Protocol of the Session on June 17, 2009

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Für die Landesregie- rung ist das zeitnah! – Abg. Günther-Martin Pauli CDU: Das reicht aber aus!)

Das Grundrecht der Presse- und Rundfunkfreiheit gilt eben auch für Parteien. Dieses Grundrecht kann nur eingeschränkt werden, soweit es um den beherrschenden Einfluss einer Partei geht. Das totale Verbot ist unverhältnismäßig und verfassungswidrig; das haben Sie jetzt gelernt. Allerdings: Warum diese Bagatellgrenze bei 2,5 % liegt, müssen Sie uns im Ausschuss noch erklären. Dafür habe ich keine Erklärung gefunden.

Ohnehin richtet sich diese Regelung allein gegen die SPDMedienholding, obwohl diese Gesellschaft an keinem einzigen Unternehmen in Baden-Württemberg beteiligt ist. Dankenswerterweise hat das Bundesverfassungsgericht in Kapitel 1 seiner Begründung die Geschichte der SPD-Medienbeteiligungen breit ausgeführt. Ich empfehle Ihnen, dieses einmal nachzulesen. Das bereichert Ihre geschichtlichen Kenntnisse und gibt Ihnen die Einsicht, dass die SPD schon damals vor über hundert Jahren wie auch heute eine kampferprobte Partei ist.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Und für Privatrund- funk war!)

Anstatt aber in Baden-Württemberg einem Phantom hinterherzujagen wäre eine echte Transparenz bei der Beteiligungsstruktur der Medienunternehmen das Gebot der Stunde. Die Menschen sollten wissen, wer ihnen über Rundfunk – in

Klammern: auch über Presse – erkenntnisreiche Nahrung liefert. Ein jährlicher Bericht über die Beteiligungsverhältnisse der Medienunternehmen wäre hier angezeigt. Wir haben das schon 2003 gefordert. Damals hielt Ihr Vorgänger, der damalige Minister Palmer,

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Vorvorgänger!)

dieses immerhin für überlegenswert und wollte die KEK damit befassen. Es wäre interessant, zu erfahren, was daraus geworden ist, Herr Minister Reinhart.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Woher soll der das wis- sen?)

Jetzt zur Lizenzverlängerung: Hier befindet sich die Politik in der Tat in einer schwierigen Lage. Klar ist, dass die Digitalisierung auch im Hörfunk langfristig nicht aufzuhalten sein wird. Sie ist auch von uns erwünscht, weil hier neue Wertschöpfungsketten aufgebaut werden können. Nach der aktuellen gesetzlichen Regelung im Telekommunikationsgesetz sollen deshalb 2015 die analogen Frequenzen abgeschaltet werden. Das ist nicht mehr lange hin.

Nur, die kommerziellen Veranstalter verharren offensichtlich in Lethargie. Sie legen keine Geschäftsmodelle für den digitalen Rundfunk vor, die für den Nutzer einen Mehrwert haben, damit auf dem Markt eine Nachfrage nach digitalen Radios entstehen kann. So war die Situation auch schon vor zehn Jahren, als alle Welt vom Einstieg in die DAB-Verbreitung sprach, aber nichts geschah. Heute hat die Technik mit „DAB plus“ nachgezogen.

Ausgerechnet jetzt verkündet der Vizepräsident des Verbands der privaten Rundfunk- und Telekommunikationsunternehmen, dass sein Verband am 25. Juni wahrscheinlich eine Absage hinsichtlich eines digitalen Neuanfangs auf „DAB plus“ verkünden wird. Ist das nun ein Mangel an Investitionsbereitschaft oder vielleicht eine Strategie, um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in seinen digitalen Bestrebungen zu blockieren? Wäre es vor diesem Hintergrund nicht auch richtig, zu überlegen, einen Antrag auf Verlängerung der Frequenzzuweisungen mit der Forderung zu verknüpfen, endlich Geschäftsmodelle für den Digitalfunk auf den Weg zu bringen?

Vor mehr als zwei Jahren fand im Staatsministerium ein Gespräch mit den privaten Anbietern statt. Vielleicht sollten Sie das fortsetzen, Herr Minister, um einmal zu erfahren, wie weit denn die privaten Veranstalter überhaupt sind.

Vor anderthalb Jahren stellten die Veranstalter selbst in einem Brief an den Ministerpräsidenten die Forderung nach einer Verlängerung der Frequenzzuweisungen auf. Sie begründeten dies damals mit der notwendigen Planungssicherheit und der Gefahr, dass, wenn sie nicht auf den Markt kommen, die gro ßen nationalen Veranstalter den Markt besetzen würden.

