Protocol of the Session on December 4, 2008

Zum Schuljahr 2009/2010 werden sich neben den zahlenmäßig weitaus überwiegenden Schülern mit mittlerer Reife zeitgleich Gymnasiasten aus dem achtjährigen Bildungsgang nach der Klasse 9 sowie auch Gymnasiasten aus dem neunjährigen Bildungsgang nach der Klasse 10 für die Aufnahme in die Eingangsklassen an den beruflichen Gymnasien bewerben. Wegen des doppelten Jahrgangs ist davon auszugehen, dass die Nachfrage nach Schulplätzen an beruflichen Gymnasien zum Schuljahr 2009/2010 das bestehende Angebot übersteigt. Dieser doppelte Übergangsjahrgang wird einmalig sein, da wir mit dem Auslaufen von G 9 künftig nur noch G-8-Schüler haben werden.

Wir haben zu verschiedenen parlamentarischen Anfragen bereits Position bezogen. Ich darf aus der Stellungnahme zum Antrag Drucksache 14/2617 zitieren; diese Antwort gilt auch heute:

Das Kultusministerium ist sich der besonderen Situation der beruflichen Gymnasien … bewusst. In den Bedarfsplanungen ist daher vorgesehen, nach Vorlage der konkreten Anmeldezahlen von Schülern an den beruflichen Gymnasien und unter Beachtung der örtlichen Situation den zusätzlichen Bedarf bei der Zuweisung von Lehrerwochenstunden an die beruflichen Gymnasien zu berücksichtigen.

Verlässliche Aussagen über das Übergangsverhalten von G-8-Schülern nach der Klassenstufe 9 in das berufliche Gymnasium liegen allerdings erst mit den entsprechenden Bewerbungen der Schüler im März des nächsten Jahres vor. Aus heutiger Sicht können daher keine verlässlichen Zahlenangaben zur Entwicklung der Schülerzahlen an den beruflichen Gymnasien im Schuljahr 2009/2010 gemacht werden.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Schüler des G 8 erst nach Klasse 10 ins berufliche Gymnasium überwechseln können und sich somit der Bewerberandrang nicht nur auf das Schuljahr 2009/2010 konzentriert.

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Er hat gerade das Ge- genteil gesagt!)

Die weitere Entwicklung und die konkreten Bewerberzahlen im März 2009 bleiben deshalb abzuwarten. Das Kultusminis terium wird adäquat reagieren.

Es wird darüber hinaus, Herr Kollege Kaufmann, geprüft, ob angesichts der besonderen Bewerbersituation zum nächsten Schuljahr das Aufnahmeverfahren für die Aufnahme in die beruflichen Gymnasien entsprechend angepasst wird.

Zusatzfrage des Herrn Abg. Zeller.

(Abg. Gunter Kaufmann SPD: Ich habe auch noch ei- ne!)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bewusst, dass schon heute deutlich mehr als 15 % der Schüler in den allgemeinbildenden Gymnasien den Wunsch haben, auf ein berufliches Gymnasium zu wechseln, und dass infolgedessen davon ausgegangen werden kann, dass in beiden Jahrgängen, die nun in das berufliche Gymnasium wechseln können, mindestens wieder 15 % der Schüler diesen Wunsch haben und infolgedessen schon aus heutiger Sicht ein echter Bedarf nachweisbar ist und besteht?

Bitte, Herr Staatssekretär.

Herr Kollege Zeller, wir wissen natürlich nicht, ob die doppelten Abgängerjahrgänge tatsächlich zu einer doppelten Bewerberzahl führen.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Doch! Das ist doch klar!)

Nein, das wissen wir nicht, weil wir dabei verschiedene Aspekte berücksichtigen müssen.

Zunächst einmal haben bisher die Bewerber, die nach der Jahrgangsstufe 10 auf das berufliche Gymnasium gewechselt sind, eine mittlere Reife, während die Bewerber nach der Jahrgangsstufe 9 ein Versetzungszeugnis haben, das es ihnen ermöglicht, sich für die Eingangsklassen der beruflichen Gymnasien zu bewerben. Inwieweit dies ein Anreiz ist, dies auch zu tun, oder sich zu entscheiden, erst nach der Jahrgangsstufe 10 den Wechsel zu vollziehen, wissen wir nicht. Wir werden die Entwicklung abwarten und in jedem Fall sehr genau beobachten. Die Anmeldezahlen werden wir am 1. März vorliegen haben.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Dann ist es zu spät!)

