Protocol of the Session on July 8, 2009

Dann müssen wir Kompromisse schließen und versuchen, so weit wie möglich unser Programm durchzusetzen.

(Beifall bei der CDU – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Schuldenbremse! Reden Sie doch einmal zur Schul- denbremse, Herr Kollege! Mein Gott, ist das erbärm- lich!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Schmiedel.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Herr Präsident! Kollege Kretschmann hat das Finanzchaos der Union richtig beschrieben, hat es auseinandergenommen. Das kann ich mir an dieser Stelle deshalb sparen. Nur stellt sich mir natürlich schon die Frage, Herr Kretschmann, weshalb Sie so schnell wie möglich mit diesen Finanzchaoten koalieren wollen.

(Beifall bei der SPD – Heiterkeit bei der SPD, der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Warum tut ihr es nicht?)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, die Bundesregierung plant für das nächste Haushaltsjahr, 90 Milliarden € neue Schulden aufzunehmen. 90 Milliarden €! Wir stehen zu dieser Schuldenaufnahme, auch CDU und CSU stehen zu dieser Schuldenaufnahme – es ist ein gemeinsamer Plan –, weil wir in dieser Krise überhaupt keine andere Chance haben, als auch mit dem öffentlichen Haushalt dagegenzuhalten, statt in der Krise mitzusparen und alles noch schlimmer zu machen.

Bis 2013 fallen nach der Finanzplanung des Bundes 300 Milliarden € zusätzliche Schulden an. 300 Milliarden €! Wenn

wir diese ungeheure zusätzliche Last den Bürgern vermitteln und erklären und Zustimmung zu dem Konzept, jetzt in der Krise mit den öffentlichen Haushalten dagegenzuhalten, bekommen wollen, setzt dies eines zwingend voraus: Wir müssen glaubwürdig zusagen, dass wir diese Schuldenlast wieder abbauen – das hat oberste Priorität –, wenn die Krise ein Ende gefunden hat, die Wirtschaft wieder läuft und es neue Steuereinnahmen gibt, und dass wir neue Steuereinnahmen nicht dazu verwenden, neue Steuergeschenke zu verteilen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Herrmann hat gesagt: In der CDU fand eine Steuerdiskussion statt. „Fand“ heißt Vergangenheit. Aber jeden Tag jagt ihr von der CDU eine neue Steuersau durchs Dorf, Herr Herrmann. Einer, der sich fleißig daran beteiligt, ist Herr Mappus. Wo ist er denn?

(Lachen bei der CDU)

Das ist einer, der z. B. den Vorschlag von Herrn Oettinger „Wir erhöhen den ermäßigten Mehrwertsteuersatz“ sofort abgelehnt hat. Er fand daran im Gegensatz zu Ihnen nichts Glaub würdiges. Ähnlich ging es anderen in der CDU. Wo ist er denn heute? Er ist doch derjenige, der vertritt, dass man, wenn die Wirtschaft wieder anzieht und neue Steuern eingenommen werden, 25 bis 35 Milliarden € sofort wieder zurückgeben soll.

Wissen Sie, was das für den Haushalt des Landes bedeutet? Schon vor der Steuerschätzung klaffte im Doppelhaushalt des Landes Baden-Württemberg für 2010/2011 ein Loch von 3,5 Milliarden €. Aufgrund der Steuerschätzung sind noch einmal 3 Milliarden € hinzugekommen. Das heißt, in den Jahren 2010/2011 klafft im Haushalt des Landes Baden-Württemberg ein Loch von 6,5 Milliarden €. Wenn sich Herr Mappus mit seinem Konzept durchsetzen würde und wir in Bälde, wenn die Konjunktur anzieht, die Steuern um 25 Milliarden € senken würden, bedeutete das für Baden-Württemberg jedes Jahr 1 Milliarde € an zusätzlichen Mindereinnahmen. Das heißt, für den Doppelhaushalt 2010/2011 würde das Loch 8,5 Milliarden € statt 6,5 Milliarden € betragen. Sie stellen sich aber hierher und sagen: „Wir sind eine Partei, die für die Schuldenbremse steht.“ Das ist doch lächerlich; das geht doch nicht zusammen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Jörg Döpper CDU: Das stimmt doch! Wer denn sonst?)