Unsicher ist gleichzeitig, welche Chance das Internetradio haben wird. Zudem ist, wie Sie auch sagten, noch lange nicht ausgemacht, dass der Termin 2015 zum Umstieg auf digitales Radio überhaupt gehalten werden kann.

Mit dieser einmaligen Verlängerung der Nutzung analoger Frequenzen um fünf Jahre auf Antrag erhalten nun die kommerziellen Hörfunkveranstalter eine Galgenfrist, um sich end

lich auf dem digitalen Markt zu etablieren, und zwar zusammen mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wie wir das wollen. Wenn sie weiter blockieren, wird die Politik die Strukturen der hiesigen Hörfunklandschaft neu ordnen müssen. Es zeigt sich immer mehr, dass dieser Verlegerhörfunk, wie wir ihn heute kennen, wahrscheinlich keine Zukunft haben wird.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Abgeordnete, ich darf Sie bitten, zum Ende zu kommen. Ihre Redezeit ist bereits weit überschritten.

Noch ein kleines Wörtchen zum nicht kommerziellen Hörfunk.

(Abg. Jörg Döpper CDU: Klein!)

Wir halten es durchaus für notwendig, dass auch der nicht kommerzielle Hörfunk in diese Frequenzverlängerung einbezogen wird. Er wird von der Landesregierung immer sehr sträflich vernachlässigt. Wir halten diesen Zweig unserer Hörfunklandschaft für unverzichtbar

(Abg. Günther-Martin Pauli CDU: Das ist unstrit- tig!)

und meinen, dass auch er an dieser Frequenzverlängerung beteiligt werden sollte.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Walter für die Fraktion GRÜNE.

(Zuruf von der CDU: Jürgen, mach’s kurz!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich hatte den Eindruck, die Rede des Herrn Ministers ist nicht aktuell. Zumindest geht sie auf die ak tuellen Entwicklungen nicht ein.

Erster Punkt: Die Kollegin Kipfer hat darauf hingewiesen: Der Verband der privaten Rundfunkanbieter stellt die Digitalisierung insgesamt infrage. Das, Herr Minister, wäre doch auch ein wichtiges Thema Ihrer Rede gewesen.

(Zuruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)

Denn die Kollegin Kipfer hat doch völlig recht: Wenn man einerseits den privaten Rundfunkanbietern eine Möglichkeit gibt, ohne Ausschreibung eine Verlängerung der Lizenz um fünf Jahre zu bekommen, weil die Digitalisierung 2015 anfängt, und dann die gleichen Anbieter sagen: „Wir wollen die se Digitalisierung gar nicht mehr“, dann stellt sich doch die Frage, ob diese Änderung des Mediengesetzes vor diesem Hintergrund überhaupt noch gerechtfertigt ist, Herr Minis ter.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Günther-Martin Pauli CDU: Die kommt ja nicht zwangsläufig!)

Der zweite Punkt ist: Herr Minister, Sie mussten ja in der letzten Sitzung des Ständigen Ausschusses etwas früher gehen.

Da hat der Vertreter des Staatsministeriums endlich eingeräumt – in der Stellungnahme zu meinem Antrag wurde dies noch nicht eingeräumt –, dass 2015 als Zeitpunkt für die Umstellung auf Digitalfunk gar nicht mehr zu halten ist. Wenn diese Kenntnis jetzt endlich im Staatsministerium angekommen ist, dann frage ich mich: Warum muss man das Mediengesetz jetzt noch ändern?

Vor allem hat er zu Recht darauf hingewiesen, Herr Minister, dass es nicht vermittelbar ist, dass Millionen von Geräten nicht mehr genutzt werden können. Das heißt, wenn es wirklich 2015 zu der Umstellung auf den Digitalfunk käme, müssten wir uns alle ein anderes Empfangsgerät kaufen. Das ist doch nicht vermittelbar.

Herr Minister, vor dem Hintergrund dieser beiden Themenkomplexe stellt sich wirklich die Frage, warum Sie heute diesen Gesetzentwurf noch in dieser Form vorlegen.

Der nächste Punkt, den ich ansprechen möchte, betrifft die Frage: Warum kommen die nicht kommerziellen Anbieter nicht in denselben Genuss wie die kommerziellen Anbieter? Jetzt sagt der Kollege Pauli: Wir wollen nicht in den LfKHaushalt eingreifen. Das ist ja redlich und schön; da sind wir auch dafür. Aber wir alle wissen: Die nicht kommerziellen Hörfunkanbieter sind gehalten, einen Teil ihres Geldes durch Drittmittel zu generieren. Aber dazu brauchen sie genauso Planungssicherheit. Auch sie müssen sagen können: Unser Hörfunkangebot existiert noch einige Jahre. Wie lange können wir euch im Boot halten?

