Das ist kein Zitat aus einem alten Plenarprotokoll. Es stammt aus einem aktuellen Interview des Vorsitzenden des deutschen Ganztagsschulverbands Stefan Appel.
Dass in der Ganztagsschule eine neue Einteilung des Schultags möglich ist, dass sie zur gelingenden Integration beitragen kann, dass sie die Öffnung in das schulische Umfeld erleichtert, dass sie für berufstätige Eltern eine Entlastung bedeutet, sind Argumente für die Ganztagsschule. Aber deswegen muss man sie noch lange nicht zur Regelschule für alle und überall machen, wie Sie es von den Grünen mit Ihrem Gesetzentwurf versuchen. Wir werden vielmehr am bedarfsgerechten Ausbau festhalten.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will ganz kurz noch auf einige Äußerungen, auch von Herrn Rau, eingehen.
Herr Rau, Sie erwecken hier den Eindruck, als ob es die Halbtagsschule in Baden-Württemberg künftig nicht mehr gäbe. Das ist schlichtweg falsch. Wir haben gesagt: Die Ganztagsschule ist eine Schulform, die im Schulgesetz verankert werden soll. Damit soll überhaupt nicht der Spielraum dieser Schulen eingeengt werden. Unser erklärtes Ziel ist, diese Schulart rechtlich zu verankern. Jetzt können Sie doch nicht so tun, als ob das ausschließlich eine Forderung der Opposition wäre. Vielmehr beruht diese Forderung auf einem breiten Konsens der kommunalen Spitzenkräfte, der Eltern und der Lehrer. Die geballte bildungspolitische Kompetenz ist also dafür. Ich denke eher, da stehen Sie nebendran.
Ich will es noch einmal auf den Punkt bringen: Inzwischen gibt es 600 Ganztagsschulen. Da noch von Schulversuchen zu reden halte ich schlichtweg für neben der Sache liegend. Diese Schulform ist schon eine Regelform. Wichtig ist nun, dass diese Regelform auch tatsächlich verankert wird und damit Rechtssicherheit besteht. Das ist doch der Punkt. Sie bewegen sich auch im Vergleich mit den anderen Ländern wirklich außerhalb dieser bildungspolitischen Entscheidung. Aber vielleicht brauchen Sie noch ein bisschen Zeit. Ich weiß es nicht. Es war in der Ganztagsschuldebatte vor
einigen Jahren ja auch so. Wenn ich Ihnen hier Ihre damaligen Aussagen zum Thema Ganztagsschule vorlesen würde, würden Sie wahrscheinlich rot werden.
Ich finde es ja gut, dass Sie inzwischen erkannt haben, dass Ganztagsschulen im Grundsatz notwendig sind. Aber Sie müssen dann endlich den richtigen Schritt machen und dürfen nicht auf halbem Weg stehen bleiben.
Eine kleine Anmerkung noch, was die Finanzierung angeht. Es ist richtig, eine Milliarde – ich will das jetzt nicht mehr groß diskutieren, nur in Erinnerung rufen – wird investiert. Der größte Teil davon kommt aber von den Kommunen, meine Damen und Herren.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Keinen Zwang! Jede Schule kann sich entwickeln! – Abg. Dr. Ul- rich Noll FDP/DVP: Mit denen so vereinbart!)
Ich will noch einen zweiten Punkt ansprechen. Ich bitte Sie einmal, darüber nachzudenken: Ganztagsschulen rechnen sich auch. Es gibt inzwischen interessante wissenschaftliche Untersuchungen, die belegen, dass mit der Einrichtung von Ganztagsschulen ein erheblicher ökonomischer Vorteil verbunden ist.
Weil mir nicht genügend Redezeit für eine ausführliche Darstellung zur Verfügung steht, will ich nur einige wenige Stichworte nennen, um deutlich zu machen, worum es geht: Es gibt weniger Sitzenbleiber. Die Abschlüsse werden besser. Die Übergangsquoten auf weiterführende Schularten sind höher. Und in späteren Jahren ist weniger Förderung notwendig.
Das sind nur einige wenige Aspekte, die ganz deutlich zeigen, dass sich Ganztagsschulen auch rechnen.
Deshalb, meine Damen und Herren: Stellen Sie sich nicht außerhalb dieser wichtigen bildungspolitischen Debatte,
sondern gehen Sie mit uns, und stimmen Sie mit uns hier für eine Verankerung der Ganztagsschulen im Schulgesetz!