Wir werden dann eine Bereinigung dieser Anmeldezahlen vornehmen, zumal wir mit verschiedenen Doppelbewerbungen zu rechnen haben. Wir werden auch das Anmeldeverfahren dahin gehend optimieren, dass wir auch die Schülerinnen und Schüler fragen, für welche Profilbereiche sie sich interessieren. Dann werden wir relativ zügig die Bestandsaufnahme vornehmen, um die Schulen – angepasst an die Bedarfsmeldungen der Schulen und auch angepasst an die räumlichen Voraussetzungen vor Ort – so auszustatten, dass sie die Möglichkeit haben, diesen Anforderungen auch gerecht zu werden.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abg. Lehmann.

Herr Staatssekretär, wie wollen Sie erreichen, dass die Lehrerversorgung bei dem Mehrbedarf, der jetzt durch diese Klassen anfallen wird, sichergestellt ist – nachdem schon jetzt an den beruflichen Schulen nur eine Lehrerversorgung von 96 % besteht –, wenn Sie erst zum 1. März die Zahlen haben und dann eine entsprechende Anzahl von Lehrern für diese Poolklassen zur Verfügung stellen müssen?

Die zweite Frage ist: Mit wie vielen Poolklassen, die gebildet werden müssen, rechnet das Kultusministerium mindestens?

Herr Staatssekretär.

Ich darf bei der zweiten Frage beginnen. Die konkrete Anzahl der hierfür erforderlichen Poolklassen können wir erst dann klar und präzise festlegen, wenn wir den rechnerischen Bedarf dafür genau haben.

(Zuruf des Abg. Norbert Zeller SPD)

Zur ersten Frage muss gesagt werden: Wir haben auch in den vergangenen Jahren in diesem Bereich immer sehr flexibel reagieren müssen, denn die Zahlen der Bewerber für die beruflichen Schulen und auch für die beruflichen Gymnasien waren jeweils auch abhängig von der Situation auf dem Arbeitsmarkt.

Entsprechend haben wir in den letzten Jahren auch reagiert und Umschichtungen für den beruflichen Bereich bedarfsgerecht vorgenommen, um die Schulen mit den erforderlichen Ressourcen auszustatten. Wir sind auch in diesem Jahr bemüht, das strukturelle Defizit nicht zu verschlechtern, sondern zumindest auf diesem hohen Niveau bei 96 % Unterrichtsversorgung aufrechtzuerhalten.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abg. Kaufmann.

Herr Staatssekretär, mit welchem zusätzlichen Bedarf an Lehrerstellen rechnen Sie denn, wenn den Schülern aus dem G 8 die gleichen Zugangschancen zu beruflichen Gymnasien eröffnet werden, wie es bislang im G 9 der Fall war? Wir hatten ja relativ konstante Zahlen; bisher wurden jährlich immer etwa 2 300 Schüler in die beruflichen Gymnasien aufgenommen. Davon können Sie auch jetzt ausgehen – auch wenn die Bewerberzahlen immer höher lagen. Diese Kapazität müssen Sie schaffen. Deshalb die Frage: Haben Sie diese Stellen vorgesehen? Sind sie im Haushaltsplan enthalten? In welchem Umfang rechnen Sie mit entsprechenden Stellen?

Ich habe noch eine zweite Frage. Sie hatten vorhin angesprochen, dass sich die G-8-Schüler auch nach Klasse 10 für ein berufliches Gymnasium bewerben können. Ist das dann eine Wiederholung der Eingangsklasse der Oberstufe?

Bitte, Herr Staatssekretär.

Wenn sich Schüler nach Jahrgangsstufe 10 um die Aufnahme an einem beruflichen Gymnasium bewerben, beabsichtigen wir, die Schüler in diesem

Fall nicht als Wiederholer zu betrachten. Vielmehr müssen diese Schüler die gleichen Chancen erhalten wie diejenigen, die sich mit dem Abgangszeugnis der jeweiligen Schule nach Jahrgangsstufe 9 bewerben.