Man kann doch nicht in dieser Krise notwendigerweise, nicht aus eigenem Antrieb, neue Schulden aufnehmen, dann aber für die Zeit, wenn die Wirtschaft wieder läuft, versprechen: Wir senken die Steuern, wir erhöhen die Infrastrukturausgaben und verringern gleichzeitig die Schulden. Diese Rechnung geht nicht auf.

Herr Oettinger hat seither zu denjenigen gehört,

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Der Herr Minis terpräsident!)

die das im Gegensatz zu Herrn Mappus auch öffentlich vertreten haben. Herr Ministerpräsident, weshalb Sie dann aber dem Wahlprogramm, das Herr Herrmann geschildert hat, bei der Beschlussfassung trotzdem zugestimmt haben, müssen Sie

schon erklären. Man darf nämlich nicht im Wahlprogramm Steuersenkungen versprechen, dann aber öffentlich immer sagen: „Es gibt keine Luft.“ Herr Stächele sagt dies auch permanent. Was stimmt denn jetzt? Das Wahlprogramm oder das, was man neben dem Wahlprogramm sagt?

Natürlich haben wir bestimmte Korrekturen vorgenommen, und es gibt auch eine Steuersenkung – darauf hat Herr Kretschmann hingewiesen – in erheblichem Umfang, die vom Bundesverfassungsgericht verordnet wurde. Herr Herrmann hat darauf hingewiesen, welche Steuern die Große Koalition nach unten korrigiert hat, er hat aber verschwiegen, dass es auch eine Korrektur nach oben gab. Wir haben nämlich gemeinsam die Reichensteuer beschlossen. Wenn es um Steuerkorrekturen geht, müssen wir darüber sprechen, woher wir zusätzliche Mittel bekommen, um die immensen Schulden, die wir jetzt in der Krise anhäufen, tatsächlich zurückzahlen zu können. Natürlich sind da die Millionäre gefragt, ihren Beitrag zu leis ten.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Es sind auch diejenigen gefragt, die dann, wenn die Börsen wieder laufen, Millionen und Milliarden verdienen. Wir brauchen dann auch einen Beitrag über eine Börsenumsatzsteuer, um die Mittel zur Rückführung der Schulden zur Verfügung zu haben, damit wir die künftigen Generationen nicht mit dem belasten, was wir heute ausgeben. Das sind die Herausforderungen der Zukunft. Da bedarf es einer klaren Linie. Da darf man nicht im Wahlprogramm das eine versprechen und in öffentlichen Versammlungen das andere erzählen. Die Widersprüche, die es in der CDU gibt, werden jetzt zugetüncht, indem nicht Herr Mappus hinausgeht, sondern Herr Herrmann vorgeschoben wird. Zur Ehrlichkeit gehört auch, dass es bei Ihnen unterschiedliche Positionen gibt und dass da nichts abgeschlossen ist.

Deshalb erwarten wir von Ihnen, Herr Ministerpräsident, eine verbindliche Erklärung, wo denn die Koalition in BadenWürttemberg und wo die Landesregierung hinsichtlich dieses zentralen Themas für die Zukunft unseres Landes stehen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Das Wort erhält Frau Abg. Berroth.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eines muss ganz klar festgestellt werden: Steuerpolitik und auch Politik insgesamt brauchen aus unserer Sicht immer Glaubwürdigkeit, nicht nur in der Krise. Herr Kretschmann, erläutern Sie uns doch insofern bitte einmal, weshalb Sie das nur in der Krise einfordern.

Die Grundfrage ist allerdings: Was kratzt denn nun an der Glaubwürdigkeit der Politik? Zwei Dinge sind maßgeblich. Das ist zum einen, wenn die Politik Beschlüsse fasst, die ständig nachgebessert werden müssen. Das ist zum Zweiten – das wurde schon angesprochen –, wenn es aus demselben Lager, aus gleichen Gruppierungen die unterschiedlichsten Aussagen zum selben Thema gibt. Herr Kretschmann, da muss ich Herrn Schmiedel aber ausdrücklich recht geben: Wenn sich die Grünen einerseits der CDU an die Brust werfen

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

und sie andererseits unterschwellig und unter der Gürtellinie angreifen, dann weiß ich nicht, ob das eindeutig ist und was daran glaubwürdig sein soll.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: Genau! Wir brauchen kein schwarz-grünes Chaos!)