Verehrte Damen und Herren! Lieber Kollege Traub, ich freue mich, dass Sie unseren Gesetzentwurf so aufmerksam gelesen haben. Es ist in der Tat so: Wir haben uns in der Fraktion bewusst dafür entschieden, uns an Ihren Eckdaten zu orientieren, nämlich bis 2015 rund 40 % der Schulen zu Ganztagsschulen auszubauen. Wir haben uns deshalb dafür entschieden, damit Sie gerade keine Möglichkeit haben, auszuweichen und aus inhaltlichen Gründen zu sagen: „Da können wir nicht mitmachen. Das ist die falsche Richtung, das ist der falsche Weg. Das ist zu schnell, das ist zu langsam. So viel wollen wir nicht.“ Deshalb muss ich jetzt doch mit Überraschung feststellen, dass Sie kein einziges überzeugendes Argument liefern konnten, warum Sie unserem Gesetzentwurf nicht zustimmen.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Karl Traub CDU: Sie haben nicht zu- gehört! – Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)
Denn gerade wenn es so ist, wäre das doch die ideale Voraussetzung für Ihre Zustimmung. Das ist das Erste.
Das Zweite: Herr Kultusminister Rau, Sie haben nochmals betont, dass es einen Kabinettsbeschluss zu diesem Konzept gibt. Aber, verehrter Herr Kultusminister Rau, Kabinettsbeschlüsse geben den Kommunen keine Planungssicherheit und keine Rechtssicherheit. Ein Kabinettsbeschluss bedeutet nicht, dass er in der Praxis auch konsequent im Verhältnis 1 : 1 umgesetzt wird. Das wissen wir aus langjähriger Erfahrung.
Deshalb sagen wir Grünen: Wenn dieser Weg beschritten werden soll, wenn wir uns in diesem Punkt einig sind, dann brauchen wir schulgeldfreie Ganztagsschulen. Wir wollen, dass jedes Kind in Baden-Württemberg unabhängig von seiner sozialen Herkunft und vom Einkommen seiner Eltern ein erweitertes Bildungsangebot bekommen kann, dass es Hausaufgabenhilfen und Förderangebote in der Ganztagsschule bekommt. Wir wollen, dass dies nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängt. Wir brauchen dafür die Rechtsgrundlage des Schulgesetzes. Deshalb bitte ich Sie, sich nochmals intensiv mit unserem Gesetzentwurf zur Änderung des Schulgesetzes auseinander zu setzen.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Den haben wir intensiv gelesen, Frau Rastätter!)
Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD, Drucksache 14/87, und den Gesetzentwurf der Fraktion GRÜNE, Drucksache
14/119, zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Schule, Jugend und Sport zu überweisen. – Es ist so beschlossen.
Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion GRÜNE – Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für Baden-Württemberg – Drucksache 14/122
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: fünf Minuten für die Begründung und zehn Minuten je Fraktion für die Aussprache.
(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Er darf nur mit Kopftuch! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Kopftuch ja, Krawatte nein!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Unser Grundgesetz räumt der Religions- und Weltanschauungsfreiheit, der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit einen hohen Rang ein. Wir sind deswegen kein laizistischer Staat. Wir sind vielmehr ein säkularer Staat. Dazu sagt das Bundesverfassungsgericht Folgendes:
Die dem Staat gebotene religiös-weltanschauliche Neutralität ist indes nicht als eine distanzierende im Sinne einer strikten Trennung von Staat und Kirche, sondern als eine offene und übergreifende, die Glaubensfreiheit für alle Bekenntnisse gleichermaßen fördernde Haltung zu verstehen. Artikel 4 Abs. 1 und 2 GG gebietet auch in positivem Sinn, den Raum für die aktive Betätigung der Glaubensüberzeugung und die Verwirklichung der autonomen Persönlichkeit auf weltanschaulich-religiösem Gebiet zu sichern. Der Staat darf lediglich keine gezielte Beeinflussung im Dienste einer bestimmten politischen, ideologischen oder weltanschaulichen Richtung betreiben oder sich durch von ihm ausgehende oder ihm zuzurechnende Maßnahmen ausdrücklich oder konkludent mit einem bestimmten Glauben oder einer bestimmten Weltanschauung identifizieren und dadurch den religiösen Frieden in einer Gesellschaft von sich aus gefährden. Auch verwehrt es der Grundsatz religiös-weltanschaulicher Neutralität dem Staat, Glauben und Lehre einer Religionsgemeinschaft als solche zu bewerten.
Jetzt hat das Bundesverfassungsgericht die Möglichkeit eröffnet, an den Schulen wegen des Konfliktpotenzials, das dort durch den verstärkten Pluralismus verschiedener Religionen herrscht, einen Weg der strikteren Neutralität im Sinne der Laizität zu gehen. Dies ist aber nur unter folgender Bedingung möglich – ich zitiere –: