Selbstverständlich haben wir nichts gegen die „Wielandshöhe“. Der ehemalige Außenminister Fischer hat letztens dort gespeist.
(Oh-Rufe von der CDU und der FDP/DVP – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Er genießt die Pension! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Ist noch et- was übrig geblieben? – Abg. Thomas Blenke CDU: Hat es gewirkt? Man könnte sagen, man sieht es! – Weitere Zurufe – Unruhe)
Das kann man wirklich nur begrüßen. Aber dafür, dass nun diejenigen, die sich das nicht leisten können, sondern die bei Lidl und Aldi Lebensmittel einkaufen müssen oder Bücher für ihre Kinder kaufen müssen, mit einem erhöhten Mehrwertsteuersatz für diese Produkte es mitfinanzieren und subventio nieren sollen, wenn der Außenminister in der „Wielandshöhe“ isst, gibt es allerdings keinen vernünftigen Grund.
(Beifall bei den Grünen – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Wollen Sie jetzt einen gesplitteten Mehrwert- steuersatz?)
Jetzt komme ich noch einmal auf den Kern Ihrer Argumentation, vor allem auch der Argumentation der FDP.
Das ist Ihr Lieblingsspruch. Wir wissen ja: Die drei wichtigsten Programmpunkte der FDP heißen deswegen: erstens Steuersenkung, zweitens Steuersenkung und drittens Steuersenkung. Aber die Krise, in der wir sind, hat damit natürlich gar nichts zu tun. Wir stecken nämlich nicht deshalb in einer Wirtschaftskrise, weil die Facharbeiter oder die Ingenieure bei Daimler, Bosch oder sonst wo Leistungsverweigerung betreiben würden und sich in ihrer Leistung nicht gewürdigt fühlen würden, sondern wir sind in einer Krise, weil Daimler und Bosch ihre Produkte auf dem Weltmarkt nicht unterbekommen – und das in einer exportorientierten Wirtschaft, in der zwei Drittel der Produkte exportiert werden.
Was hat das jetzt mit der Frage zu tun, ob man hier die Steuern senkt oder nicht? Kaufen die Chinesen deswegen mehr Autos oder weniger? Das ist doch barer Unsinn.
Die Krise hat völlig andere Gründe. Sie wurde ausgelöst durch die Finanzmarktkrise. Dazu kommen Strukturprobleme, etwa in der Automobilbranche, die längst schon vor der Finanzmarktkrise da waren,
falsche Produkte auf den Markt zu bringen, die nicht mehr oder nur schwer verkäuflich sind. Das ist der Grund der Krise. Diese hat nichts, aber auch rein gar nichts mit unserer Steuerpolitik zu tun.
Das ist eben die Falle, in die Sie laufen. Wenn man immer dasselbe behauptet, egal, was in der Wirklichkeit geschieht, egal, ob man einen Aufschwung oder einen Abschwung oder sogar eine schwere Wirtschaftskrise hat, dann liegt man eben voll daneben und muss unglaubwürdig werden. Denn der Satz „Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen“ bringt Sie genau in diese Glaubwürdigkeitsfalle, weil niemand glauben kann, dass man, wenn man solche Schulden auftürmt, dazu noch, wenn man Nullneuverschuldung und Schuldenbremse beschlossen hat, Steuern senken kann. Wie soll denn das zusammenpassen? Unglaubwürdig, völlig unglaubwürdig!
Wenn einem nichts mehr einfällt, dann nervt man den Kretschmann ein bisschen mit Schwarz-Grün-Debatten. Ich finde das wirklich putzig, Frau Berroth.
(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Das war doch Herr Schmiedel! Unerhört, Herr Schmiedel! – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Der Schmiedel war’s! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Der Schmiedel ist ja nicht in der FDP! – Gegenruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Wir nehmen ja nicht jeden!)
Ich finde es wirklich putzig, dass die FDP mir vorwirft, wir würden uns an die Brust der CDU werfen. Also die, die auf dem Schoß der CDU hocken, werfen mir vor, ich würde mich an die Brust der CDU werfen.
Jetzt gab es den Fraktionsvorsitzenden Noll. Der hat irgendwie begriffen, dass das auf Dauer nicht gut gehen kann, und hat einmal versucht, der FDP auch in der Regierungskoalition etwas Profil zu geben. Was macht diese mutige Truppe hier vor mir? Sie sägt ihn heimlich ab.
Jetzt kommt Herr Schmiedel und wirft mir vor: „Sie wollen mit den Finanzchaoten, die Sie gerade kritisiert haben, koalieren.“ Dass jemand, der gerade mit ihnen koaliert, mir vorwirft, ich wolle mit ihnen koalieren, ist auch ziemlich putzig.
