In der Zwischenzeit hat sich hinsichtlich des Ausbaus von Ganztagsschulen in unserem Land enorm viel getan.
Meine Damen und Herren, in der Koalitionsvereinbarung haben CDU und FDP/DVP den Ausbau eines flächendeckenden und bedarfsorientierten Angebots von Ganztagsschulen festgeschrieben. Jetzt überlegen Sie einmal: 1996 bin ich in dieses Haus gekommen. Wenn ich damals diese Rede gehalten hätte, wäre ich, glaube ich, aus dem Haus hinausgejagt worden.
Sie waren damals auch noch nicht Mitglied des Landtags. – Rund 40 % der allgemein bildenden Schulen sollen ein solches Angebot in der herkömmlichen Form machen, soweit es sich um Schulen mit besonderer pädagogischer und sozialer Aufgabenstellung handelt, und daneben auch in neuer, offener Angebotsform. Das ist quantitativ wie qualitativ ein Quantensprung für die Ganztagsschullandschaft in BadenWürttemberg.
Das steht nicht nur als Absichtserklärung in unserer Koalitionsvereinbarung, sondern ist konkretisiert in einem detaillierten und übergreifenden Schulprogramm. Dieses Programm ist Ihnen allen bekannt. Es ist ein Punkt von wirklich zentraler Bedeutung und ist in Absprache mit den kommunalen Landesverbänden entwickelt worden. Auch das gehört zu einer solchen Reform dazu, wenn Sie sagen: Wer anschafft, bezahlt. Wer ist denn für die Schulsozialarbeit zuständig, Frau Rastätter? Sind das die Kommunen, die Schulträger, oder ist dies das Land?
Wir haben mit den kommunalen Landesverbänden dieses Programm entwickelt. Im November 2005 haben sie hierzu mit dem Land eine Vereinbarung getroffen, in der nicht nur die Zeitschiene für den Ausbau, sondern auch und vor allem – das ist ganz wesentlich – die Finanzierungsfragen geregelt werden konnten.
Für den Einsatz qualifizierter Ehrenamtlicher haben im Februar 2006 die Kirchen und weitere Organisationen die Rahmenvereinbarung zum Jugendbegleiterprogramm unterzeichnet.
Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, haben dies alles mit Ihrem Gesetzentwurf im Grunde lediglich abgeschrieben. Der Unterschied zu unserem Programm besteht im Kern in zwei Punkten: Erstens wollen Sie die Umsetzung etwas schneller – bis zum Jahr 2011 statt bis zum Jahr 2015 –, und Sie wollen von manchem etwas mehr – 2 640 statt 1 840 zusätzliche Lehrerdeputate.
Zweitens wollen Sie ebenso wie die SPD eine gesetzliche Regelung, nach der sich jede Schule aufgrund eigener Entscheidung zur Ganztagsschule entwickeln kann; lediglich der Schulträger muss zustimmen. Das Land wäre automatisch verpflichtet – das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen –, die erforderlichen zusätzlichen Lehrkräfte – pädagogische Fachkräfte werden ja zu Recht gefordert – sowie Mittel für Lehrbeauftragte zur Verfügung zu stellen.
Meine Damen und Herren, wie regeln dies Rot und Grün dort, wo sie selbst in der Regierungsverantwortung sind, also Realitäten Rechnung tragen müssen?
(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Die Grünen regieren leider nirgends! Das kann überhaupt nicht sein! Wir regieren nirgends! – Gegenruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Ihr habt es pro- biert!)
Hören Sie doch zu! – Mit Genehmigung des Präsidenten zitiere ich aus dem von Rot-Grün beschlossenen Schulgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen:
Schulen können als Ganztagsschulen geführt werden, wenn die personellen, sächlichen und organisatorischen Voraussetzungen erfüllt sind.
Sprich, man kann das auch einfach wieder einkassieren. Aber hier wollen Sie, dass man das ohne Zustimmung macht, und wissen gar nicht, wie man das finanzieren soll. Meine Damen und Herren, ein Kommentar dazu ist überflüssig.
Dem Ziel, die Ganztagsschule im Schulgesetz zu verankern, will ich mich gar nicht grundsätzlich verschließen.
