Protocol of the Session on December 9, 2009

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 80. Sitzung des 14. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie. Ich darf Sie bitten, die Plätze einzunehmen und die Gespräche einzustellen.

Krankgemeldet sind heute Frau Abg. Dr. Unold sowie die Herren Abg. Ernst und Schwehr.

Aus dienstlichen Gründen haben sich Herr Minister Professor Dr. Reinhart und ab heute Nachmittag Herr Minister Rau entschuldigt.

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Steigende Lebenserwartung in BadenWürttemberg – Chance für Generationen – beantragt von der Fraktion der CDU

Es gelten die üblichen Redezeiten: fünf Minuten für die einleitenden Erklärungen und fünf Minuten für die Redner in der zweiten Runde.

Das Wort erteile ich zunächst Herrn Abg. Raab.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Her ren! Kaum ein Tag vergeht, an dem keine neuen Informationen, Schlagzeilen oder Nachrichten veröffentlicht werden, die unser Land im Vergleich zu anderen Ländern in Deutschland in bestem Licht darstellen. Wirtschaftsdaten, Arbeitslosenzahlen, Statistiken und die Lebenserwartung von Neugeborenen sowie Zahlen über die Bevölkerungsentwicklung sprechen eine eigene Sprache.

Das alles wird draußen gehört. So mancher macht seine persönliche Entscheidung, wo in Deutschland er leben möchte, an diesen Zahlen fest. Ein Beweis hierfür sind die Wanderungsgewinne der vergangenen 19 Jahre: 936 200 Menschen mehr sind nach Baden-Württemberg gekommen, als weggezogen sind. Das ist eine Abstimmung mit den Füßen und gleichzeitig eine Anerkennung der Leistungen der Menschen in diesem Land, eine Anerkennung der Leistungen der Wirtschaft, des Mittelstands, der Selbstständigen, der Ehrenamtsstruktur und der sozialen Träger. Das ist außerdem eine Anerkennung unserer erfolgreichen Regierungspolitik.

(Unruhe)

Der objektive Betrachter verliert dabei nicht die Zahl der Auswanderer aus dem Auge. Bevorzugte Auswanderungsziele waren die Nachbarländer Schweiz, Österreich und Frankreich.

Allein ein Drittel der Auswanderer sind in diese Länder gegangen. Dennoch sind die Zahlen allein nicht aussagekräftig. Nehmen wir den Mitarbeiter einer Firma, der für die Dauer von zwei, drei Jahren in eine Zweigniederlassung ins Ausland geht. Dieser wird als Auswanderer erfasst, obwohl er mit Sicherheit wieder nach Baden-Württemberg zurückkommen wird. Gleiches gilt für junge Akademiker, die für eine begrenzte Zeit ins Ausland gehen, um Erfahrungen zu sammeln.

Als badischer Abgeordneter, dessen Wahlkreis in der PAMINARegion liegt,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Hoi! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Das hätten wir nicht ge- dacht!)

kann ich aus eigener Anschauung feststellen, dass auch einige Auswanderer, die in das Elsass gegangen waren, wieder zurückgekommen sind. Als Gründe werden oftmals die medizinische Versorgung, die kommunale Infrastruktur und die hohe Qualität und Vielfalt der Angebote – vor allem für ältere Menschen – in Baden-Württemberg genannt.

Das Statistische Landesamt stellt zweifelsfrei fest, dass Baden-Württemberg und Bayern seit der Wiedervereinigung Deutschlands mit einem Plus von 9,4 % den höchsten Bevölkerungszuwachs in Deutschland erzielt haben. Einbußen hatten nicht nur die östlichen Bundesländer. Auch Berlin und Bremen sind – abgesehen von Sachsen-Anhalt mit den höchs ten Verlusten – „Verlustregionen“.

Eines ist klar: Die acht Bundesländer, deren Bevölkerungszahl früher und stärker abnimmt, werden in eine sich selbst verstärkende Abwärtsspirale kommen. Im Norden und Osten werden nicht nur Plattenbauten abgerissen. Die verbleibenden Menschen werden die nötige Infrastruktur der kommunalen Daseinsvorsorge nur schwer finanzieren können. Die Fixkos ten müssen von einer immer weiter abnehmenden „Kunden“Zahl bezahlt werden.

Was ist es also, was die Chancen der Generationen in BadenWürttemberg so positiv gestaltet?

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Unsere Politik!)

