Protocol of the Session on July 8, 2009

Wir legen uns nicht auf eine Jahreszahl fest. Aber ein Regierungsprogramm trifft eine Gesamtaussage für die gesamte Legislaturperiode und damit auch für die Haushaltsjahre 2011, 2012, 2013 und 2014. Ich baue darauf, dass in dieser Zeit durch Wachstum auch Maßnahmen der Steuerabsenkung möglich, wirtschaftlich richtig und haushaltspolitisch sehr vertretbar sind.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Kollege Kretschmann sprach das Thema der Gastronomie an und hat die „Wielandshöhe“ erwähnt. Zunächst einmal: Die „Wielandshöhe“ ist ein guter Ort. Das wissen viele Grüne besser als viele andere.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Zurufe von den Grünen, u. a. Abg. Franz Un- tersteller: Besser als McDonald’s!)

Ich möchte behaupten, dass in der „Wielandshöhe“, was ich gar nicht kritisiere, mehr grüne Stammwähler und Mandatsträger sind und auch der Koch dort den Grünen durchaus nahesteht, weswegen die „Wielandshöhe“ meines Erachtens hier nicht so verächtlich genannt werden darf.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Aber um dieselbe geht es nicht primär. Es geht hier um ein Interesse, um einen besonderen Baden-Württemberg-Bezug. Dem Gastronomen in Brandenburg mögen die 19 % für seine Gaststätte eher egal sein. Unseren Gastronomen kann sie nicht egal sein, weil in den letzten Wochen eine Wettbewerbsverzerrung zulasten unserer Gastronomie erkennbar geworden ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Warum? Bis vor einigen Monaten galt, dass für die Gastronomie, für Essen und Trinken, europaweit der volle Mehrwertsteuersatz erhoben werden muss. Dann hat sich Herr Steinbrück auf Bitten von Frankreich damit einverstanden erklärt, dass durch eine Verordnung der Europäischen Union die Nationalstaaten nach unten abweichen dürfen. Ein ermäßigter Steuersatz wird jetzt erstmals möglich, und Nachbarländer machen davon Gebrauch. Sarkozy setzt das in diesen Tagen um und ermäßigt den Steuersatz für seine Gaststätten in Frank reich und auch im Elsass auf 5,5 %. Österreich zieht nach. Die Schweiz war und ist bei diesen Fragen schon immer frei.

Wenn Sie mich einmal fragen, wo ich Wachstumsbranchen in Baden-Württemberg sehe, in denen man eine eher sinkende Zahl an Arbeitsplätzen im Maschinenbau und im Fahrzeugbau ausgleichen kann, dann gehören für mich die Themen „Küche und Keller“, „Tourismus und Freizeit“, „Natur und Kultur“ in Baden-Württemberg zuallererst dazu.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Gestern Abend haben die Dienstleistungsverbände ein Sommerfest veranstaltet. Auch der DEHOGA war dabei. Da waren tolle Auszubildende aus Bad Überkingen, tolle Meisterköche, Mittelstand, Familienbetriebe in großer Zahl und hoher Qualität vertreten. Um die geht es mir. Die „Wielandshöhe“ kämpft sich allein durch. Aber der Gastronom in einem Seitental des Schwarzwalds sieht ganz genau, wie im Elsass derzeit eine Wettbewerbsbegünstigung durch einen ermäßig ten Steuersatz entsteht.

(Zurufe von der SPD – Gegenruf des Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU)

Der Gastronom am Bodensee sieht dies im Vergleich zu Vorarl berg und Tirol ebenso.

Nur deswegen plädieren wir dafür, nach der Bundestagswahl einen neuen Anlauf für einen ermäßigten Steuersatz in der Gastronomie zu unternehmen, um für die Gaststätten und das Beherbergungsgewerbe in Baden-Württemberg gleiche Wettbewerbschancen herzustellen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Ich glaube, dass dies ein typisches Interesse von Baden-Würt temberg ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Damit abschließend: Für uns behält die Haushaltspolitik Vorrang. Wir bauen darauf, dass neben der Haushaltspolitik und nach der Konsolidierung auch Steuersenkungen möglich sind – zuallererst für die Gaststätten, aber auch für die Bürger, bei denen die Gefahr besteht, dass sie mit Einkommensteuer und Lohnsteuer zu hoch besteuert werden.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Deswegen erscheint hier meines Erachtens eine Entlastung mittelfristig angezeigt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Nach § 82 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung erteile ich nun dem Vorsitzenden der Fraktion GRÜNE, Herrn Abg. Kretschmann, das Wort.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Jetzt können Sie zu- geben, dass Sie auf dem falschen Dampfer sind!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, zu Ihrer Rede kann ich nur sagen: Hast du ein politisches Problem, halte eine Vorlesung.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das kann aber auch nicht jeder! – Abg. Klaus Herrmann CDU: Der Inhalt ist wichtig, und der war sehr gut! – Weitere Zu- rufe von der CDU)

Der Kern, um den es geht, ist die Frage: Können wir in einer schweren Wirtschaftskrise zugleich auf die Nullneuverschuldung bzw. beim Bund auf eine extrem niedrige Neuverschuldung von maximal 4 bis 6 Milliarden € zusteuern, Investitionen tätigen und Steuern senken? Das ist die Quadratur des Kreises,

(Abg. Jörg Döpper CDU: Haben Sie gerade nicht zu- gehört?)

und einen Kreis kann man bekanntlich nicht quadrieren. Darum ist das, was Sie insgesamt vertreten, unglaubwürdig.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das ist die einfache und klare Zusammenfassung dessen, worum es hier geht.

