Protocol of the Session on July 26, 2006

Meine Damen und Herren, ein Ausbau von Schulen zu Ganztagsschulen in diesem Ausmaß darf deshalb nicht ohne gesetzliche Grundlage erfolgen. Kollege Zeller hat schon dargestellt, dass Ganztagsschulen in Baden-Württemberg noch immer den Status einer Modellschule, einer Versuchsschule nach § 22 des Schulgesetzes ohne eine Verankerung im Schulgesetz haben. Faktisch haben wir aber schon 576 Ganztagsschulen, wovon 430 staatliche Schulen sind. Es gibt in Baden-Württemberg sehr gute Ganztagsschulen mit einem hervorragenden pädagogischen Konzept. Das heißt, wir haben schon durch die Zahl der Ganztagsschulen und die jahrelange Erfahrung den Modellstatus längst überwunden.

Es ist doch kein Zufall, dass ausgerechnet der Städtetag so vehement die gesetzliche Verankerung fordert. Denn der Städtetag hat bereits bittere Erfahrungen machen müssen. Sie haben das IZBB-Programm des Bundes zwar unterschrieben und Baden-Württemberg hat Mittel bekommen, aber Sie haben dann die Kommunen im Regen stehen lassen. Die Kommunen haben ihre Schulen ausgebaut, aber es

kam keine einzige Lehrerstelle für das pädagogische Personal hinzu. Da wurden die Kommunen natürlich klar benachteiligt. Insofern ist verständlich, dass die Kommunen jetzt darauf drängen, dass die Ganztagsschule endlich gesetzlich verankert wird.

Meine Damen und Herren, eben weil Sie sich bis jetzt dieser Entwicklung, der gesetzlichen Verankerung der Ganztagsschule im Schulgesetz, verweigern, legen wir Ihnen heute unseren Gesetzentwurf vor, den ich in seinen wesentlichen Punkten hier kurz vorstellen möchte.

Erstens: Wir schreiben im Schulgesetz die Form der Ganztagsschule und die Definition der Ganztagsschule mit der Unterscheidung zwischen gebundener und offener Ganztagsschule fest. Dabei ist sowohl bei der gebundenen als auch bei der offenen Ganztagsschule ein durchgängiges pädagogisches Konzept erforderlich. Eine „Ganztagsschule light“ in offener Form mit ehrenamtlichen Kräften lehnen wir ab. Wir wollen auch in der offenen Form eine durchgehende Rhythmisierung des Schultags, die dann auch für die ganze Schule gelten muss. Denn es kann ja nicht sein, dass morgens verdichteter Unterricht stattfindet und nachmittags nur additive Betreuungsangebote bestehen. Wir brauchen vielmehr ein pädagogisches Konzept aus einem Guss.

(Zuruf des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP)

Zweitens: Für uns ist ganz klar, dass es für die Ganztagsschulen keine Gebührenpflicht geben darf. Deshalb wollen wir auch die Schulgeldfreiheit als wichtiges Prinzip im Schulgesetz verankern.

(Beifall bei den Grünen)

Drittens: Wir wollen für das pädagogische Personal die Zuweisung von Mitteln und von weiteren Lehrerstunden. Was uns auch sehr von Ihnen unterscheidet: Wir wollen den Ausbau der Ganztagsschulen bereits innerhalb von fünf Jahren erreichen. Denn die Schulen können nicht warten. Wir haben einen Paradigmenwechsel; wir werden diesen deutschen Sonderweg der Halbtagsschule überwinden. Wir brauchen bereits in fünf Jahren bei den Ganztagsschulen einen Anteil von 40 %, und wir haben hierfür auch ein Finanzierungskonzept vorgestellt.

Meine Damen und Herren, der dramatischen Zunahme des Nachhilfeunterrichts in unserem Bundesland – es ist ja sowieso ein deutsches Problem, dass Eltern die kostenlos tätigen Nachhilfelehrer der Nation sind – kann nur durch die Ganztagsschule entgegengewirkt werden. Deshalb brauchen wir einen schnelleren Ausbau, und deshalb brauchen wir die Verankerung im Schulgesetz, damit Rechtssicherheit und Verlässlichkeit gegeben sind und damit Eltern, Schulen und Gemeinden in unserem Land eine wirkliche Planungssicherheit haben.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das Wort hat Herr Kollege Traub.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Gerne nehme ich

für unsere Fraktion zu den heute vorliegenden Gesetzentwürfen der beiden Oppositionsfraktionen Stellung. Sie haben einen sehr hohen Wiedererkennungswert,

(Heiterkeit der Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP und Karl-Wilhelm Röhm CDU)

und zwar jeder wiederum für sich in einer etwas anderen Art und Weise.