Beispiele zu den ständig notwendigen Nachbesserungen wurden auch schon genannt, z. B. bei den Sozialversicherungsbeiträgen. Ich habe ein weiteres Beispiel: Erst in der letzten Woche wurde im Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung – es ist ja immer wunderbar, was sich der Bund für schöne Namen einfallen lässt – völlig zu Recht eine Regelung aus der Unternehmensteuerreform 2008 modifiziert. Man hat die Umsatzgrenze für die Istbesteuerung auf 500 000 € erhöht, auch wenn dies einmalig zu einer zeitlichen Verschiebung der Steuereingänge führt. Ich glaube, das ist verkraftbar und wird sich ganz schnell dadurch wieder refinanzieren, dass kleine und mittlere Betriebe überleben können und weiterhin Steuern zahlen.

Ich komme zum zweiten Punkt, zu den unterschiedlichen Aussagen. Die FDP bemüht sich seit Jahren um eine klare Aussage.

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Bemühen Sie sich einmal weiter! – Heiterkeit – Zurufe, u. a. Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: „Bemüht“! – Unruhe)

Inzwischen wird uns sogar vorgeworfen, dass wir immer dasselbe sagen würden.

(Unruhe)

Aber ich frage Sie: Wenn wir auf der richtigen Linie sind, warum sollten wir dann heute so und morgen so sagen? Wir haben ein klares Konzept.

(Beifall bei der FDP/DVP – Unruhe)

Wir wollen, dass die Steuern einfach, niedrig, gerecht und damit glaubwürdig sind.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Einfach! – Abg. Reinhold Gall SPD: „Gerecht“ nimmt Ihnen niemand ab!)

Herr Kretschmann, wenn wir dazu unter Beobachtung stünden, wäre uns das ganz recht. Dann würden vielleicht ein paar mehr kapieren, dass das Konzept stimmig ist.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Hans-Peter Wet- zel FDP/DVP: Prima!)

Drei Beispiele aus unserem Steuerkonzept will ich kurz vortragen. Das ist zum einen die Reform bei der Einkommensteuer und bei der Lohnsteuer. Sie muss jetzt kommen und darf nicht erst dann kommen, wenn irgendjemand irgendwann glaubt, dass Geld übrig sei. Die Zeit, in der Politiker bestimmter Couleur und relativ vieler Couleur meinen, dass Geld übrig sei, wird nie kommen. Die ganzen Bemühungen der letzten 30 Jahre gingen immer darauf hin, mehr Steuereinnahmen zu generieren und sie dann großzügig unters Volk zu streuen.

(Beifall der Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel und Hagen Kluck FDP/DVP)

Mit diesem System muss endlich Schluss gemacht werden.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: Jawohl! Gebt den Bürgern mehr!)

Es handelt sich bei der Reform der Einkommensteuer und der Lohnsteuer mitnichten um Geschenke, sondern es ist ein Akt der Gerechtigkeit, wenn man die seit vielen Jahren und Jahrzehnten notwendige Anpassung der Progressionsstaffel endlich vornimmt.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Dabei geht es überhaupt nicht um eine Entlastung der Reichen.

(Abg. Peter Hofelich SPD: Sondern?)

Nein, schauen Sie einmal genau hin: Kleine und mittlere Einkommen sind von dieser im Verhältnis zu den Einkommen nach links gerückten Progression am stärksten betroffen, weil die Progression am Beginn der Staffel am schärfsten greift.

Als zweite Komponente muss eine allgemeine Entlastung der Familien hinzukommen. Was damals mit der Einmalzahlung in Höhe von 100 € passiert ist, war fast eine Beleidigung. Nein, wir wollen, dass es für alle einen Steuerfreibetrag gibt, der, bevor überhaupt Steuer anfällt, abgezogen wird. Wir wollen einen Steuerfreibetrag in Höhe von 8 000 € für Erwachsene und Kinder. Dies wäre eine ganz einfache Regelung, würde den Familien aber eine deutliche Entlastung bringen.