Zur ersten Frage: Wir werden sehr sorgfältig und frühzeitig insofern steuern, als wir das Kontingent von 85 % für Realschüler, Fachschüler und Werkrealschüler aufrechterhalten wollen, damit wir keine Prioritätenverlagerung zulasten der Absolventen mit mittlerer Reife vornehmen. Wenn wir zusätzlichen Bedarf an weiteren Plätzen haben, wovon wir im Zuge des doppelten Jahrgangs auch ausgehen

(Abg. Norbert Zeller SPD: Na also!)

wir wissen heute aber nicht, Herr Kollege Zeller, wie hoch dieser Bedarf konkret ist –, werden wir auf diesen Bedarf mit der Ressourcenzuweisung entsprechend reagieren.

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Keine weiteren Fragen.

Damit ist Punkt 4 der Tagesordnung beendet.

Ich rufe jetzt den vorgezogenen Punkt 7 der Tagesordnung auf:

Große Anfrage der Fraktion der CDU und Antwort der Landesregierung – Brauchtum und Heimatpflege in Ba den-Württemberg – Drucksache 14/965

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion, gestaffelt, und für das Schlusswort fünf Minuten.

Für die CDU-Fraktion darf ich Frau Abg. Vossschulte das Wort erteilen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Große Anfrage der CDU-Fraktion zum Brauchtum und zur Heimatpflege in Baden-Württemberg hat eine Antwort aus dem Ministerium erhalten, die eine ungeheure Fleißarbeit ist. Ich danke dem Ministerium sehr herzlich für das, was hier akribisch aufgeführt ist. Auf 35 Seiten bietet sich ein hervorragender Überblick darüber, was sich bei uns im Bereich „Brauchtum und Heimatpflege“ tut. Dargestellt werden Vereine, Verbände, Theater, Museen, Kulturdenkmäler, archäologische Denkmäler, Zünfte, Garden, Bruderschaften – kurz: Wer immer sich in irgendeiner Weise mit dem Thema befasst, ist hier vertreten.

Die Zuordnung ist nicht immer ganz einfach. Leider haben die Heimatvertriebenenverbände keinen Eingang in die Antwort gefunden. Das ist allerdings mit der Themenstellung zu rechtfertigen, die sich auf Heimatpflege und Brauchtum in Baden-Württemberg bezog. Heimatvertriebene befassen sich ja mit der Kultur ihres Herkunftslandes.

Stattdessen finden wir hier aber den Cannstatter Wasen

(Abg. Elke Brunnemer CDU: Aha!)

und so manches Faschingsfest. Dabei frage ich mich allerdings, ob dies wirklich dem Brauchtum dient oder ob man dort nicht eher dem Alkoholkonsum frönt.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Oh! – Vereinzelt Hei- terkeit – Zuruf von der SPD: Das ist wirtschaftsschä- digend!)

So manche Sängergruppen und auch Jugendchöre, z. B. Gospelgruppen, sind durchaus traditionsgebundene Vereine, die auch die Tradition pflegen. Sie haben aber keinen heimischen Bezug und gehören insofern auch nicht dazu.

Meine Damen und Herren, diese Darstellung sagt allerdings auch sehr viel über die Bürger unseres Landes aus. Denn damit ist unzweifelhaft das Ehrenamt verbunden. Diese Menschen geben nicht nur den Vereinen Leben, sondern sie sind auch Anregung für die Bevölkerung, und sie leisten einen unermüdlichen Einsatz, einmal indem sie Träger dieser Vereine sind und diese aufrechterhalten, zum anderen aber auch, indem sie die Organisation von zumeist öffentlichen Veranstaltungen übernehmen. Bei Festen, bei Feiern, bei Vorführungen aller Art und bei Umzügen stellen sie sich selbst dar. Sie leis ten aber auch einen erheblichen Beitrag zur Bildung, indem sie Seminare, Vorträge, Workshops anbieten oder eben auch Veranstaltungen anderer Träger bereichern. In jedem Fall leis ten sie einen Beitrag zum Erhalt traditioneller, regionaler oder aber auch überregionaler kultureller Besonderheiten oder tragen gar dazu bei, diese wieder aufleben zu lassen.

Meine Damen und Herren, in Baden-Württemberg engagieren sich fast 1,5 Millionen Menschen in diesem Bereich. Sie leben Werte vor und setzen sich mit Vergangenheit und Tradition auseinander. Dafür gebührt ihnen ein ganz großes Dankeschön.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP/DVP)