Deswegen wäre es richtig, hier nicht immer wieder fälschlicherweise und völlig zu Unrecht eine Unterscheidung zwischen den kommerziellen und den nicht kommerziellen Anbietern zu machen. Herr Kollege Pauli, ich greife gern Ihre Anregung auf. Wir können uns gern im Ausschuss darüber unterhalten. Wenn wir schon die Frequenzzuweisungen verlängern – ich halte es mittlerweile eigentlich nicht mehr für haltbar –, dann wollen wir wenigstens eine Gleichberechtigung zwischen kommerziellen und nicht kommerziellen Anbietern.

Insgesamt glaube ich: Die Digitalisierung ist nicht aufzuhalten, und sie ist auch der richtige Weg. Wir müssen allerdings beachten: Derzeit gibt es dafür nicht genügend Anbieter. Sie haben von einem dualen System gesprochen, aber das ist dann zukünftig zweigeteilt: die einen digital und die anderen analog. Das würde ja bedeuten: Die Nutzer brauchen einerseits ihr altes „Dampfradio“, und dann brauchen sie noch ein digitales Empfangsgerät. Das, meine Damen und Herren, ist ja nun wirklich überhaupt nicht mehr vermittelbar, dass die Nutzer einerseits das alte Gerät behalten sollen und sich andererseits ein neues kaufen sollen.

Deswegen müssen wir einen anderen Weg beschreiten. Wenn es in den nächsten Jahren nicht zu dieser Digitalisierung kommt, brauchen wir das vorliegende Gesetz nicht so durchzuziehen. Zweitens sollten wir dafür sorgen, dass die Voraussetzungen in den nächsten Jahren geschaffen werden können, und einen neuen Zeitraum einräumen. Ich glaube – da gebe ich dem Vertreter des Staatsministeriums völlig recht –: 2015 ist als Zeitpunkt für die Umstellung nicht haltbar. Daraus müssen wir auch in der Diskussion im Ausschuss die Konsequenzen ziehen.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Rauschender Beifall bei der Fraktion GRÜNE!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kluck für die Fraktion der FDP/DVP.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kollege Walter, ich verstehe jetzt nicht, was Sie wollen.

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Das wundert mich nicht!)

Wollen Sie, dass wir gesetzlich anordnen, dass sich Verbände wie der VPRT nicht dazu äußern dürfen? Wollen Sie gesetzlich anordnen, wann, wie und wie schnell das Radio auszutauschen ist? Das ist doch eine Entwicklung, die im Fluss ist. Die müssen wir abwarten. Jetzt hat man einmal den Zeitpunkt 2015 angepeilt. Jetzt einfach zu sagen: „Das ist ja nicht re alistisch, das kommt nie, und deswegen machen wir gar nichts“, ist doch irgendwie komisch. Gleichzeitig wollen Sie aber mit Staatsgewalt irgendetwas durchsetzen. Sie sollten jetzt innerhalb Ihrer Fraktion die Gedanken ordnen,

(Abg. Reinhold Gall SPD: Zum Thema Ordnen hät- ten wir viel zu sagen!)

damit wir dann in der Ausschussberatung einen Standpunkt haben, über den wir sprechen können.

(Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Denn es ist doch klar: Das wird zu gravierenden Veränderungen in der Hörfunkbranche führen, und zwar Veränderungen hin zum Positiven, weil die Zahl der Programme steigen kann usw. Denn dann gibt es die derzeitigen Beschränkungen nicht mehr. Das wird doch eine für die Hörer, für die Nutzer positive Geschichte. Deswegen müssen wir uns darauf einstellen.

Jetzt die Lizenzen zu verlängern ist das einzig Sinnvolle, was man machen kann, damit wir nicht jetzt ausschreiben und, wenn das ganz schnell kommt, wieder ausschreiben müssen. Deswegen verlängern wir einfach die bestehenden Lizenzen, und dadurch gewinnen wir Zeit, um unter Berücksichtigung des tatsächlichen UKW-Abschaltzeitpunkts dann ein zukunftsfähiges Hörfunkkonzept zu entwickeln. Dieser Weg, der in diesem Gesetzentwurf aufgezeigt wird, ist richtig. Deswegen gehen wir ihn auch mit.