinaus, und das ist auch die Meinung der überwiegenden Mehrheit der Experten. Diese Zielrichtung ist auch für die baden-württembergische Wirtschaft die richtige.

Warum ist die Zielrichtung positiv? Zum einen ist die Senkung der Körperschaftsteuer bei GmbHs und Aktiengesellschaften sicherlich der richtige Weg. Auch sind wir dankbar dafür, dass die Ausgestaltung der Abgeltungssteuer mittelstandsfreundlich ausfallen wird, sodass der Mittelstand, der oftmals auf Fremdfinanzierung angewiesen ist, in dieser Hinsicht eine deutliche Fortentwicklung feststellen kann. Wir sind auch dankbar, dass mittel- und langfristig der Weg eingeschlagen wird, die Gewerbesteuer zu einer kommunalen Unternehmensteuer weiterzuentwickeln. Das ist eine schon seit vielen Jahren bestehende Forderung der FDP/DVP.