Protocol of the Session on April 23, 2009

und sich mit dem Programm zur Weiterbildung in diesem Land auseinanderzusetzen.

(Beifall und Heiterkeit bei der FDP/DVP und Abge- ordneten der CDU – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: 0,0 % zur Sache! – Abg. Rainer Stickelber- ger SPD: Markig, aber inhaltslos!)

Das Wort erteile ich Herrn Minister Rau.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Landesregierung trägt in ganz unterschiedlichen Bereichen der beruflichen Bildung zentrale Verantwortung. Diese Aktionsfelder stehen zueinander in einem inneren und auch in einem ressourcenbedingten Zusammenhang. Wir sind verantwortlich für den Bereich der dualen Ausbildung, wir sind verantwortlich für die beruflichen Vollzeitschulen, und wir haben auch im Bereich der Weiterbildung Verantwortung übernommen.

Der letzte Punkt ist gerade von Herrn Schmiedel hier als ein Kritikpunkt eingeführt worden. Deswegen will ich mich im Wesentlichen auf diesen Punkt konzentrieren, obwohl es auch zur dualen Ausbildung und zu den beruflichen Vollzeitschulen sehr wichtige und zielführende Aspekte anzusprechen gäbe.

Wenn wir ein Folgeschuljahr planen, dann legen wir jeweils das zugrunde, was im Oktober des Vorjahrs durch das Statis tische Landesamt an Bedarfen und Schülerzahlen prognostiziert wurde. Wir richten uns bei der Verteilung der Lehrkräfte, die wir insgesamt für den Schulbereich haben, auf diese prognostizierte Situation ein. Im Oktober 2008 gab es eine Prognose des Statistischen Landesamts, der zufolge die beruflichen Schulen im folgenden Schuljahr einen Rückgang der Schülerzahlen gegenüber dem Vorjahr um 4 000 zu verzeichnen haben würden.

Die ersten Planungen haben natürlich darauf beruht. In der Zwischenzeit sehen wir, dass eine leider sehr dynamisch fortschreitende Wirtschafts- und Konjunkturkrise dazu führt, dass solche Prognosen buchstäblich pulverisiert werden, und dass neue Prognosen nicht gestellt werden können, sondern sich die Nachfrage praktisch täglich neu definiert.

Deswegen tun wir im Bereich der beruflichen Bildung das, was ohnehin erforderlich ist, weil es ein sehr dynamischer Prozess ist – Herr Lehmann als Fachmann aus diesem Bereich weiß das –: Wir steuern durch das ganze Jahr auch entsprechend der bekannt werdenden Bedarfe. Wir haben in diesem Prozess Erfahrungen und wissen ganz genau, dass im März/ April eines Jahres noch nicht der Endzustand, der zu Beginn des jeweils neuen Schuljahrs erreicht sein wird, bekannt ist. Deswegen wissen wir auch, dass wir diesen dynamischen Pro

zess durch das laufende Schuljahr hindurch aufrechterhalten müssen.

Da wir aber schon jetzt die Prognose nicht mehr zugrunde legen können, haben wir Entscheidungen getroffen, die eine Verlagerung von Ressourcen in den Bereich der beruflichen Bildung bedeuten. Wir haben trotz der Prognose „Minus 4 000“ in der Zwischenzeit klargestellt, dass keine Stellen aus dem beruflichen Bereich verlagert werden,

(Abg. Stephan Braun SPD: Das wäre ja auch noch schöner!)

sondern dass alle Stellen, die im beruflichen Bereich im laufenden Schuljahr vorhanden sind, auch im nächsten Schuljahr dort zur Verfügung stehen. Darüber hinaus sind 30 Klassen für die beruflichen Gymnasien zusätzlich eingerichtet worden.

Herr Schmiedel, Sie haben im Wesentlichen zu den Angeboten der Weiterbildung Stellung genommen. Deswegen will ich darauf jetzt auch zu sprechen kommen. Wir haben hier zwei große Bereiche. Der eine Bereich sind die Technikerschulen, und der andere Bereich sind die einjährigen Berufskollegs, die zur Fachhochschulreife führen und die sich an eine Berufstätigkeit anschließen.

