Das möchte ich auch gleich noch konkret belegen. Entscheidend ist, welche Maßnahmen durch die Fachkräfte und durch Unterstützungsinstrumente seitens des Landes konkret beim Kind ankommen. Das ist für mich die entscheidende Frage.
Deswegen werden wir über den Orientierungsplan hinaus die Erzieherinnenausbildung weiterentwickeln, an die Erfordernisse des Orientierungsplans anpassen. Die neue Erzieherinnenausbildung wird ab dem Kindergartenjahr bzw. ab dem Ausbildungsjahr 2009/10 für die Fachkräfte in Kraft treten, und zwar unter Einbeziehung des frühkindlichen Bereichs, also der Kinder unter drei Jahren. Denn hier geht es ja um einen zusätzlichen Auftrag, den uns der Bundesgesetzgeber mit auf den Weg gegeben hat und den wir gleichzeitig als besondere Herausforderung sehen.
Gestatten Sie mir ein drittes Stichwort: Im Zusammenhang mit der Qualitätsoffensive Bildung haben wir hier auch ein Markenzeichen gesetzt, indem wir die Ausbildungsquantitäten zur Verfügung stellen, indem wir zusätzlich 140 Deputate zur Verfügung stellen, um auch die zusätzlichen Fachkräfte gerade für die Kinder unter drei Jahren auszubilden.
Die Sprachentwicklung ist angesprochen worden. Die flächendeckende Einführung der Sprachfördermaßnahmen war bereits gestern Bestandteil der Debatte. Ich möchte jetzt nicht noch einmal zusätzlich darauf eingehen.
Das heißt, meine Damen und Herren: Bei sämtlichen Maßnahmen, die wir hier ins Auge fassen, steht eines im Mittelpunkt: Qualitätsentwicklung unserer frühkindlichen Bildungsstätten ist das Entscheidende.
Gestatten Sie mir, meine Damen und Herren, in wenigen Sätzen auf Ihren Gesetzentwurf einzugehen. Ich könnte jetzt auch noch auf den Zuschuss von 165 Millionen € zur Förderung
der Betriebskosten für den Kleingruppenbereich zu sprechen kommen. Ich könnte die Liste also durchaus noch fortsetzen.
Was würde es bedeuten, wenn wir den Kindergartenbeitrag freistellen würden, wenn wir als Land sozusagen diese zusätzliche Aufgabe übernehmen würden? Sicherlich würden sich darüber viele auf den ersten Blick zunächst einmal freuen. Aber Tatsache ist – das sind Erhebungen, bei denen man nur schätzen kann –: Es handelt sich hierbei um 250 Millionen €, die man seitens des Landes an Eigenmitteln aufbringen müsste – neben den regulären Landesmitteln, die ja ohnehin in die Kindergartenförderung fließen. Das macht maximal etwa 30 % der Betriebskostenförderung aus. Daneben steht der kommunale Eigenanteil. Die dritte Säule sind die Elternbeiträge. Da muss ich natürlich schon sagen: Wenn man hier jährlich 250 Millionen € schultern möchte, muss man auch sagen, wie man dies neben all den Maßnahmen, die wir im Rahmen der Qualitätsoffensive Bildung ja ohnehin in die Wege leiten, seriös finanzieren möchte.
Nun zur Frage der Notwendigkeit: Auch hier zitiere ich Quellen, die nicht aus unserem Haus kommen, sondern aus der amtlichen Kinder- und Jugendhilfestatistik. Hier werden die Daten alljährlich erhoben.
