Protocol of the Session on March 19, 2009

Erst mit dem Abgleich, der dieser Tage auch stattgefunden hat, kann man genau sagen, wie viele Schulplätze wir am Ende brauchen. Um dem real zu erwartenden Zuwachs gerecht zu werden, haben wir bereits im vergangenen Jahr – Sie erinnern sich vielleicht – die zusätzliche Einrichtung sozialwissenschaftlicher Gymnasien mit 15 Klassen beschlossen. Weitere 30 Klassen werden entsprechend dem regionalen Bedarf an den anderen beruflichen Gymnasien eingerichtet.

Meine Damen und Herren, berufliche Gymnasien sind tatsächlich ein Erfolgsmodell. Denn gerade die beruflichen Schulen sind die Garanten dafür, dass wir in Baden-Württemberg kaum Jugendliche ohne Schulabschluss – das Thema „Kein Abschluss ohne Anschluss“ wurde vorhin schon angesprochen – und dementsprechend auch die bundesweit niedrigste Jugendarbeitslosigkeit haben.

Wie gefragt das berufliche Gymnasium schon seit Langem ist, lässt sich an der Entwicklung der Schülerzahlen ablesen, die in den letzten 20 Jahren um 50 % auf über 45 000 Schüler zugenommen haben. Da nimmt sich selbst die Zahl von 2 500

zusätzlichen Bewerbern, die die Kollegen und Kolleginnen von der SPD in den Raum stellen, eher bescheiden aus.

Herr Kaufmann, in der Begründung des Antrags Drucksache 14/4068 steht: Die SPD fordert die Landesregierung angesichts der steigenden Bewerberzahlen auf, „schnellstens zu reagieren und zusätzliche Lehrkräfte dauerhaft an den beruflichen Gymnasien im Land“ einzustellen. Auf die Haushaltsberatungen haben Sie ja schon hingewiesen.

(Zuruf des Abg. Gunter Kaufmann SPD)

Aber es ist halt wie so oft im Leben: Sie machen es sich auch an dieser Stelle wieder einmal sehr einfach. Ich habe mir einmal das Vergnügen gemacht,

(Heiterkeit des Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE)

nur grob die Haushaltsanträge zu überschlagen, die Sie allein zum Etat des Kultusministeriums im Zuge der letzten Haushaltsberatungen gestellt haben. Dabei bin ich auf die stolze Summe von präterpropter 340 Millionen € gekommen. Nicht feststellen konnte ich allerdings, dass Sie an dieser Stelle auch einen vernünftigen Finanzierungsvorschlag gemacht hätten.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: So ist es! – Abg. Rein- hold Gall SPD: Da hätten Sie halt bei den Haushalts- beratungen sorgfältig zuhören müssen! Dann hätten Sie es mitbekommen!)

Habe ich, habe ich. Doch. – Die Auflösung von Rücklagen, die Sie da jeweils anbieten, ist eben kein vernünftiger Finanzierungsvorschlag. Wie gesagt: vernünftig, nicht nur pauschal.

(Zuruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE)

Aber Gott sei Dank ist es ja so, dass die Wählerinnen und Wähler in diesem Land dafür Sorge getragen haben, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, weder für das Schulwesen noch für den Haushalt Verantwortung tragen.

(Zuruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE)

Denn mit beidem muss man verantwortlich umgehen. Wir sind uns dieser Verantwortung bewusst. Deshalb bekennen wir uns auch mit unserem gemeinsamen Antrag von CDU und FDP/ DVP zum weiteren bedarfsgerechten Ausbau der beruflichen Gymnasien. Deshalb stehen wir für ein erfolgreiches, verlässliches, gegliedertes Schulwesen

(Unruhe bei der SPD und den Grünen)

und nicht wie Sie für die Beliebigkeit einer Einheitsschule.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Für die FDP/DVPFraktion erteile ich Frau Abg. Dr. Arnold das Wort.