Bei den Technikerschulen haben wir im laufenden Schuljahr mit den etwas mehr als 4 000 zur Verfügung gestellten schulischen Plätzen den vollen Bedarf abgedeckt.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Warum werden dann so viele abgewiesen?)

Jetzt ist aus der Situation der Wirtschaftskrise heraus ein neuer Bedarf erkennbar geworden. Wir haben derzeit etwa 1 600 Anmeldungen mehr als im vergangenen Jahr. In den Berufskollegs, die zur Fachhochschulreife führen, haben wir etwa 1 000 Anmeldungen mehr als im vergangenen Jahr. Zur Verfügung haben wir dort derzeit 5 850 Plätze.

Das ist im Schulausschuss zur Sprache gekommen, und ich habe dort sehr deutlich gemacht, dass ich es für richtig halte, dass wir im Bereich der Weiterbildung versuchen, ein Aktionsbündnis hinzubekommen, weil wir nicht einfach irgendwoher Stellen nehmen können, die nicht im Haushalt stehen. Wir wollen ein Aktionsbündnis aus Wirtschaftsministerium, Sozialministerium, Bundesanstalt für Arbeit, den Kammern, die ebenfalls für die berufliche Weiterbildung zuständig sind, und uns, dem Kultusministerium, schließen. Es ging überhaupt nicht darum, irgendeine Verantwortung abzuschieben, sondern ich glaube, dass wir in dieser schwierigen Situation die Kräfte sinnvoll bündeln müssen. Ich sehe durchaus auch Möglichkeiten, gerade im Bereich der Weiterbildung zusätzliche Plätze zu schaffen. Der Prozess läuft erst an. Wir haben auch noch etwas Zeit zum Nachsteuern, bis das neue Schuljahr beginnt. Ich bin optimistisch, dass wir diese Aufgabe in diesem Jahr meistern werden.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kaufmann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In dieser Krise zeigt sich schlagartig, welche Defizite wir in der Berufsbildung haben, und dies nicht erst seit heute, sondern schon seit Jahren. 50 % der Bewerber um einen Ausbildungsplatz, die bei der Agentur für Arbeit gemeldet sind, kommen nicht in eine duale Ausbildung, sondern befinden sich in Übergangssystemen, in sogenannten Warteschleifen.

(Zuruf der Abg. Andrea Krueger CDU)

Das durchschnittliche Alter beim Eintritt in die duale Ausbildung liegt in Baden-Württemberg mittlerweile nicht mehr bei 16 oder 17 Jahren, sondern bei fast 19 Jahren.

(Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Die Kapazität der beruflichen Schulen reicht bei Weitem nicht aus, um das bereitzustellen, was wir zur Deckung des Bedarfs benötigen, um den Fachkräftemangel zu beseitigen und um den Fachkräftenachwuchs zu sichern. Insofern ist eine Verantwortung des Landes gegeben.

Was ich jetzt herausgehört habe, Frau Krueger, war im Tenor: „Eigentlich sind wir nicht zuständig. Es gibt ja den Bund, dann gibt es die Agentur, dann gibt es die Arbeitgeber.“

(Zuruf der Abg. Andrea Krueger CDU)

Was Sie seitens der Landesregierung anbieten, war der absolute Minimaleinsatz des Landes. Das reicht angesichts der Dimension der Krise nicht aus.

(Beifall bei der SPD)

Herr Rülke hat das sehr wolkig beschrieben und auf andere Themen abgelenkt, seien es Mindestlöhne, sei es der Verweis darauf, dass die anderen schuld seien wie die Arbeitsagenturen und Ähnliches.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Er weiß es nicht bes- ser!)

Das sind keine Antworten auf die Herausforderungen, vor denen wir jetzt stehen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Rau, es ist auch nicht ein dynamischer Prozess, den wir jetzt zu gestalten haben. Ihre Aussage „Wir nehmen denen nichts weg“ ist Hohn. Die beruflichen Schulen brauchen mehr.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: So ist es!)

