Protocol of the Session on March 19, 2009

Der besondere Beitrag beruflicher Gymnasien zur gerechten Verteilung von Bildungschancen im Schulsystem wird in der TOSCA-Studie ausdrücklich bestätigt. Professor Jürgen Baumert vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin unterstreicht die „Modernität“ des baden-württembergi schen Bildungsangebots und stellt dabei insbesondere heraus, dass die beruflichen Gymnasien in einem gegliederten Bildungswesen entscheidend dazu beitragen, dass alle Begabungsreserven erfasst, gefördert und zum Wohl der jungen Menschen und des Landes ausgebildet werden. „Die beruflichen Gymnasien sind eine intelligente Lösung“, so Baumert wörtlich.

Das berufliche Gymnasium trägt entscheidend zur Durchlässigkeit des Bildungssystems bei. Über die Realschule, welche mit über 70 % der Schülerinnen und Schüler die wichtigste Zubringerschule für das berufliche Gymnasium ist, über die Hauptschule in Verbindung mit der zweijährigen Berufsfachschule oder über die Werkrealschule ist für leistungsstärkere Schülerinnen und Schüler ein Durchstieg bis zur allgemeinen Hochschulreife möglich.

Darüber hinaus kommen Schülerinnen und Schüler aus dem allgemeinbildenden Gymnasium nach Klasse 10 im neunjährigen Bildungsgang oder nach Klasse 9 oder 10 im achtjährigen Bildungsgang in die Eingangsklasse des beruflichen Gymnasiums.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Allseits be- kannte Allgemeinplätze, Herr Minister!)

Ich glaube nicht, lieber Herr Kollege Kretschmann, dass es Sinn machen würde, die Dinge nicht im Zusammenhang darzustellen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: So ist es! Genau! Das hören Sie nicht so gern, Herr Kretschmann!)

Ich halte es in diesem Zusammenhang für wirklich wichtig, dass dabei auch einmal dargestellt wird, was wir mit den An

geboten der beruflichen Schulen, insbesondere in beruflichen Gymnasien in diesem – –

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Aber diese Debatte heißt schon „Aktuelle Debatte“!)

Wir debattieren über zwei Anträge, Herr Kollege Kretschmann.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Man muss nicht immer bei Adam und Eva anfangen und bei der Weltrevolution enden!)

Nein, die Weltrevolution ist dann Ihre Nummer. Da wird es dann ganz allgemein und ganz verstiegen. Aber wir machen hier konkret berufliche Bildung.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Für Schülerinnen und Schüler eröffnet sich über das berufliche Gymnasium neben dem G 8 nach wie vor der neunjährige Weg zur allgemeinen Hochschulreife. In der Regel sind das sechs Jahre Realschule und drei Jahre berufliches Gymnasium.

Die beruflichen Gymnasien sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich ausgebaut worden. Ebenso stieg die Zahl der Schülerinnen und Schüler an den öffentlichen beruflichen Gymnasien in Baden-Württemberg von 37 129 im Schuljahr 2001/2002 auf 46 344 im Schuljahr 2008/2009 stetig an. Die Zahl wird weiter steigen, weil wir im nächsten Jahr 30 zusätzliche Klassen in Aussicht gestellt haben. Dazu kommen noch die 15 neuen Klassen des sozialwissenschaftlichen Gymnasiums.

Dabei ist die Zahl der Eingangsklassen auch an den bestehenden Standorten kontinuierlich ausgebaut worden. Aber wir haben auch neue Standorte ausgewiesen, in den vergangenen Jahren etwa zehn neue Standorte für die Technischen Gymnasien.

Zum Schuljahr 2009/2010 haben wir eine Sondersituation. Schülerinnen und Schüler aus den allgemeinbildenden Gymnasien haben sich sowohl nach Klasse 10 des G 9 als auch nach Klasse 9 des achtjährigen Gymnasiums an beruflichen Gymnasien beworben. Dazu ist in den vergangenen Wochen und Monaten viel Panik gemacht worden; insbesondere der Kollege Kaufmann hat sich dabei „rühmlich“ hervorgetan.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Unrühmlich!)

Ja, unrühmlich! Sie haben recht, Herr Kollege Noll.

(Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Er hat immer behauptet, hier käme ein doppelter Bewerberjahrgang auf uns zu. Es war klar, dass es so nicht kommen würde. Wir wissen jetzt, was an zusätzlicher Nachfrage aus der neunten Klasse des G 8 kommt: Es ist etwa ein Viertel der Zahl der Schüler eines Bewerberjahrgangs aus Klasse 10, die aus den Gymnasien an die beruflichen Gymnasien wechseln wollen.

