Protocol of the Session on July 26, 2006

(Präsident Peter Straub)

(Beifall im ganzen Haus – Die Anwesenden neh- men ihre Plätze wieder ein.)

Wir treten damit in die Mittagspause ein. Die Sitzung wird um 14:00 Uhr fortgesetzt.

(Unterbrechung der Sitzung: 12:30 Uhr)

(Wiederaufnahme der Sitzung: 14:01 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf Sie bitten, Platz zu nehmen. Wir beginnen mit unserer Nachmittagssitzung.

Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Steuerberaterversorgungsgesetzes – Drucksache 14/27

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat festgelegt, die Erste Beratung ohne Aussprache durchzuführen. Wird dennoch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Es wird vorgeschlagen, diesen Gesetzentwurf zur weiteren Beratung an den Finanzausschuss zu überweisen. – Es ist so beschlossen.

Punkt 5 der Tagesordnung ist damit abgeschlossen.

Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:

a) Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD – Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für Baden-Württemberg – Drucksache 14/87

b) Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion GRÜNE – Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für Baden-Württemberg – Drucksache 14/119

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung zu a und b je fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Wer wünscht für die SPD-Landtagsfraktion das Wort? – Herr Kollege Zeller.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ca. 600 Schulen im Land Baden-Württemberg sind als Ganztagsschulen definiert – so zumindest die Angabe des Kultusministeriums. Wenn man die Pläne ernst nimmt, sollen es bis zu 1 800 Schulen werden. Angesichts dieser großen Zahl kann man, meine Damen und Herren, nicht mehr von Schulversuchen reden. Es ist schlichtweg absurd zu meinen, bei einer solchen Anzahl von Schulen handle es sich noch um einen Schulversuch.

Deshalb ist sich die SPD-Fraktion mit dem Städtetag, den Lehrerverbänden, der GEW, dem VBE usw. – ich will nicht alle Organisationen aufzählen – sowie mit den Eltern, dem Landeselternbeirat und dem Handwerkstag einig: Ganztagsschulen müssen als besonders förderungswürdige Schulform im Schulgesetz verankert werden. Einen entsprechenden Gesetzentwurf hatten wir schon in der letzten Legisla

turperiode eingebracht. Leider haben die Koalitionsfraktionen diesen Gesetzentwurf abgelehnt.

Nachdem sich nun auch Herr Oettinger

(Abg. Thomas Blenke CDU: Für Sie ist das der Mi- nisterpräsident!)

und Herr Rau zumindest verbal für Ganztagsschulen aussprechen – ich betone bewusst „verbal“, denn das ist eine verbale Kehrtwende; aber verbal reicht nicht aus, sondern dem müssen natürlich Taten folgen, meine Damen und Herren – und sich inzwischen ebenfalls zu dieser Schulform bekennen, müssen diese Schulen auch im Schulgesetz als ganz normale Schulform verankert werden.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Abg. Claus Schmiedel SPD: Sehr rich- tig!)

Wenn man sich einmal die anderen Bundesländer anschaut, stellt man fest, dass immerhin 13 Flächenländer eine entsprechende Regelung in ihrem Schulgesetz verankert haben. Für Ganztagsschulen gibt es gute Gründe. Die IZBB-Diskussion hat auch in Baden-Württemberg eine bildungspolitische Bewegung ausgelöst. Ich erinnere auch daran, dass damals noch nicht alle Kollegen so weit waren, Ganztagsschulen zu befürworten. Ein Kollege von der CDU hat von dieser Stelle aus davon gesprochen, Ganztagsschulen nähmen den Familien die Kinder weg. Ich hoffe, dass diese Betrachtungsweise Schnee von gestern ist und dass mittlerweile eine bessere Einsicht erfolgt.

Meine Damen und Herren, Ganztagsschulen sind bildungspolitisch und gesellschaftspolitisch notwendig, weil sie dem grundsätzlichen Wandel einer Gesellschaft und den veränderten Familienstrukturen, vor allem dem hohen Anteil an Alleinerziehenden und dem hohen Anteil an Ein-Kind-Familien, Rechnung tragen und weil gut ausgebildete Frauen in der Wirtschaft dringend gebraucht werden. Deswegen brauchen wir Ganztagsschulen. Ganztagsschulen sind ein Standortfaktor. Das habe ich schon mehrfach betont. Ganztagsschulen bieten aber auch bessere Lernbedingungen. Sie helfen, die Lernchancen für Kinder zu verbessern, vor allem für Kinder aus sozial schwächeren Familien. Denn nach wie vor – das halte ich Ihnen vor – ist unser Schulsystem sehr selektiv und benachteiligt Kinder aus sozial schwächeren Familien. Deswegen müssen wir Ganztagsschulen eindeutig einen neuen Stellenwert verschaffen. Wir brauchen die Ganztagsschulen in möglichst gebundener Form.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Ja!)

Dies sagen neben Herrn Kleinmann auch andere Fachleute. Darin sind wir uns einig: Halbtagsschule und Betreuung reichen nicht aus.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Also Zwangs- ganztagsschule! – Gegenruf der Abg. Ursula Hauß- mann SPD: Keine Ahnung!)

Herr Röhm, Sie müssen zuhören. Ganztagsschulen in dieser Form will auch der LEB. Die Ganztagsschule muss eine verbesserte Bildung und nicht nur eine bessere Betreuung für Schülerinnen und Schüler beinhalten. Das ist das Entscheidende, und das ist die Position des LEB.

Der Baden-Württembergische Handwerkstag hat im aktuellen Geschäftsbericht dargelegt – ich zitiere –:

Ganztagsschulen können einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Ausbildungsreife leisten.