(Abg. Ute Vogt SPD: Pädagogisches Prinzip der Wiederholung!)

Die SPD – Kollege Zeller hat es vorhin gesagt – hat bereits im Februar 2005 einen entsprechenden Gesetzentwurf in diesem Haus vorgelegt. Bei Ihrem Entwurf zum Thema „Rauchverbot an den Schulen“ haben Sie es ebenso gemacht, und man kann sich fragen, ob man solche Entwürfe als recyclingfähig loben kann oder nicht.

(Heiterkeit des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP – Abg. Norbert Zeller SPD: Haben Sie erkannt, dass wir eine neue Legislaturperiode haben? – Abg. Ur- sula Haußmann SPD: Sie brauchen keine Ganztags- schule mehr, das wissen wir!)

Der Gesetzentwurf der Grünen hat seinen Wiedererkennungswert in einer anderen Art. Liebe Frau Rastätter, wenn man ihn liest, ist einem zeitweise nicht ganz klar, ob man die Beschreibung des Ganztagsschulkonzepts des Landes, wie sie auf der Internetseite des Kultusministeriums zu finden ist, vor Augen hat oder ob man ein eigenes Produkt der Grünen liest.

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Es ist die Frage, wer da von wem abschreibt! – Zuruf des Abg. Nor- bert Zeller SPD)

Ich weiß, das mögen Sie nicht hören.

In Ihrem Gesetzentwurf finden sich doch erstaunlich viele Aspekte wieder, die die Regierungskoalition beschlossen hat und die das Kultusministerium gerade umsetzt. Lassen Sie mich diese ganz kurz aufzählen.

Unser Ziel ist es, ein flächendeckendes und bedarfsorientiertes Netz von Ganztagsschulen zu schaffen und dabei alle Schularten einzubeziehen. In enger Abstimmung mit den Kommunen wollen wir in dieser und der nächsten Legislaturperiode an etwa 40 % unserer allgemein bildenden Schulen den Ganztagsbetrieb einführen und für den Endausbau etwa 1 800 Deputate bereitstellen – eine Wegmarke, das wissen Sie, die überall bekannt ist.

Es soll eine offene und eine gebundene Form von Ganztagsschulen geben, und die Einbeziehung von außerschulischen Partnern und von Jugendbegleitern ist eine zentrale Ergänzung des Konzepts. Dem Ganztagsbetrieb liegt selbstverständlich ein pädagogisches Konzept zugrunde, und im Rahmen unseres Programms ist für den Ausbau dieser Schulen natürlich eine in pädagogisch sinnvoller Weise angepasste Neuverteilung von Unterrichtsstunden unter dem Stichwort Rhythmisierung vorgesehen.

Sogar unsere Investitionsoffensive für Ganztagsschulen beziehen Sie in Ihren Gesetzentwurf ein.

Das alles wollen wir, und das alles wollen Sie. Ich habe es kurz erläutert. Allerdings brauchen wir dafür keine Änderung des Schulgesetzes. Wir gehen den Ausbau der Ganztagsschulen im Gegensatz zu Ihnen ohne Ideologie und in aller Ruhe an. Sie sind notwendig, wo Bedarf vorhanden ist. Sie sind aber kein Allheilmittel, und niemand muss sich entschuldigen, wenn sein Kind nicht in die Ganztagsschule geht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Reinhold Gall SPD: Das steht aber in unserem Gesetzentwurf auch nicht drin!)

Ansonsten ist der wesentliche Punkt, in dem sich Ihr Konzept von unserem unterscheidet, dass Sie in klassischer Manier – das steht der Opposition ja auch zu – von allem etwas mehr und alles etwas schneller fordern.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Wir wollen, dass sich endlich etwas bewegt – endlich!)

In der Sache streiten wir über dieses Thema nicht miteinander.

Wir dagegen behalten die finanzielle Machbarkeit – jetzt sollten Sie etwas aufpassen – im Auge und setzen deshalb Schwerpunkte, und zwar genau dort, wo diese notwendig sind: bei Grund- und Hauptschulen, die unter besonderen pädagogischen und sozialen Bedingungen arbeiten müssen. Den gerechten und flächendeckenden Ausbau von Ganztagsschulen bekommen wir also auch ohne eine Schulgesetzänderung hin.