(Abg. Gunter Kaufmann SPD: Aber das bringt das Fass zum Überlaufen!)

Für dieses Viertel haben wir mit den 30 zusätzlichen Klassen längst angemessen Vorsorge getroffen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Aber es fehlt doch eh schon hinten und vorn! Es gibt doch schon einen grundsätzlichen Mangel! – Zurufe der Abg. Theresia Bauer GRÜNE und Gunter Kaufmann SPD)

Herr Kollege Kaufmann, Sie haben ja immer auch die Rastatter Situation im Auge. Am letzten Samstag hat die geschäftsführende Schulleiterin der beruflichen Schulen im Kreis Rastatt, Frau Wörz-Reichenauer, in ihrer Heimatzeitung erklärt, dass die zusätzliche Nachfrage eine „vernachlässigbare Größe“ sei.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Wie hoch ist die Ableh- nungsquote? – Gegenruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das entscheidet sich im September!)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Kaufmann?

Ja, bitte.

Bitte, Herr Abg. Kaufmann.

Herr Minister, würden Sie dem Plenum bitte den gesamten Inhalt dieses Artikels zur Kenntnis geben. Dort wird nämlich zum Ausdruck gebracht, dass weit über 600 Bewerbungen anstehen und angesichts der jetzigen Lage für mindestens ein Viertel der Bewerber keine Plätze zur Verfügung stehen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Reinhold Gall SPD: Hoppla! Wieder nur die halbe Wahrheit gesagt! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Also! Ein Viertel muss zurückgeschickt werden!)

Auch diesen Sachverhalt erkläre ich Ihnen gern. Die geschäftsführende Schulleiterin spricht von 600 Bewerbern und davon, dass 16 Klassen à 32 Plätze existieren – insgesamt über 500 –, sodass also einem Sechstel, nicht einem Viertel – aber beim Bruchrechnen kann man auch einmal großzügig sein – derer, die sich beworben haben, jetzt kein Platz in Aussicht gestellt werden kann. Dazu müssen wir uns erst einmal anschauen, wie das Verfahren übers Jahr läuft.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es!)

Es bewerben sich nämlich auch Leute, die eine Option u. a. im beruflichen Gymnasium sehen, die aber auch noch andere Eisen im Feuer haben.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Alle Erfahrungswerte aus den vergangenen Jahren verheißen, dass sich gerade aus diesem Bewerberfeld im Lauf des Schuljahrs bis zum 1. September auch noch andere Entscheidungen für die künftige Berufs-, Ausbildungs- oder Schullaufbahn ergeben

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Genau!)

und dass wir deswegen mit einer solchen Kapazität dafür sorgen können, dass angemessen auf die Anfragen und Anmeldungen reagiert werden kann.

Das Zweite ist: Sie rechnen da alle mit hinein, die vom allgemeinbildenden Gymnasium aufs berufliche Gymnasium wechseln wollen. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wir müssen hier nicht für alle Wechselwünsche Vorsorge treffen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Völlig richtig!)

Diese Schülerinnen und Schüler befinden sich in einem gymnasialen Bildungsgang und wollen nur auf einen anderen gymnasialen Bildungsgang mit dem gleichen Abschlussziel wechseln. Wir haben eine so breite Palette von gymnasialen Bildungsangeboten, dass es zumutbar ist, einem Gymnasiasten zu sagen: „Für dich haben wir jetzt an der Schule, an der du bist, einen Gymnasialplatz, und an der anderen Schule, auf die du gern gehen würdest, haben wir in diesem Jahr keinen Gymnasialplatz für dich.“ Das halte ich für zumutbar.

(Beifall bei der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es! Völlig richtig! – Zuruf des Abg. Gun- ter Kaufmann SPD)

Wenn wir diese Schülerinnen und Schüler daran hindern würden, einen gymnasialen – –

(Abg. Reinhold Gall SPD: Wenn ich mir den einen oder anderen Rektor hier anschaue, weiß ich, warum die auf ein anderes Gymnasium wollen!)

Herr Gall, es wäre nicht schlecht, wenn Sie sagen würden, wen Sie meinen.

(Abg. Reinhold Gall SPD: So viel Auswahl haben Sie ja hier nicht!)

Ross und Reiter! Kommen Sie, nennen Sie Ross und Reiter!

(Zurufe von der SPD – Gegenrufe von der CDU)

Erst die Leute anonymisiert anmachen und dann nicht Ross und Reiter nennen! Was ist denn das für ein Debattenstil?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Thomas Blenke CDU: Das war immer schon die Gall-Metho- de! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Die wollen doch gar nicht wechseln! Bei uns will ein Einziger wechseln, einer! – Unruhe)

Feigling!