Sehr verehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Man kann es nicht oft genug sagen, und ich möchte es auch von unserer Seite noch einmal mit Nachdruck betonen: Die beruflichen Gymnasien

in Baden-Württemberg sind ein Erfolgsmodell der Bildungspolitik in unserem Land.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Das zeigen die steigenden Schülerzahlen – sie sind in den letzten zehn Jahren um 25 % gestiegen –, und das zeigt auch die Tatsache, dass 31 % der Abiturienten – darauf wurde ja schon hingewiesen – in Baden-Württemberg aus den beruflichen Gymnasien kommen.

Aber nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ können sich die beruflichen Gymnasien durchaus mit den normalen Gymnasien messen. Die durchschnittlichen Abiturnoten unterscheiden sich nämlich bei beiden Schularten nur unwesentlich.

An den beruflichen Gymnasien ist der Ausländeranteil der Schüler mit 7 % fast doppelt so hoch wie an den normalen Gymnasien.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Kolleginnen und Kollegen, verlegen Sie bitte Ihre Gespräche nach außerhalb des Plenarsaals. – Bitte, Frau Abg. Dr. Arnold.

Vielen Dank, Herr Präsident.

Damit erbringen die beruflichen Gymnasien eine große Integrationsleistung. Sie schöpfen Begabungsreserven aus und ermöglichen jungen Menschen aus eher gymnasialfernen Familien den sozialen Aufstieg.

Wir von der Landesregierung haben also alle guten Gründe, die beruflichen Gymnasien weiter bedarfsgerecht auszubauen, und das bekräftigen wir noch einmal mit unserem Änderungsantrag, natürlich auch mit Blick auf den doppelten Mittlere-Reife-Jahrgang 2009/2010.

Nur, das größte Problem dabei, meine Damen und Herren von der Opposition, ist: Man kann natürlich tausend Ansprüche formulieren, man könnte 150 neue Klassen fordern, Sie müssen aber auch die Lehrer dafür haben. Das ist das größte Problem, mit dem wir kämpfen. Vor allem hierauf richten wir unser Augenmerk.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zurufe von der SPD)

Denn die beruflichen Gymnasien stehen wie die anderen beruflichen Schulen in einer starken Konkurrenz zur Wirtschaft. So hat z. B. der hohe Bedarf an Ingenieuren in der Wirtschaft – im letzten Jahr, 2008, fehlten bundesweit 100 000 Ingenieure – zu einem massiven Einbruch der Direktbewerberzahlen an unseren beruflichen Schulen geführt; sie sind nämlich um 70 % zurückgegangen. Das sind die eigentlichen Probleme.

Auch die Studierendenzahlen in den traditionellen Gewerbelehrerstudiengängen stagnieren seit Jahren auf niedrigem Niveau. So studierten z. B. im Wintersemester 2007/2008 an den Universitäten Karlsruhe und Stuttgart in den Bereichen Metalltechnik und Elektrotechnik insgesamt nur 72 bzw. 61 Personen mit dem Ziel Lehramt. Das ist natürlich viel zu wenig.

Damit können wir den Lehrerbedarf in diesen Mangelbereichen nicht abdecken.

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Was heißt das denn jetzt?)

Wir müssen – das ist keine Frage – den Schuldienst an unseren beruflichen Schulen attraktiver machen,

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Ursula Haußmann SPD: Dann macht das doch endlich einmal! – Zuruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE)

und wir können ihn jetzt auch attraktiver machen – wir machen es, Frau Haußmann –, und zwar dank der Bildungsoffensive. Wir haben für die nächsten Einstellungs- und Ausbildungsjahrgänge bis einschließlich 2012 insgesamt 15 Millionen € in der Bildungsoffensive zur Verfügung. Mit diesem Geld werden wir tarifliche Zulagen bzw. Sonderzuschläge gerade für diese Mangelbereiche Elektro- und Metalltechnik für Direkteinsteiger, aber auch für Lehramtsanwärter gewähren. Damit kommen die Bruttogehälter in diesen Bereichen im Schuldienst zumindest in die Nähe der aktuellen unteren Ingenieursgehälter in der Wirtschaft und bringen uns hoffentlich mehr Lehrer.

