Protocol of the Session on October 1, 2008

Deshalb begrüßt die CDU-Fraktion die Einbringung dieses Gesetzentwurfs, um mit der Einschulungsuntersuchung einen Grund dafür zu legen, dass man eine Diagnose hat und daran eine Förderung anschließen kann, eine Sprachförderung, mit der wir in Baden-Württemberg flächendeckend gewährleisten können, dass die Kinder, die gerade dieser Risikogruppe an

gehören, mit einem höheren Sprachkompetenzstand eingeschult werden.

Mit der Novellierung des Schulgesetzes gehen wir diesen Weg systematisch und flächendeckend. Wir formulieren damit ein Screening als Bestandteil in Richtung Sprachkompetenzdiagnose in der Einschulungsuntersuchung. Eine tiefer gehende Diagnose schließt sich an, wenn dort Sprachauffälligkeiten festgestellt werden. Anschließend werden Angebote zur Förderung gemacht.

Meine Damen und Herren von der Opposition, wenn Ihr einziger Kritikpunkt – so auch heute Morgen bei der Regierungserklärung zur Halbzeitbilanz des Ministerpräsidenten – die Frage ist, wie die Finanzierung gestaltet ist, dann können wir von der inhaltlichen Seite sicher davon ausgehen, dass es ein guter Weg ist, der hier beschritten wird.

Ministerpräsident Günther Oettinger hat heute Morgen in der Regierungserklärung gesagt: „Wir sichern zu, dass es diese Förderung geben wird.“ Auch Minister Rau hat zu dem Thema Förderung und der Frage einer möglichen Finanzierung durch die Landesstiftung in der Einbringungsrede zu diesem Gesetzentwurf Ausführungen gemacht.

Den Kindern ist es am Ende egal, wer die Förderung bezahlt. Wichtig ist, dass es diese Förderung gibt. Die Grundlage dafür wird mit diesem Gesetzentwurf gelegt.

(Beifall bei der CDU)

Ich glaube auch, dass das Projekt „Sag’ mal was“ der Landesstiftung kein schlechter Anknüpfungspunkt ist, auf dem man aufbauen kann und mit dem man eine flächendeckende Sprachförderung gewährleisten wird.

Der zweite wesentliche Bestandteil dieser Gesetzesnovellierung ist die Regelung der Schulpflicht für Kinder von Asylbewerbern, deren Aufenthalt als Asylbewerber gestattet ist oder die hier geduldet sind. Wir setzen damit die Koalitionsvereinbarung um, in der die Schulpflicht auch für Kinder von längerfristig geduldeten Asylbewerbern für diese Legislaturperiode angekündigt ist. Gerade an dem Tag, an dem wir Halbzeitbilanz ziehen, zeigt sich auch an diesem Beispiel, dass wir verlässlich die Dinge umsetzen, die zum Nutzen der Kinder in unseren Schulen, in unseren Einrichtungen notwendig sind.

Alles Weitere dazu bei den Ausschussberatungen und bei der Zweiten Beratung des Gesetzentwurfs. Wir tragen mit diesen Maßnahmen sowie weiteren Maßnahmen dafür Sorge, dass die Kinder im „Kinderland“ Baden-Württemberg einen guten Weg in ihrer Bildungsbiografie nehmen können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl!)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Dr. Mentrup das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Die Einführung der Schulpflicht für Kinder von Asylbewerbern und Geduldeten ist sicherlich ein richtiger Schritt, den wir begrüßen. Zusätzlich zu dem Recht, die Schu

le zu besuchen – das ist eben ausgeführt worden –, wird durch die Einführung einer Schulpflicht noch mehr Rechtssicherheit geschaffen, und das klärt an dieser Stelle noch einmal für alle erkennbar die Verhältnisse. Das ist sicherlich richtig.