Die brauchen angesichts der Anmeldezahlen mehr. Schauen Sie sich die Anmeldezahlen bei den beruflichen Gymnasien an: 10 000 können nicht unterkommen, und Sie warten einfach ab, wie das im Sommer aussieht, und sagen, die würden schon eine Alternative finden.

Nun kann es passieren, dass eine gute Realschülerin, die sich beispielsweise für das sozialpädagogische Gymnasium anmeldet, mit einem Notenschnitt von 2,1, 2,2 oder 2,3 nicht zum Zuge kommt, weil sie einen Notenschnitt von 2,0 braucht, da es auf die 33 Plätze 135 Bewerber gibt. Welche Alternativen

hat diese Bewerberin? Sie könnte in der Nachbarstadt auf ein entsprechendes privates berufliches Gymnasium gehen. Die Schülerzahl an diesen Einrichtungen hat in den letzten Jahren um 250 % zugenommen. Das ist aber nicht die richtige Antwort. Die richtige Antwort wäre, dass das Land seine Verantwortung wahrnimmt.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Haben Sie etwas gegen Privatschulen, Herr Kollege?)

Was könnte besagte Schülerin noch machen? Sie kann ein Praktikum machen. Sie kann auf das Berufskolleg gehen. Sie nimmt vielleicht an einem EQJ teil; daran nehmen mittlerweile auch sehr viele Absolventinnen und Absolventen der Realschule teil. Ich sage ja immer: Das, was dort betrieben wird, sieht aus wie ein staatlich subventioniertes Assessment-Center. Aber insgesamt wird nicht das geleistet, was zur Deckung des Bedarfs notwendig wäre.

Insofern ist auch die Aussage am Ende des Schuljahrs oder zu Beginn des neuen Schuljahrs, alle seien versorgt, nichtssagend, weil der größere Teil der Absolventen irgendwo gelandet ist, wo sie eigentlich nicht hinwollen. Das ist nicht gerecht gegenüber den jungen Menschen mit ihrer Motivation und Weiterbildungsbereitschaft.

(Beifall bei der SPD)

Insofern ist enttäuschend, was von der Regierungsseite dargestellt wurde. Ich denke, als junger Mensch, vielleicht auch als Zuhörer hätte man konkretere und andere Antworten erwartet.

Wo liegen die Herausforderungen? Was kann die Landesregierung machen? Sie haben es angesprochen: Wir haben einen Andrang an den Technikerschulen, der im Moment nicht zu bewältigen ist. Wir haben auch einen Andrang an den Berufsoberschulen. Dasselbe ist bei den einjährigen Berufskollegs der Fall. Das heißt, alle Schularten im beruflichen Schulsystem, die auf eine duale Berufsausbildung und eine entsprechende berufliche Praxis aufbauen, sind natürlich jetzt gefragt. Da können wir die Menschen in dieser Situation nicht abweisen. Wir können nicht sagen: „Hier sind wir nicht verantwortlich.“

Sie haben auch wunderbare Versuchsmodelle, etwa das Verzahnungsmodell im Rahmen des Berufskollegs, beendet. Die Weiterführung ist offensichtlich am Widerstand der FDP/DVP gescheitert. Das kam im Schulausschuss zum Ausdruck. Frau Krueger hat gesagt, Sie hätten diese Schulart gern attraktiver gemacht, Sie hätten gern die Anrechnungsmodalitäten verbessert.

(Abg. Andrea Krueger CDU: Aber wir können es doch nicht gegen die Betriebe machen!)

Das können wir, das können wir sehr wohl.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Die SPD kann das!)

Denn wir haben durch das Berufsbildungsgesetz jetzt die Möglichkeit, das durch entsprechende Verordnungen vorzuschreiben.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Pe- ter Wetzel FDP/DVP)

In einer Situation, in der das Angebot in der dualen Ausbildung knapp ist, ist es unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit, das durch Vollzeitangebote an den beruflichen Schulen entsprechend auszugleichen.