In der Sache, das heißt in der Beförderung des Ausbaus von Ganztagsschulen, und in dem Tempo, in dem diese Reform vorankommt, sind wir allerdings mit unserem Ganztagsschulprogramm dieser in Nordrhein-Westfalen von RotGrün getroffenen gesetzlichen Verankerung meilenweit voraus.
Meine Damen und Herren, lassen Sie diese Form sich weiterhin so entwickeln, wie wir sie begonnen haben. Dann werden wir eines Tages wohl 80 bis 90 % aller unserer Schulen als Ganztagsschulen – zum Teil als offenes Angebot und zum Teil als gebundenes Angebot – haben, und diese Entwicklung ist positiv.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Einrichtung von Ganztagsschulen an Schulen mit besonderer pädagogischer und sozialer Aufgabenstellung war bereits in der vergangenen Legislaturperiode ein bildungspolitischer Schwerpunkt in Baden-Württemberg. Ich will das noch einmal in Erinnerung rufen, weil hier einfach falsche Behauptungen in den Raum gestellt wurden, denen widersprochen werden muss.
Wir haben derzeit 576 Ganztagsschulen. Für das neue Schuljahr sind weitere Ganztagsschulen genehmigt. Der Ausbau von Ganztagsschulen wird auch in den kommenden Jahren ein zentraler Schwerpunkt der Bildungs- und Familienpolitik des Landes sein. Darauf haben sich die beiden Koalitionspartner in der Koalitionsvereinbarung verständigt. Der Ministerrat hat bereits entschieden, dass in dieser und in der nächsten Legislaturperiode schrittweise an etwa 40 % der öffentlichen allgemein bildenden Schulen ein Ganztagsbetrieb eingerichtet werden soll. Ziel ist es, ein flächendeckendes und bedarfsorientiertes Netz von Ganztagsschulen zu schaffen. Das heißt: Jedes Kind, jeder Jugendliche, soll bei Bedarf die Möglichkeit haben, eine Ganztagsschule zu besuchen.
Drei Bausteine kennzeichnen das neue Ganztagsschulprogramm des Landes: erstens die besondere pädagogische und soziale Aufgabenstellung, zweitens die offenen Angebote und hier insbesondere das Jugendbegleiterprogramm und drittens eine mit der kommunalen Seite verabredete „Investitionsoffensive Ganztagsschulen“. Alle drei Bausteine sind verlässlich, weisen in die Zukunft und geben einen Rahmen vor, der die Entwicklung für alle greifbar macht.
Die PISA- und die IGLU-Studie haben ergeben, dass vor allem Schülerinnen und Schüler aus sozial schwächeren und bildungsfernen Familien zusätzlichen Förderbedarf haben, um die Bildungs- und Erziehungsziele der Schule und die Ausbildungsreife zu erreichen. Die Ganztagsschule ist ein wichtiger Beitrag zur Überwindung herkunftsbedingter Benachteiligungen im Schulsystem. Wir werden deshalb in den kommenden fünf Jahren weitere Grundschulen und Hauptschulen, die unter erschwerten pädagogischen und sozialen Bedingungen arbeiten, als Ganztagsschulen einrichten.
Im Endausbau soll an insgesamt 400 solcher Hauptschulen und 350 Grundschulen der Ganztagsbetrieb eingerichtet sein.
Ganztagsschulen in offener Angebotsform können in allen Schularten der allgemein bildenden Schulen eingerichtet werden. Der Ausbau soll innerhalb von neun Jahren dem Bedarf entsprechend erfolgen. Wir haben mit den Kommunen darüber beraten, ein Programm aufzulegen, auf das sie sich verlassen können und bei dem sie nicht damit rechnen müssen, dass sie schon nach kurzer Zeit wieder hinterherhecheln müssen.
Sie sollen sich verlässlich auf dieses Programm stützen können und auch die Entwicklung der Schülerzahlen sowie der Herausforderungen in ihren Gemeinden in den nächsten Jahren zugrunde legen können. Ich habe mir gerade die Zahlen geben lassen: Das Programm passt hundertprozentig auf die Nachfrage in diesem Jahr. Das, was in diesem Jahr im Haushalt eingestellt ist, wird nachgefragt, aber auch nicht mehr. Wir sind hier auf der richtigen Spur, indem wir hier Kontinuität geschaffen haben und garantieren.