Ich nenne die erste Zahl: Im dritten Kindergartenjahr besuchen 97 % der Kinder einen Kindergarten – einschließlich Kindertagespflegegruppen und Schulkindergärten. Aufgrund der Nachfrage gerade bei den Trägern, wo denn die anderen 3 % seien, wird uns gesagt, das habe primär nichts damit zu tun, ob diese kleine Gruppe sich einen Kindergartenbesuch für ihre Kinder finanziell leisten kann oder nicht, sondern das habe individuelle Gründe, die dazu führten, dass Eltern sich nun einmal dafür entschieden, ihr Kind nicht in eine Tagesgruppe zu schicken oder in einer anderen Form betreuen zu lassen. Da muss ich einmal sagen: Das ist auch deren gutes Recht. Solange wir keine Kindergartenpflicht haben, ist das deren gutes Recht, sich so zu entscheiden.
Im Übrigen – wenn ich den Gedanken, Frau Präsidentin, noch kurz zu Ende führen darf; dann lasse ich gern eine Frage zu – entscheidet zunächst einmal jeder verantwortungsvolle Träger vor Ort darüber, wie man auch soziale Gebührenstaffelungen formulieren kann, um gerade den sozial Schwächeren entgegenzukommen. Wenn man besonderen Lebenslagen damit immer noch nicht entgegenkommt, gibt es auch noch die Regelungen des SGB VIII und des SGB XII, nach denen man im Grunde auch noch Anträge einreichen kann, um dann auch finanzielle Unterstützung zu erhalten.
Im Übrigen haben wir aus den Medien erfahren, dass jetzt die Bundesregierung – ein gemeinsames Projekt zwischen Ihrer Partei und unserer Partei – einen neuen Kinderzuschlag in der
Form gestaltet, dass Menschen mit noch niedrigeren Einkommen ein zusätzlicher Kinderzuschlag von 140 €
Danke, Herr Staatssekretär. – Sie haben sich aus Ihrer Sicht nicht zu Unrecht darüber ausgelassen, für wie schwierig oder unmöglich Sie es ansehen, aus dem Haushalt den Eigenanteil des Landes zur Finanzierung des beitragsfreien Kindergartens zu erbringen. Sie sagen, zuerst müsse das ermöglicht werden. Also ist die generelle Frage: Sind Sie nicht in der Lage, das jetzt zu finanzieren? Oder sind Sie in der Lage, den Vorteil des beitragsfreien Kindergartens, in einem sozialgesellschaftlichen Zusammenhang gesehen, zu bejahen, aber nicht in der Lage, ihn zu finanzieren? Worum geht es Ihnen jetzt? Geht es Ihnen um die Einsicht, wir brauchten eigentlich den beitragsfreien Kindergarten, aber Sie können ihn nicht finanzieren, oder lehnen Sie ihn schon generell ab?
(Abg. Alfred Winkler SPD zu Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Gott sei Dank habe ich i h n gefragt! Er versteht wenigstens die Frage! – Vereinzelt Hei- terkeit)
Deswegen war es mir auch wichtig, mein Statement zu Ende zu führen, indem ich einfach einmal die Zahlen dargelegt habe. Ich darf jetzt noch weiter ausführen, und dann kann ich noch eine Antwort auf Ihre Frage nachschieben.
Im dritten Kindergartenjahr besuchen 97 % der Kinder einen Kindergarten. Jetzt werden Sie die Frage stellen: Was ist mit den Dreijährigen und mit den Vierjährigen? Die Frage ist nicht unberechtigt. Aber auch hier spricht die amtliche Kinder- und Jugendhilfestatistik eine eindeutige Sprache. Nach ihr haben wir nämlich eine Besuchsquote aller Kinder im gesamten Kindergartenspektrum von drei bis sechs Jahren – ich lasse die Kinder unter drei Jahren bewusst außen vor, weil wir hier in der Tat einen Weiterentwicklungsbedarf haben – in Höhe von 95 %.
Insofern unterstelle ich einmal, dass niemand finanziell überfordert ist, tatsächlich auch den finanziellen Rahmen dafür zu erbringen.