Weitere Maßnahmen sind auf den Weg gebracht worden, um qualifizierte Lehrkräfte zu gewinnen. Ich nenne beispielhaft schulbezogene Ausschreibungen, frühzeitige Ausschreibun gen, frühzeitige Einstellungszusagen, unterjährige Einstellungen, permanente Werbung und Information und auch die verbesserte Anrechnung der Berufserfahrungen von Direkt einsteigern bei der tariflichen Zuordnung.

Wir sind also erkennbar auf einem guten Weg, und die geschilderten Maßnahmen werden sicherlich dazu beitragen, den Lehrermangel an unseren beruflichen Schulen, einschließlich der Gymnasien, zu mildern und so einen bedarfsgerechten Ausbau der Kapazitäten zu ermöglichen.

Wir werden den Ausbau der beruflichen Gymnasien fortsetzen – quantitativ und qualitativ.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Als neu entwickelter Zweig kommen ab dem nächsten Schuljahr 15 Standorte für sozialwissenschaftliche Gymnasien dazu. Auch dieser Ausbau muss und wird fortgesetzt werden. Der Bedarf und die Nachfrage sind groß. Das haben die Bewerbungen von allen Stadt- und Landkreisen um den Zuschlag für einen solchen Standort gezeigt.

Wenn wir unser Ziel des flächendeckenden Ausbaus der Kleinkindbetreuung erreichen wollen, dann brauchen wir sowohl die jungen Menschen, die im sozialpädagogischen Bereich arbeiten wollen, als auch die, die studieren und andere dafür ausbilden wollen. Deshalb keine Sorge, meine Damen und Herren von der Opposition: Baden-Württemberg und seine beruflichen Gymnasien – diese Erfolgsstory wird weiter fortgesetzt.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Kultusminister Rau das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Berufliche Schulen sind Schulen des Bildungsaufstiegs. Die Durchlässigkeit unseres Schulsystems ist sprichwörtlich. In Baden-Württemberg werden mittlerweile an die 50 % der Studienberechtigungen an beruflichen Schulen erworben und nicht mehr im allgemeinbildenden Schulwesen; bundesweit sind es übrigens 16 %. Daran können Sie ermessen, wie weit wir in BadenWürttemberg beim Ausbau der Angebote der beruflichen Bildung vor den anderen Ländern liegen, insbesondere dort, wo es um den Erwerb zusätzlicher Abschlüsse und Qualifikationen geht.

Das bitte ich einfach zu berücksichtigen, wenn wir hier Bilanzen ziehen, bei denen der eine oder andere noch Verbesserungsmöglichkeiten sieht. Wir, die wir Verantwortung für den Bildungsbereich tragen, Herr Lehmann, sind ja grundsätzlich Optimisten. Deswegen sehen wir jeden weiteren Bedarf, wissen aber auch, dass wir gut unterwegs sind.

Der besondere Beitrag beruflicher Gymnasien zur gerechten Verteilung von Bildungschancen im Schulsystem wird in der TOSCA-Studie ausdrücklich bestätigt. Professor Jürgen Baumert vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin unterstreicht die „Modernität“ des baden-württembergi schen Bildungsangebots und stellt dabei insbesondere heraus, dass die beruflichen Gymnasien in einem gegliederten Bildungswesen entscheidend dazu beitragen, dass alle Begabungsreserven erfasst, gefördert und zum Wohl der jungen Menschen und des Landes ausgebildet werden. „Die beruflichen Gymnasien sind eine intelligente Lösung“, so Baumert wörtlich.