Es sind viele Faktoren: das „Kinderland“, die enge Zusammenarbeit der Kommunen mit dem Land, die Leistungen der gesellschaftlichen Träger einer Vielzahl von Einrichtungen – der Träger der freien Wohlfahrtspflege, der Kirchen mit ihrer Trägerschaft der Daseinsvorsorge, vor allem in der Kinderbetreuung – sowie das am stärksten ausgeprägte freiwillige bür

gerschaftliche Engagement im Ehrenamt – um nur wenige zu nennen.

Es liegt sicherlich auch am hervorragenden und bundesweit herausragenden Angebot an Studienplätzen an den Universitäten, Fachhochschulen und Berufsakademien,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Können wir jetzt ein- mal über das Älterwerden reden? – Abg. Ursula Hauß mann SPD: Thema Demografie!)

dass viele junge Menschen zu uns kommen. Auch die engen Kooperationen der Wirtschaft mit den Universitäten und Hoch schulen sowie die große Dichte an Fraunhofer-, Max-Planck- und Helmholtz-Instituten tun ihr Übriges.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Soll das eine Regierungs- erklärung werden? – Abg. Claus Schmiedel SPD: Die ersten fünf Minuten sind bald herum, und wir haben noch nichts gehört! – Gegenruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Dann müssen Sie zuhören, Herr Schmiedel!)

Entschuldigen Sie, dann hören Sie bitte zu.

Bis zu acht Bewerbungen um einen Studienplatz sind keine Seltenheit.

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Dies gilt nicht nur für die Eliteuniversitäten. Wer seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt von vornherein verbessern will, der bemüht sich um einen Studienplatz in Baden-Württemberg. Die Konkurrenz um die besten Köpfe ist in vollem Gang. Wer sie gewinnt, hat einen wichtigen Schritt zur Verbesserung der demografischen Entwicklung getan. Nicht umsonst legen die Universitäts- und die Hochschulstädte bei ihrer Einwohnerzahl zu.

Meine Damen und Herren, ich werde nachher im zweiten Teil meiner Rede noch auf weitere Punkte eingehen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Altpeter.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Aber jetzt, Katrin, et- was zur Sache!)

Herr Präsident, liebe Kollegin nen, liebe Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Erfreulicherweise haben wir in Baden-Württemberg die jüngs te Bevölkerung und die höchste Lebenserwartung.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Jawohl! – Abg. Elke Brunnemer CDU: Hört, hört!)

Nirgendwo anders werden die Menschen so alt wie in unserem Land. Das mag vielerlei Gründe haben.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Gute Politik!)

Aber sicher nicht der Grund für das Älterwerden in unserem Land ist die Politik der Landesregierung,

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Claus Schmiedel SPD: Sehr richtig! Klare Worte zu Beginn! – Abg. Dieter Hillebrand CDU: Falsch, falsch!)

wenn es um die Gestaltung des demografischen Wandels geht. Wir konnten heute früh in den Zeitungen lesen, dass der demografische Wandel einen größeren Stellenwert im Land einnehmen müsse. Wir konnten sogar lesen, dass es zukünftig ein Ministerium für Demografie geben solle.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Oje! – Abg. Marianne Wonnay SPD: Das wird es nicht machen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, da muss man sich dann schon die Frage stellen: Was will eigentlich Demografie? Was macht Demografie? Demografie ist nichts anderes als die Beschreibung einer voraussichtlichen Bevölkerungsentwicklung. Der Teil, der sich anschließt – das wurde wohlweislich auch heute Morgen in den Zeitungen vergessen –, ist die Frage: Wie gestalten wir den demografischen Wandel?

(Abg. Marianne Wonnay SPD: Das ist das Entschei- dende! Genau!)

Wie gehen wir damit um, dass auch in Baden-Württemberg die Kinderzahlen abnehmen und die Zahl derer, die alt und sehr alt werden, ansteigt?

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Ich möchte in Erinnerung rufen, dass die Debatte heißt: „Steigende Lebenserwartung in Baden-Württemberg – Chance für Generationen“. Wenn wir davon ausgehen, dass wir den demografischen Wandel gestalten müssen, dann haben wir zweierlei Aufgaben an beiden Enden des Lebens: Einerseits gilt es, für unsere Kinder – deren Zahl geringer wird – das Beste zu tun, sie frühzeitig zu bilden, ihnen Sprachmöglichkeiten zu geben, ihnen Orientierung zu geben und ihnen die bestmögliche Bildung zukommen zu lassen.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE)

Bildung ist das einzige Gut, das wir haben, das wir in die Köpfe unserer Kinder pflanzen können. Deswegen halte ich es eigentlich beinahe für einen Affront, angesichts dessen, was in der letzten Zeit an politischen Entscheidungen getroffen wurde, zu sagen: Wir haben das wunderbare „Kinderland“.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Brigitte Lösch und Bärbl Mielich GRÜNE)