Deswegen ist es für uns wichtig, Herr Winkler – und das darf ich in diesem Zusammenhang auch sagen –: Betrachten wir einmal die qualitativen Entwicklungen im Kindergartenbereich in anderen Bundesländern, beispielsweise in Berlin, in Hessen, in Niedersachsen, in Rheinland-Pfalz oder im Saarland. Das alles sind Bundesländer, in denen das dritte Kindergartenjahr zugegebenermaßen beitragsfrei ist. Das gilt aber für den Halbtagskindergarten. Für Kinder, die darüber hinaus Nachmittagsgruppen besuchen, muss auch dort ein Beitrag bezahlt werden. Das muss man vollständigerweise auch erheben. Aber trotzdem – abgesehen davon, dass es sich meistens um Nehmerländer im Rahmen des Länderfinanzausgleichs handelt – ist gar nicht gesagt, dass dort eine qualitativ bessere Arbeit vonstatten geht, als es eben bei uns der Fall ist.
Deswegen, Herr Winkler, präzise: Wir setzen die finanzpolitischen Prioritäten nicht, indem wir sagen: „Wir stellen den Kindergartenbesuch beitragsfrei“, sondern in der qualitativen Entwicklung.
Schauen Sie sich die Qualitätsoffensive Bildung an, bei der die frühkindliche Förderung Bestandteil ist. Schauen Sie sich die Sprachförderung an und anderes. Da muss man einfach sagen: Dort werden die Schwerpunkte gesetzt, denn diese Maßnahmen erreichen am Ende alle Kinder.
Herr Staatssekretär, Sie haben jetzt vieles über die Bedeutung der Qualität gesagt. Könn ten Sie mir dann bitte erläutern, was Sie tun, um die Rahmenbedingungen zur Einführung des Orientierungsplans zu verbessern.
Sie wissen, dass wir in Baden-Württemberg die größten Kindergartengruppen unter allen Bundesländern haben. Bei uns ist die Gruppengröße deutlich größer als z. B. in RheinlandPfalz. Die Relation der Erzieherinnen zur Zahl der Kinder ist bei uns wesentlich schlechter als in anderen Bundesländern. Das können Sie in der OECD-Studie „Starting Strong“ – „Baby-PISA“ – nachlesen. Dort ist das sehr genau aufgeführt. Es gibt aber auch vergleichende Studien von der Bertelsman Stiftung.
Was gedenken Sie zu tun, um Ihren Anspruch, den Sie jetzt verbal formuliert haben – dass Sie qualitative Verbesserungen wollen; da sind wir ja einig –, umzusetzen? Was tun Sie da konkret?
Zunächst einmal – auch das gehört zum guten Ton – muss klargestellt werden, dass die Entwicklung des Kindergartenbereichs in der originären Verantwortung der Träger vor Ort zu sehen ist und damit bei den Kommunen und anderen Trägern.
(Abg. Christine Rudolf SPD: Warum reden Sie dann überhaupt? – Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜ- NE)
Sie sind in erster Linie – in Partnerschaft mit dem Land – für die Qualitätsentwicklung zuständig. Deswegen sprechen wir auch in regelmäßigen Abständen über eine Optimierung des Förderverfahrens. Ich weise darauf hin, dass die kommunalen Landesverbände untereinander erst kürzlich eine Einigung erzielt haben, die das Bezuschussungssystem betrifft.
Die Neuregelung des Bezuschussungssystems wird auch dazu führen, dass objektivere Daten auch andere Messgrößen ermöglichen, was die Bezuschussung seitens des Landes angeht. Das sorgt zunächst einmal für eine höhere Finanzierungsgerechtigkeit seitens des Landes in Richtung der Trägerlandschaft vor Ort. – Erste Bemerkung.
Zweite Bemerkung: In der Modellphase haben wir zum einen den Orientierungsplan zur Erprobung freigegeben – mit einer wissenschaftlichen Begleitung. Das wissen Sie, Frau Wonnay. Daneben haben wir uns mit der kommunalen Seite darauf verständigt, eine Fortbildungsoffensive im Umfang von 20 Millionen € in die Wege zu leiten. Diese Mittel reichen, um den Bedarf vor Ort in der Modellphase zu decken.