Ich sage Ihnen ernsthaft, worum es geht. Wer mit uns koaliert, kann das nur, wenn er unsere Kernanliegen – –
(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Deshalb fin- den Sie auch keinen! – Lebhafte Heiterkeit und Bei- fall bei der CDU, der SPD und der FDP/DVP)
Langsam! Kein Übermut! Wenn wir unsere Kernanliegen der Nachhaltigkeit in der Ökologie, in den sozialen Sicherungssystemen und bei der Haushaltspolitik nicht durchbekommen – mit dem, der diesen Weg mit uns nicht mitgeht, koalieren wir in der Tat nicht, Herr Rülke –,
(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Fangen Sie doch einmal damit an! – Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Wo denn? Davon merkt man nichts!)
und versuchen dort, die Wirklichkeit zu verändern. Denn wir wollen an die Regierung, um etwas zu verändern. Sie wollen an die Regierung, um Posten zu besetzen. Das ist halt der gravierende Unterschied zwischen uns und Ihnen.
(Beifall bei den Grünen – Abg. Stefan Mappus CDU: Das habe ich aber in den letzen drei Jahren anders mitgekriegt!)
Nach § 82 Abs. 4 der Geschäftsordnung erhält nunmehr der SPD-Fraktionsvorsitzende Schmiedel das Wort.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Herr Kollege Kretschmann, natürlich koaliert die SPD mit der CDU in Berlin; völlig klar. Aber das geht nur deshalb, weil wir einen Bundesfinanzminis ter Steinbrück haben, der jeden Tag aufpasst, dass bei der CDU die Sicherung nicht durchbrennt.
(Beifall bei der SPD – Lachen bei der CDU und der FDP/DVP – Zurufe von der CDU und der FDP/DVP, u. a. Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Passen Sie nur auf, dass nicht gleich bei Ihnen eine Sicherung durch- brennt!)
Das erste Argument: Sie haben sich auf die Schulter geklopft und gesagt, Sie hätten auch in diesem Jahr einen ausgeglichenen Haushalt. Sie haben dabei aber verschwiegen, dass Sie diesen Haushalt nur deshalb ausgleichen können, weil Sie auf Rücklagen zurückgreifen, die durch Schuldenaufnahmen entstanden sind.
Diese Rücklage ist Schuldengeld. 2007 hat der Finanzminis ter völlig ohne Not 1 Milliarde € an zusätzlichen Schulden aufgenommen, die nicht für den Haushaltsausgleich 2007 benötigt, sondern in eine Rücklage gestellt wurden. Diese Rücklage ist Schuldengeld. Wenn Sie 2009 den Haushalt mit Schuldengeld ausgleichen, können Sie sich doch nicht auf die Schulter klopfen und sagen: „Wir haben eine Nullnettoneuverschuldung.“ Sie haben 2009 einen Schuldenhaushalt.
Das zweite Argument: Sie haben darauf hingewiesen, die Wirtschaft werde sich voraussichtlich ab 2011 erholen, dann könnte es neue Spielräume geben, und die neu gewählte Bundesregierung sei ja nicht nur für die Haushalte 2010 und 2011, sondern auch für die Haushalte 2012, 2013 und auch noch für die Aufstellung des Haushaltsplans 2014 zuständig. Das ist wohl wahr. Aber unsere gemeinsame Regierung in Berlin hat eine Finanzplanung bis zum Jahr 2013 gemacht, und der hat auch die CDU zugestimmt. Jetzt wiederhole ich, was ich schon vorhin gesagt habe: Das beinhaltet eine zusätzliche Schuldenaufnahme von 300 Milliarden €, beginnend ab 2010 mit 90 Milliarden €, dann sind es 70 Milliarden €, dann 50 Milliarden €, dann geht es ein bisschen herunter. 300 Milliarden €!
Allein aus der Wirtschaftsentwicklung gibt es keinen Spielraum für allgemeine Steuersenkungen, wenn wir das mit der Schuldentilgung ernst meinen. Deshalb muss man den Bürgern schon reinen Wein einschenken und darf sie nicht vertrösten und sagen: Vielleicht – wir haben das einmal aufgeschrieben – geht es doch. Da muss man schon hinstehen und sagen: Wenn wir in dieser Krise den Haushalt notgedrungen durch Aufnahme zusätzlicher Schulden ausgleichen, dann hat die Rückführung dieser Schulden erste Priorität. Punkt, bas ta!