Warum man von der ursprünglichen Absicht, das schon nach drei Monaten sicherzustellen, jetzt auf sechs Monate gegangen ist, erschließt sich auch aus den Einwänden der verschiedenen Befragten nicht ganz. Aber wenn wir in diesem Haus gemeinsam feststellen, dass es sich hier ja um ein Recht handelt, das wir gern von Anfang an umgesetzt sähen, soll es an dieser Stelle nicht zu Rückfragen kommen, sondern soll dieses Thema allenfalls im Ausschuss kurz angesprochen werden. An der Sache ist sicherlich nichts zu kritisieren.

Schulpflicht bedeutet aber auch, dass es eine Pflicht für beide Seiten ist. Es ist eine Verpflichtung für die Eltern, die Schulpflicht ihrer Kinder durchzusetzen, es ist aber auch eine Verpflichtung der Schulen. Deshalb, denke ich, sollten wir bei Gelegenheit auch einmal darüber diskutieren, inwieweit wir hiermit Kindern, die Traumatisierungserfahrungen haben, Kin dern, die Deutsch als Fremdsprache erleben, Kindern, die an Analphabetismus leiden und deren Eltern eventuell auch Analphabeten sind, in unserem Schulsystem unabhängig von ihrem Alter und ihrer schulischen Vorbildung die individuellen Angebote machen können, die sie brauchen. Das ist schon heute ein Problem. Ich denke, darüber sollten wir auch noch einmal fachlich diskutieren. Das ist mir wichtig, weil das zum Teil auch Inhalt der Einwendungen war, die es zu diesem Gesetzentwurf gab. Uns muss das Signal wichtig sein, dass wir nicht nur eine Schulpflicht sicherstellen, sondern auch sicherstellen, dass die Kinder die entsprechenden Förderungen bekommen, die sie verdienen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE)

Wir ziehen durch diese Gesetzgebung eine Gesetzgebung nach, die in anderen Bundesländern teilweise schon länger existiert. Ich denke, wir sollten uns über diesen Gesetzentwurf hinaus dann auch noch Gedanken über die Kinder der sogenannten Illegalen machen, die ja von dieser Gesetzgebung zunächst einmal nicht erfasst sind. Auch hier, in der Anerkennung einer Schulpflicht, aber gleichzeitig auch bei der Abschaffung der Notwendigkeit, solche Kinder überhaupt zu melden – denn das ist ja oft ein großes Problem; ich weiß, welche rechtlichen Schwierigkeiten sich daraus ergeben –, sind andere Bundesländer schon weiter. Ich möchte einfach nur ankündigen, dass wir – das soll mein Abschlussstatement dazu sein – diesen Schritt begrüßen, das aber auch als Aufforderung annehmen, im Ausschuss auch über diese weiter gehenden Gruppen zu diskutieren. Wir sollten auch dazu noch die eine oder andere Lösung finden.

Zum zweiten Punkt kann ich mich insgesamt nicht so positiv äußern. Die Einführung einer verpflichtenden Sprachstandsdiagnose im Rahmen einer vorgezogenen Schuleingangsuntersuchung ist ein weiterer Holperschritt in einer Entwicklung, die wir schon seit sechs bis acht Jahren diskutieren. Seitdem wissen wir, dass 30 % der Kinder, die vom Kindergarten in die Schule übertreten, Sprachdefizite haben.

Wir haben viele Sprachförderprogramme eingeführt, und wir haben sie evaluiert. Der Erfolg ist sicher. Mit dem Orientie

rungsplan haben wir die Sprachförderung als ein wesentliches Element verpflichtend in die Kindertagesstätten implantiert. Jetzt wollen wir doch endlich erreichen, dass eine solche Sprachförderung alle Kinder mit Sprachförderbedarf rechtzeitig erreicht, dass die Diagnose stimmt und dass die individuelle Förderung, die über das Standardprogramm in den Kindertagesstätten hinausgeht, auch eingeführt wird.

