Der größte Vorteil wäre: Baden-Württemberg könnte ein Erbschaftsteuer- oder ein Schenkungsteuergesetz erlassen – wenn es überhaupt ein Gesetz erließe –, das unseren Familienbetrieben und unseren Mittelständlern gerecht wird.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Überschrift der heutigen Debatte heißt: „Keine Erbschaftsteuerreform gegen die Familienbetriebe!“ Diese Überschrift können wir uneingeschränkt unterschreiben.
Der Ministerpräsident hat gestern auch klar Stellung genommen und gesagt, dass wir den investitionsintensiven Mittelstand durch die Erbschaftsteuerreform nicht benachteiligen wollen. Aber wenn ich Sie jetzt höre, Herr Wetzel, stelle ich fest: Sie schlagen die komplette Abschaffung der Erbschaftsteuer vor.
(Abg. Dr. Rainer Prewo SPD: Das ist der Punkt! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Jetzt ist die Katze aus dem Sack!)
Darüber könnte man reden, wenn Sie uns sagten, wie wir die 700 Millionen €, die die Erbschaftsteuer jährlich für den Landeshaushalt erbringt, kompensieren sollen. Dazu wurde bisher nichts gesagt.
Ein weiterer Punkt: Als die Vermögensteuer abgeschafft wurde, haben wir einvernehmlich gesagt: Die Vermögensteuer als jedes Jahr fällige Substanzbesteuerung ist falsch. Aber im Erbfall soll die Substanz, also das Vermögen, etwas – etwas! – zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben beitragen.
Dann schlagen Sie vor, Herr Wetzel, für die Erbschaftsteuer, die eine Landessteuer ist, deren Rechtsgrundlagen aber der Bund festlegt, sollten die Rechtsgrundlagen künftig vom Land festgesetzt werden.
Auch das hört sich dem Grund nach nicht schlecht an. Verfassungsrechtlich ist zumindest die klare herrschende Meinung, dass dieses Konstrukt, das derzeit besteht, verfassungsgemäß ist. Dass es irgendwo auch einen Juristen gibt, der eine andere Meinung vertritt, bestreite ich gar nicht. Es ist aber immer so – das kennen wir ja –: zwei Juristen, drei Meinungen. Nur: Das gegenwärtige Recht ist so akzeptiert. Allerdings ergeben sich auch daraus verschiedene Probleme.
Ich halte es für äußerst fraglich, dass bei landesrechtlichen Vorgaben das gleiche Aufkommen wie bisher erzielt wird. Außerdem müssen wir uns einmal die Frage stellen – ein unterschiedliches Recht zwischen den Ländern ist äußerst schwierig umsetzbar –: Wer ist denn dann für die Erhebung der Erbschaftsteuer zuständig,
der letzte Wohnort, der Sterbeort? Das würde möglicherweise zu einem nicht erwünschten Sterbetourismus führen.
Oder knüpft man an den Ort an, an dem das Vermögen liegt? Das würde Bankenstandorte schwächen oder stärken. Das würde bei Firmenvermögen, wenn sie an unterschiedlichen Standorten liegen, eine Zerlegung notwendig machen. Für eine gerechte Verteilung brauchte man neben dem Länderfinanzausgleich noch ein weiteres Konstrukt.
Das alles würde zu mehr Bürokratie führen. Diese Fragen sind sehr schwer zu klären. Mir ist es lieber, davon abzusehen, als hier eine neue Bürokratie zu schaffen oder Steuerausfälle in dreistelliger Millionenhöhe zu produzieren.
Herr Abg. Herrmann, Sie haben für den Fall einer Abschaffung der Erbschaftsteuer von einem Steuerausfall in Höhe von 700 Millionen € gesprochen. Ist Ihnen bekannt, dass allein zur Erhebung der Erbschaftsteuer Kosten in Höhe von schätzungsweise 200 Millionen € aufzubringen sind und dass von den übrig bleibenden 500 Millionen € ein Großteil in den Länderfinanzausgleich fließt? Das heißt, die 700 Millionen €, von denen Sie reden, bleiben nicht in der Staatskasse.
Lieber Herr Dr. Wetzel, dann haben Sie dennoch nicht die Frage beantwortet, wie der Rest gedeckt werden soll.
Außerdem: Ein Aufwand von 200 Millionen € zur Erhebung der Steuer ist strittig. Unterstellen wir einmal, dass diese Höhe zutrifft, dann fehlen dem Steuerzahler immer noch 500 Millionen €. Über den Finanzausgleich würde dann aus anderen Steuerarten Geld in den Länderfinanzausgleich fließen, das uns im Landeshaushalt, zumindest teilweise, auch fehlen würde.
Es fehlt also immer noch eine konkrete Antwort auf die Frage, wie wir dann den Einnahmeausfall decken.
Konkret: Was will Baden-Württemberg? Wir wollen, dass eine Schädlichkeitsfrist von zehn Jahren, wenn ein Betrieb nicht veräußert oder aufgegeben wird, eingeführt wird und nicht, wie jetzt vorgesehen, von 15 Jahren.
Wir wollen zweitens eine nur zeitanteilige Nachbelastung bei Veräußerung am Ende dieser Behaltensfrist. Die Fallbeilregelung, die Sie zu Recht als falsch und mittelstandsfeindlich angesprochen haben, wollen wir also nicht.
Wir wollen weiterhin, dass niedrigere Sätze für Verwandte bei näheren familiären Verhältnissen gewählt werden. Denn ohne eine solche Regelung würden nach dem jetzigen Gesetzentwurf Geschwister fremden Dritten gleichgestellt. Das halten wir auch für falsch.
Abschließend danke ich Ihnen, Herr Dr. Wetzel, und der FDP/ DVP aber dafür, dass Sie das Thema hier aufgegriffen haben, und zwar nach Frau Dr. Merkel, unserer Bundeskanzlerin, die beim Unternehmertag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion – offenbar waren Sie dort und haben das dann entsprechend aufgegriffen –
klar gesagt hat: „Wir wollen Familienunternehmen in Deutschland halten und nicht aus dem Land bringen.“
Ich bin relativ optimistisch, dass wir deutlich bessere Lösungen finden als das, was jetzt auf dem Tisch liegt.
Bei der Beratung, die in der nächsten Woche in der Sechsplus-sechs-Runde – sechs Unions- und sechs SPD-Politiker – stattfindet,
wird mit Sicherheit eine vernünftige, eine mittelstandsfreundliche, eine verfassungsgemäße, aber auch eine die Haushalte der Länder berücksichtigende Lösung gefunden. Deshalb glaube ich, dass die Große Koalition in Berlin ein vernünftiges Lösungspaket auf den Weg bringt. Warten Sie es ab. Dann sehen Sie ein vernünftiges Ergebnis.