Wenn Sie sich unser neues Ganztagsschulprogramm zu Gemüte führen – Frau Rastätter und die Damen und Herren der Grünen haben das sehr aufmerksam getan –, dann werden Sie merken, dass dort klar drinsteht, unter welchen Voraussetzungen Ganztagsschulen beantragt werden können und welche Unterstützung Schulen für den Ausbau zur Ganztagsschule erhalten.

Unser Programm ist in vielen Punkten erheblich konkreter als Ihre Gesetzentwürfe und lässt uns als verantwortlichen Politikerinnen und Politikern, die die Haushaltslage nicht ausblenden dürfen, trotzdem die notwendige Flexibilität. Wir haben für den Ausbau enorme Ressourcen eingeplant: 1 800 Lehrerdeputate, die Investitionsoffensive Ganztagsschulen mit einem Volumen von 1 Milliarde €, über 40 Millionen € für Jugendbegleiter. Das alles kennen Sie.

(Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

In der letzten Legislaturperiode haben wir unsere Zusagen, lieber Kollege Palmer, zur Schaffung neuer Lehrerstellen und zum Ausbau von Ganztagsschulen eingehalten, und das werden wir auch diesmal tun.

Ihre Entwürfe betreffen zudem die sicherlich diskutierenswerte, aber nicht unstrittige Frage, wer für die Betreuungsangebote für Schülerinnen und Schüler auch finanziell verantwortlich ist. Unsere Meinung dazu ist, dass die Kommunen mit im Boot bleiben müssen und nicht aus der Verantwortung für Betreuungsangebote entlassen werden sollen. Es muss gemeinsame Aufgabe von Kommune und Land sein und bleiben, ein bedarfsgerechtes Angebot zu schaffen

und dieses auch gemeinsam zu finanzieren. Bürgermeister und Gemeinderäte vor Ort sind die zentralen Gremien, wenn es darum geht, festzustellen, wo der Bedarf besteht und wo das Angebot realisiert werden sollte. Ihre Entwürfe, meine Damen und Herren, die die finanzielle Verantwortung einseitig zulasten des Landes verschieben wollen, sind also nicht nur pädagogisch nicht notwendig, sondern auch finanziell nicht kalkulierbar.

Das Thema Schullastenausgleich – letzter Punkt – ist ebenfalls wichtig, und über eine faire Kostenverteilung zwischen Land und Kommunen werden wir auch in Zukunft in einem konstruktiven Dialog mit den kommunalen Landesverbänden, auch mit dem Städtetag, bleiben, um dem Ziel näherzukommen, Ganztagsschulen flächendeckend und bedarfsgerecht auszubauen. Darum geht es heute. Das haben Sie in Ihren Gesetzentwürfen angeregt. Dazu jedoch brauchen wir diese Gesetzentwürfe nicht, und aus diesen plausiblen Gründen tragen wir Ihre beiden Gesetzentwürfe nicht mit.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf der Abg. Renate Rastätter GRÜNE)

Das Wort hat Herr Kollege Kleinmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen! In der Tat kann man Reformen unterschiedlich anpacken – ich möchte gleich auf das, was die Vorrednerin und die Vorredner angesprochen haben, eingehen –: entweder indem man etwas per Gesetzesänderung nach etlichen Schulversuchen verankert, oder indem man sagt, es müsse sich pädagogisch entwickeln. Wir wählen den letzteren Weg.

(Abg. Ute Vogt SPD: Unter Pädagogen geht das aber nicht!)

Einen auf Punkt und Komma identischen Gesetzentwurf, Frau Vogt, haben wir in diesem Haus vor genau einem Jahr, nämlich am 27. Juli 2005, in Zweiter Beratung behandelt. Die Erste Beratung war am 17. März 2005. Dazwischen lagen zwei Beratungen im Schulausschuss, am 6. April und 13. Juli.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Wir haben im Wissen- schaftsausschuss schon anderes beschlossen!)

Wir haben das ausführlich im Ausschuss und im Plenum behandelt. Ich bezeichne dies als Beschäftigungstherapie, meine Damen und Herren.

(Abg. Ute Vogt SPD: Wir glauben an Ihre Lern- fähigkeit!)

Daran glaube ich nicht nur, sondern diese ist bei mir in der Tat vorhanden. Ich hoffe, bei Ihnen auch.

(Beifall der Abg. Michael Theurer und Hagen Kluck FDP/DVP)