Versorgung mit Grundnahrungsmitteln, Einzelhandel: Warum debattieren wir darüber? Versorgung mit schnellem Anschluss ans Internet – ja, warum?
Es lässt sich wirtschaftlich nicht darstellen. Das Gleiche gilt für die Versorgung mit ärztlichen Leistungen, und zwar sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich. Und wieder ist das für viele offensichtlich betriebswirtschaftlich nicht mehr darstellbar. Das hängt bei der Versorgung mit Lebensmitteln daran, dass der Verbraucher zwar wünscht, dass der Laden vor Ort bleibt, aber nicht bereit ist, die höheren Preise zu zahlen.
In der Politik ist es so: Man wünscht zwar, dass sich die Ärzte auf dem Land niederlassen, aber man ist nicht bereit, die ordentliche Honorierung für die Tätigkeit in diesem Bereich zu erbringen.
Ich nenne Ihnen einmal die Zahlen – ich versuche es nur andeutungsweise –: Ein Landarzt erhält für einen Hausbesuch
Der Arzt erhält 15 € insgesamt für die Behandlung beim ers ten Besuch. Da muss man sich schon einmal fragen, ob die Proteste der Ärzteschaft nicht wirklich mehr Unterstützung und weniger Tadel hier in diesem Haus verdient hätten.
Probleme zu benennen ist das eine. Lösungswege aufzeigen werde ich in der zweiten Runde. Das hängt natürlich an den Grundrahmenbedingungen im Gesundheitswesen. Das geht weit über das hinaus, was wir regional und als Land tun können. Ich benenne hier an dieser Stelle schon einmal – mit guten Gründen verfolgt man unterschiedliche Ziele – die Konzentration im Krankenhauswesen. Sie wird doch hier von uns durch unsere Förderpolitik befördert. Warum? Natürlich stellt sich auch die Frage: Kann ich in jedem kleinen Krankenhaus volle Leistung anbieten?
Ist es unter Qualitätsaspekten nicht besser, Leistungen zu konzentrieren? Das geht bis hin zur Mindestmengenverordnung. Da schreien alle Experten: „Toll, klar, wenn du nicht mindes tens soundso viele OPs machst.“ Aber in einer ländlichen Region kann ich das gar nicht machen.
Wir sehen also: Man sollte einfache Lösungen nicht populis tisch in den Vordergrund stellen, denn man muss, wie immer in der Medizin, versuchen, Wirkung und Nebenwirkung abzuwägen. Zu diesem Teil werde ich mich in meinem zweiten Redebeitrag noch äußern.
Ich kann jetzt auch den Vorsitzenden der FDP/DVP-Landtagsfraktion, Herrn Abg. Dr. Rülke, begrüßen. Seine Verspätung ist ausreichend begründet: Er ist heute Nacht zum dritten Mal Vater geworden. Herzlichen Glückwunsch!
Die Gratulationscour reißt nicht ab. – Herr Rülke, ich hoffe, Ihre Frau hat nicht ambulant beim Landarzt entbunden. Sonst wären Sie jetzt – nach der Vorrede – in Schwierigkeiten.
Der Kollege Noll hat die Sendung „Der Landarzt“ im ZDF erwähnt. Ich will eine SWR-3-Sendung zitieren, nämlich „Die Ländärztin – Marianne 014“, allzeit bereit, aber nicht immer kompetent. Das gilt für unsere Landärzte garantiert nicht. Aber eines ist klar: Das Bild vom heutigen Landarzt entspricht in keinster Weise mehr dem, was die Menschen draußen erwarten und vor allem was sie brauchen, lieber Uli Noll.
Die heutige Situation ist folgendermaßen: Die größte Gefahr für einen Landarzt ist nicht der nächtliche Besuch bei Nebel und auf winterglatten Straßen, sondern die größte Gefahr für einen Landarzt heißt ganz eindeutig Ulla Schmidt.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Sehr gut!)
Ich sage auch, warum: Wir erleben seit Jahren – da bin ich mit Uli Noll einig –, dass das Gesundheitssystem vom niedergelassenen Arzt wegentwickelt wird, dass immer mehr stationäre Einrichtungen an der ambulanten Behandlung beteiligt werden. Die Bundespolitik – Ulla Schmidt – schwächt die Hausärzte.
(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Aber da sind Sie ja auch beteiligt! – Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Ur- sula Haußmann: Wer regiert denn in Berlin?)
Im Vertragsrecht, bei der Zulassung der niedergelassenen Ärzte wird nicht mit gleichem Maß gemessen. – Sie können ja nachher reden. Sie haben ja selbst Redezeit.
Polikliniken, Praxiskliniken und zum Schluss – Uli Noll hat es erwähnt – die Honorarreform: Das sind die wahren Feinde der Landärzte.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Das ist doch nicht zu glauben!)
Ich bin froh, dass unser Minister Peter Hauk vor zwei Jahren die Initiative ergriffen und dafür gesorgt hat, dass das Thema „Medizinische Versorgung im ländlichen Raum“ angegangen worden ist. Es wurde eine interministerielle Arbeitsgruppe gebildet, die Ergebnisse präsentiert hat. Die Ergebnisse sind bekannt. Ich will das eine oder andere heute noch einmal ansprechen.
Wir können in Baden-Württemberg einiges tun. Das meiste kann allerdings die Bundespolitik tun. Ich sage Ihnen, was im Moment unsere Sorgen sind.
Wir stehen heute vor der Situation, dass wir eigentlich bei der Diskussion aus dem Jahr 1996 nie weitergekommen sind. Im Jahr 1996 durften sich letztmals Ärzte niederlassen. Dann gab es die Niederlassungssperre für sogenannte überversorgte Regionen. Damals hat dies zu einem Ärzteboom geführt.
1990 – diese Zahlen möge man sich einmal anhören – waren in Baden-Württemberg 11 964 Ärzte niedergelassen. Nach dem Niederlassungsstopp, vor dem viele Ärzte noch in Praxen gedrängt sind, waren 1998 bei gleich hoher Bevölkerungszahl 16 373 Ärzte niedergelassen. Viele dieser Ärzte haben sich leider nicht im ländlichen Bereich niedergelassen, sondern haben ihren Weg gesucht und sind dorthin gegangen,
Es wurde also durchaus eine von der Politik implizierte schlechte Verteilung der Ärzte erreicht, indem man die Entwicklung zwar gestoppt, aber nicht gelenkt hat.
Ich will einmal Zahlen aus Baden-Württemberg nennen. In der Stadt Heidelberg kommen auf einen Arzt 245 Einwohner. Im Hohenlohekreis, lieber Kollege Rüeck, kommen auf einen Arzt 839 Einwohner. Allein diese Zahlen sollen einmal zeigen, wie ungleich die Verteilung der Ärzte in Baden-Würt temberg ist.