An anderer Stelle steht:

Der wichtigste bzw. bei mehreren unbesetzten Ausbildungsstellen der häufigste Grund dafür war die unzureichende Eignung der Ausbildungsbewerber.

Das heißt, heute werden viele junge Menschen im handwerklichen Bereich deswegen nicht eingestellt, weil sie die notwendige Ausbildungsreife nicht haben. Das Handwerk sagt eindeutig, klipp und klar: Gerade Ganztagsschulen sind in der Lage, diesen Anforderungen zu entsprechen.

Das Handwerk kritisiert jedoch insbesondere

ich zitiere ebenfalls aus dem Geschäftsbericht –

die offene und unklare Definition von Ganztagsschulen, die in der bisherigen Diskussion zum Ausdruck kam. Schwerpunktmäßig wird der Begriff Ganztagsbetreuung statt Ganztagsschule verwendet, welches den Entwurf einer Ganztagsschule mit einer pädagogischen Gesamtkonzeption und eine entsprechende Umsetzung erschwert.

Hier zeigt sich also klar und eindeutig die Forderung nach einer Entwicklung hin zu echten Ganztagsschulen. Dem können wir nur zustimmen. Nebenbei bemerkt legt das Handwerk wie auch die anderen vorhin Zitierten großen Wert darauf, dass an den Ganztagsschulen auch das erforderliche pädagogische Personal zur Verfügung stehen muss. Deswegen ist eine Ganztagsschule allein mit Ehrenamtlichkeit nicht zu machen.

(Beifall bei der SPD)

Wir brauchen zusätzliches pädagogisches Personal, aber natürlich – das füge ich für alle, die jetzt gleich an die Decke gehen, hinzu – unter Einbeziehung der Ehrenamtlichkeit. So herum wird ein Schuh daraus und nicht anders herum.

Deshalb brauchen wir Rechtssicherheit für die Kommunen und für das Land. Wir brauchen Rechtssicherheit für die Schulen. Wir brauchen Rechtssicherheit, damit entsprechendes pädagogisches Personal zur Verfügung gestellt wird. Wir müssen den Status eines Schulversuchs, den diese Schulen jetzt haben, endlich ablegen und Ganztagsschulen im Schulgesetz verankern.

Lassen Sie mich zum Schluss noch eine Anmerkung machen. Die SPD-Fraktion freut sich natürlich darüber, dass auch die Grünen zu einem entsprechenden Gesetzentwurf gekommen sind. Im Grunde genommen, Frau Rastätter, haben wir hier die gleiche Position.

Herzlichen Dank. Ich hoffe, dass Sie unserem Begehren zustimmen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Die Hoffnung stirbt zuletzt!)

Das Wort hat Frau Kollegin Rastätter.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der Tat liegen heute zwei Gesetzentwürfe mit dem Ziel der Verankerung der Ganztagsschule im Schulgesetz vor. Insofern haben Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, eine echte Wahlmöglichkeit, was ja auch nicht oft vorkommt. Wir werden sicher weitere interessante Diskussionen über diese Schulgesetzentwürfe im Schulausschuss haben.

Es besteht ein breiter gesellschaftlicher Konsens, dass die flächendeckende Einrichtung von Ganztagsschulen notwendig ist. In Baden-Württemberg sind wir allerdings sehr spät dran, weil sich der ehemalige Ministerpräsident und die frühere Kultusministerin dieser Entwicklung allzu lange hartnäckig widersetzt haben. Aber das IZBB, das rot-grüne Bundesprogramm zum Ausbau der Ganztagsschulen, hat auch in Baden-Württemberg eine riesige Dynamik in Richtung Ganztagsschule ausgelöst. Sie erinnern sich: Innerhalb von drei Jahren sind 913 Maßnahmen beantragt worden, von denen dann allerdings nur 565 bewilligt werden konnten, weil die zur Verfügung gestellten 528 Millionen € damit bereits ausgegeben waren.

Diese Dynamik hat auf den neuen Ministerpräsidenten, Herrn Oettinger, Druck ausgeübt. Sie hat es Ihnen, Herr Ministerpräsident, aber auch erleichtert, gegen die Widerstände, die es in Ihrer eigenen Fraktion ja immer noch gibt, die flächendeckende Einführung von Ganztagsschulen anzukündigen. In der Koalitionsvereinbarung und in Ihrer Regierungserklärung haben Sie nochmals bekräftigt, dass in den nächsten zwei Legislaturperioden nach Bedarf bis zu 40 % der Schulen zu Ganztagsschulen ausgebaut werden sollen.

Wer ein solch ehrgeiziges Ziel verfolgt, meine Damen und Herren, muss aber auch ein klares Signal an die Kommunen und an die Schulen geben, das lautet: Wer bestellt, bezahlt.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, ein Ausbau von Schulen zu Ganztagsschulen in diesem Ausmaß darf deshalb nicht ohne gesetzliche Grundlage erfolgen. Kollege Zeller hat schon dargestellt, dass Ganztagsschulen in Baden-Württemberg noch immer den Status einer Modellschule, einer Versuchsschule nach § 22 des Schulgesetzes ohne eine Verankerung im Schulgesetz haben. Faktisch haben wir aber schon 576 Ganztagsschulen, wovon 430 staatliche Schulen sind. Es gibt in Baden-Württemberg sehr gute Ganztagsschulen mit einem hervorragenden pädagogischen Konzept. Das heißt, wir haben schon durch die Zahl der Ganztagsschulen und die jahrelange Erfahrung den Modellstatus längst überwunden.