Wenn man eine Reform zur Vereinfachung des Steuerrechts vornimmt, muss man eine Voransage machen: Will man diese Steuervereinfachung durchführen und zugleich Steuern senken bzw. Steuern erhöhen, oder will man eine aufkommensneutrale Reform? Das sind die entscheidenden Aussagen, um die es in der heutigen Debatte geht. Mit allem anderen redet man am Thema vorbei.

(Beifall bei den Grünen)

In einer solchen Situation kann man nicht – jedenfalls nicht glaubwürdig – eine allgemeine Vorlesung über die Steuerpolitik halten, ohne zu sagen, ob die Steuern erhöht oder gesenkt werden sollen oder ob sie gleich hoch bleiben sollen. Das gehört zur Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit. Andernfalls haben die Bürgerinnen und Bürger von Ihren Aussagen nichts.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Sie haben es selbst auf den Punkt gebracht: Bei einer schrumpfenden Wirtschaft, bei einem Wirtschaftsrückgang um schätzungsweise 6,5 % ist jedem klar: Selbst wenn wir nach der Krise wieder ein Wirtschaftswachstum haben, findet das von einem niedrigeren Plafond aus statt. Ich erinnere an die Ausführungen, die Sie vor Kurzem vor dem Finanzausschuss gemacht haben. Ich habe es in meinem ersten Beitrag schon erwähnt. Sie beschrieben, wie die sozialen Sicherungssysteme unter demografischen Druck kommen. Ich weise ganz aktuell

darauf hin, was es kosten wird, wenn die Arbeitslosenzahlen steigen. In dieser Situation Steuersenkungen zu versprechen, wie Sie, Herr Mappus, Sie, Herr Rülke, und die ganze CDUSpitze es tun,

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Und Sie mit Ihrem Grundeinkommen!)

ist nicht seriös. Ministerpräsident Oettinger rudert da irgendwie herum. Das geht nicht. Das ist keine glaubwürdige Politik.

(Beifall bei den Grünen)

Sicher gibt es bei der Mehrwertsteuer Reformbedarf, und man kann diese Steuer mit uns „flurbereinigen“, um die Widersprüchlichkeiten zu beseitigen. Aber das war gar nicht Ihr Motiv, Herr Ministerpräsident. Ihr Motiv war, dass Sie den fähnchenschwenkenden Wirten gefallen wollten. Das war der Grund.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Da hängen auch Arbeitsplätze mit dran! Das wissen Sie doch auch!)

Abgesehen davon ist es doch überhaupt höchst fragwürdig, Steueränderungen nur deshalb zu beschließen, weil es an der Grenze zu benachbarten Ländern zu Ungleichheiten kommt, die jedoch immer nur ganz wenige Leute betreffen. Daher ist auch die Begründung gar nicht glaubwürdig. Jeder weiß, dass das Essen im Elsass wesentlich teurer ist als bei uns.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Hat für Sie der Tourismus keine Bedeutung? – Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Jeder weiß, dass die Schweizer scharenweise in die grenznahen baden-württembergischen Kreise zum Essen kommen – und nicht umgekehrt die Baden-Württemberger in die Schweiz.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Thomas Blenke CDU: Wo gehen Sie denn im Elsass essen? – Abg. Stefan Mappus CDU: Was essen Sie denn da?)

Die Krise der Gastronomie – die wir gar nicht bezweifeln – hat mit diesen Fragen überhaupt nichts zu tun.

Wenn es um die Frage der Wettbewerbsgleichheit mit den Franzosen geht, dann erinnere ich einmal an Folgendes: Die Franzosen haben einen Mindestlohn. Die können nicht wie unsere Bauern relativ billig Saisonarbeiter einstellen, die müssen denen viel mehr zahlen. In jedem Frühjahr gibt es wieder Proteste der französischen Bauern. Deswegen haben die Menschen dort von vornherein höhere Lebensmittelpreise.

Wissen Sie, das ist ein weites Feld. Damit Ihren ganzen Wirrwarr zu begründen, den Sie in der Steuerpolitik angerichtet haben, ist schon ein bisschen dürftig, möchte ich einmal sagen. Das ist ein bisschen sehr dürftig.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)