Die Teilnahme am Ganztagsangebot ist freiwillig. Keine Schülerin und kein Schüler wird dazu verpflichtet. Viel
Das Land unterstützt die Ganztagsschulen mit zusätzlichen Lehrerwochenstunden. Auch dazu haben wir bereits Kabinettsbeschlüsse gefasst. Es ist vorgesehen, für die Ganztagsschulen im Endausbau Ressourcen im Umfang von über 1 800 zusätzlichen Deputaten bereitzustellen, und wir haben ein festes Investitionsprogramm in Höhe von 1 Milliarde € mit den Kommunen verabredet. Damit weise ich auch alle Spekulationen und Unterstellungen zurück,
wir wollten es von heute auf morgen wieder in eine andere Richtung steuern. Auf dieses Programm werden sich die Schülerinnen und Schüler, die Gemeinden und die Eltern verlassen können.
Bildung und Betreuung der Schülerinnen und Schüler sind Aufgabe der ganzen Gesellschaft. Der qualifizierte ehrenamtliche Jugendbegleiter ist daher ein zentrales Element unserer Ganztagsschulkonzeption. Er kann mit seinem Wissen und seinem Erfahrungsschatz das Angebot der Schule bereichern. Wir haben am 14. Februar eine Rahmenvereinbarung mit rund 80 Verbänden, Institutionen und den Kirchen unterzeichnet, und an 250 Schulen wird dieses Programm bereits mit dem neuen Schuljahr starten. Wir hatten es ausgeschrieben. Die Nachfrage war größer, als wir auf Anhieb erwartet hatten, aber alle Schulen, die jetzt in dieses Programm hinein möchten, werden in diesem Programm starten können.
Sie fordern nun für jede Neuerung ein Regelwerk. Wir sollen die Ganztagsschule im Schulgesetz verankern, weil wir neben Bayern und Thüringen das einzige Flächenland seien, das die Ganztagsschule nicht gesetzlich verankert hat. Haben Sie eigentlich die Schulgesetze der anderen Länder richtig gelesen? Nicht überall geht es um Ganztagsschulen. Bei manchen geht es um ganztägige Angebote an Schulen; das kann auch ein Hort an der Schule sein oder ein anderes ganztägiges Betreuungsangebot, das von außerschulischen Partnern angeboten wird.
Ist Ihnen beim Lesen der Schulgesetze auch aufgefallen, dass sechs Länder einen Finanzierungsvorbehalt für Ganztagsschulen in ihr Schulgesetz aufgenommen haben? Dann doch lieber eine klare Beschlusslage in den politischen Gremien, wie wir es hier vorzuweisen haben!
Ich finde, unsere Vorgehensweise ist ehrlich und transparent. Wir wollen Erfahrungen sammeln. Wir wollen die konzeptionelle Vielfalt erproben. Sich jetzt gesetzlich festzulegen wäre in meinen Augen ein großer Fehler. Wir haben den Schulen viel Spielraum für ihre Entwicklung gegeben, und genau diesen Spielraum sollen sie in der Zukunft auch ausnutzen können. Deswegen ist es angemessen, die Modellphase, in der wir uns befinden, weiterlaufen zu lassen. Wir werden die Ganztagsschulen bedarfsorientiert ausbauen und zur richtigen Zeit die gesetzgeberischen Konsequenzen ziehen.
Ich will hier auch von pädagogischer Verantwortung sprechen. Auch da weiß ich einen der renommiertesten Experten auf unserer Seite. Ich zitiere:
Ich bin gar nicht dafür, das Halbtagsschulwesen abzuschaffen. Aber eines ist nötig: Für alle Schüler, die auf eine Ganztagsschule gehen wollen oder auf den Besuch angewiesen sind, sollte in zumutbarer Entfernung eine Ganztagsschule der gesuchten Schulart erreichbar sein.
Das ist kein Zitat aus einem alten Plenarprotokoll. Es stammt aus einem aktuellen Interview des Vorsitzenden des deutschen Ganztagsschulverbands Stefan Appel.