Und was passiert jetzt? Wir führen nur die Verpflichtung ein, an einer Sprachstandsdiagnose teilzunehmen. Am Ende brüs tet man sich ja damit, dass man sagt, dass sich der Entwurf auf die Regelung der Einschulungsuntersuchung beschränkt. Da frage ich mich natürlich: Warum nehmen wir nicht gleich den ganzen Schritt in Angriff? Warum gehen wir nur ein Schrittchen in diese Richtung, ohne dass die drei damit verbundenen zentralen Fragen endgültig mit geklärt werden?

Zum einen ist da die Frage: Wie viel Geld brauchen wir zur Umsetzung dieses Schrittes, und wer bezahlt das letztlich? Solange diesbezüglich zwischen dem Gemeindetag und der Landesregierung noch Differenzen bestehen – von der einen Seite werden 3,6 Millionen € genannt, von der anderen Seite 34 bis 80 Millionen € –, kann ich noch nicht erkennen, inwiefern hier eine Kooperation zur Erfüllung dieser verpflichtenden Aufgabe sichergestellt ist.

Der zweite Punkt: Wir führen die Verpflichtung zur Sprachstandsdiagnose ein, aber es ist nicht klar, inwiefern sich daraus eine Verpflichtung ergibt – für die Eltern, die Kommunen, die Träger oder die Landesregierung –, dann auch die Sprachförderung individuell sicherzustellen. Da vertrösten Sie uns, Herr Schebesta, mit dem Hinweis auf die Regierungserklärung und mit einer Absichtserklärung. Völlig ungeklärt ist aber, wie diese Verpflichtung hergestellt werden soll.

Aus dem Orientierungsplan allein können Sie das nicht ableiten, denn im Orientierungsplan wird eine Art Grundlage für alle Kinder definiert. Wie dann aber ein diagnostizierter Sprach förderbedarf, der darüber hinausgeht, abgedeckt werden soll – oder eventuell sogar ein sprachtherapeutischer Bedarf –, ist unklar. Da können wir, Herr Minister, eben nicht alle in die Schulkindergärten stecken, sondern individuelle Förderung muss auch bei den einzelnen Kindern sichergestellt werden,

(Abg. Volker Schebesta CDU: Natürlich!)

auch bei den Kindern, die vielleicht gar keine Kindertagesstätte besuchen. Denn nicht alle vierjährigen Kinder besuchen ja eine solche Tagesstätte.

Da schließt sich natürlich schon die Frage an: Wenn wir Sprachstandsdiagnosen verpflichtend einführen, dann aber nicht erkennen lassen – – Ich gehe nicht so weit zu sagen, wir müssten hier auch eine Verpflichtung zur Förderung einführen. Wir müssen aber zumindest darstellen, wie wir gewährleisten, dass man die Kinder dann auch erreicht – auch jene Kinder, die nicht in der Tagesstätte sind und deren Eltern sich vielleicht nicht darum kümmern.

Diese ganzen Fragestellungen müssen geklärt sein, sonst verkünden wir hier eine Sicherheit, die nur scheinbar besteht, aber nicht abgedeckt ist.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Der dritte Punkt: Ich hatte schon angedeutet, dass auch die Finanzierung dieser Sprachförderung noch nicht sichergestellt ist. Der Gemeindetag nimmt das z. B. zum Anlass, zu sagen, man könne dieser Gesetzesänderung jetzt gar nicht zustimmen.

Diese Sache, die uns im Nachhinein ja auch noch den einen oder anderen Ärger einbringen wird – denn es ist auch rechtlich nicht so ganz unproblematisch, was wir da machen –, sollte auf eine breite Mehrheit im Haus gestützt werden. Das fände ich wichtig, Herr Minister. Sie würden uns ein positives Votum sehr erleichtern, wenn Sie die folgenden drei Fragen noch klären könnten:

Mit den Kommunen sollte geklärt werden, wer die Finanzierung in welcher Höhe sichert. Zu klären wäre außerdem, wie Sie bei dieser Sprachstandsdiagnose eine Art verpflichtenden Umgang bei einem negativen Ergebnis sicherstellen wollen. Drittens wäre endlich zu akzeptieren, dass sich der Bildungsauftrag des Landes im Hinblick auf die Kindertagesstätten nicht auf die Einführung des Orientierungsplans beschränken kann. Dann muss vielmehr auch die Finanzierung der Maßnahmen sichergestellt werden, die für die einzelnen Kinder nötig sind, und das bitte nicht aus einem Nebenhaushalt, sondern – wenn wir schon sagen, dass das Landessache ist – aus dem Landeshaushalt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Volker Schebesta CDU: Bis zu diesem letzten Satz wären wir zusammengekommen!)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Frau Abg. Lösch das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir halten die Zielsetzung des Gesetzentwurfs für vernünftig. Eine Neukonzeptionierung und Vorverlegung der Einschulungsuntersuchung vorzunehmen ist eine notwendige Reaktion auf gesellschaftliche Herausforderungen. Aber damit hört unsere Zustimmung und hören unsere Gemeinsamkeiten auch schon auf.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Das ist schade!)

Bei der Konzeption der vorgezogenen Einschulungsuntersuchung im Jahr 2005 standen primär gesundheitliche Aspekte im Vordergrund. Das Vorziehen der ESU, also dieser Einschulungsuntersuchung, auf das vorletzte Kindergartenjahr wurde zu Recht damit begründet, frühzeitig die Möglichkeit zu haben, notwendige Fördermaßnahmen auch im Hinblick auf das Thema Kinderschutz einzuleiten. Sie können sich daran erinnern: Damals gab es eine große Diskussion um Kindesvernachlässigung.

Seit Neuestem stehen jedoch die bildungspolitischen Fragen im Mittelpunkt. Dies halten wir für problematisch, da weder die Konzeption der Schuleingangsuntersuchung noch die vorgesehenen Screenings unserer Meinung nach die richtigen Instrumente dafür sind.

Mit unserer Kritik an dem vorgelegten Gesetzentwurf stehen wir beileibe nicht alleine da. Selten habe ich so kritische und ablehnende Stellungnahmen der kommunalen Landesverbän

de gelesen wie zu diesem Gesetzentwurf. Im Mittelpunkt der Kritik steht die fehlende klare Aussage zur Aufgabenträgerschaft für die Sprachförderung und somit natürlich auch zur Kostenträgerschaft. Es kann doch nicht sein, dass die Landesregierung die vergleichsweise billigen Sprachtests bezahlt und die teure Sprachförderung den Kommunen überlässt.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Ich zitiere aus der Stellungnahme des Gemeindetags:

Eine vorgezogene Einschulungsuntersuchung bei bereits vierjährigen Kindern mit einer dann für die sozusagen im sprachlichen Bereich auffälligen Kinder verbundenen verpflichtenden Sprachstandsdiagnose macht politisch wie vom Ablauf her nur Sinn, wenn dann entsprechende Sprachfördermaßnahmen folgen …

Diese stehen nach Ihrem Gesetzentwurf nicht fest.

Bereits im Jahr 2004 gab es eine interministerielle Arbeitsgruppe, die sich mit der ganzheitlichen Sprachförderung im Kindergarten beschäftigt hat und festgestellt hat, dass diese Art von Sprachförderung, die ganz klar auf die Schulfähigkeit der Kinder ausgerichtet ist, ein Bildungsauftrag ist, der ganz eindeutig Aufgabe des Landes ist.

Auch die Sprachförderung – nicht nur die Sprachtests – ist eine originäre Landesaufgabe und kann nicht über eine befris tete Finanzierung über die „Moser-Stiftung“ abgewickelt werden.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: „Moser-Stiftung“! Allein schon das Wort!)

Da kann ich nur die kommunalen Landesverbände mit ihrer Forderung unterstützen. Wir erwarten im Vorfeld der flächendeckenden Einführung ergänzender Sprachförderung eine klare Aussage zur Aufgabenträgerschaft, eine Kostenfolgenabschätzung sowie eine konkrete Aussage zur Finanzierung.