Protocol of the Session on October 1, 2008

Da kann ich nur die kommunalen Landesverbände mit ihrer Forderung unterstützen. Wir erwarten im Vorfeld der flächendeckenden Einführung ergänzender Sprachförderung eine klare Aussage zur Aufgabenträgerschaft, eine Kostenfolgenabschätzung sowie eine konkrete Aussage zur Finanzierung.

22 % der deutschen Kinder und 51 % der Kinder mit Migrationshintergrund im Alter von vier bis viereinhalb Jahren weisen Sprachentwicklungsverzögerungen oder andere Sprachprobleme auf. Das entspricht auch ungefähr dem Ergebnis der Modellphase der neu konzeptionierten Einschulungsuntersuchung, die in zehn Landkreisen bei ungefähr 1 400 Kindern erprobt wurde. Das heißt, es besteht ein großer Bedarf.

Aber was nützt denn eine Sprachstandsdiagnose, wenn keine systematische Sprachförderung finanziert wird? Sprachtests ohne umfassende Sprachförderung sind Murks. Trotz vollmundiger Ankündigungen – auch heute Vormittag wieder – hat die Landesregierung bisher weder ein sinnvolles und sys tematisches Konzept für die Sprachförderung vorgelegt noch eine gesicherte Finanzierung aufgezeigt. Wenn der Grundsatz „Keine Diagnose ohne Förderung“ auch im Kontext der Sprachförderung Geltung hat, dann ist es aus unserer Sicht unerlässlich, dass Sprachförderung als Regelmaßnahme im Landeshaushalt verankert wird und dass ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Unsere Kritik richtet sich aber nicht nur gegen die fehlen- de Finanzierung, sondern bei uns ist ebenfalls umstritten, dass – –

(Abg. Volker Schebesta CDU: Es gibt keinen wei- teren Punkt!)

Doch, es gibt einen weiteren Punkt.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Es gibt gar keinen Punkt, den man kritisieren muss! Es gibt nichts zu kritisieren!)

Ich wollte jetzt nicht noch einmal auf die Landesstiftung eingehen, weil mir die Zeit davonläuft, sondern ich wollte darauf hinweisen, dass es zwei Fragen gibt. Die erste Frage ist: Ist es sinnvoll, dass am Anfang Sprachscreenings gemacht werden? Und die zweite Frage ist: Wer macht diese Sprachscreenings?

Aus unserer Sicht ist es sinnvoll, dass das alles in einer Hand ist. Es gibt andere Instrumente wie Testverfahren, Beobachtung und Dokumentation. Das können unsere Erzieherinnen. Deshalb halten wir es für richtig, dass die Durchführung der Tests und die Sprachförderung in einer Hand liegen. Das ist nicht nur eine Kritik der Grünen, sondern übrigens auch eine Kritik, die vor allem vom Gesamtelternbeirat der Stuttgarter Kindergärten kommt.

Wir implementieren jetzt den Orientierungsplan, in dem die Sprachförderung im Rahmen des Orientierungsplans, der 2009/2010 verbindlich umgesetzt werden soll, eine zentrale Rolle einnimmt. Dafür sollen auch alle Erzieherinnen qualifiziert sein.

(Der Rednerin wird das Ende ihrer Redezeit ange- zeigt.)

Deshalb – das ist mein letzter Satz – halte ich es für sinnvoll, dass man diese zwei Maßnahmen aufeinander abstimmt.

Deshalb ist dieser Gesetzentwurf

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Der allerletzte Satz!)

noch nicht zustimmungsreif. Er ist ein Schnellschuss, bei dem Sachen zusammengebastelt worden sind, die überhaupt nicht zusammengehören.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Doch!)

Eine Einschulungsuntersuchung, die sich eigentlich speziell auf gesundheitliche Bedingungen zum Kinderschutz ausgerichtet hat, ist nicht als Instrument geeignet, um den Sprachförderbedarf und den Bedarf an individueller Sprachförderung von Kindern zu diagnostizieren.

Deshalb mein Vorschlag: Entwickeln Sie ein ganzheitliches Sprachförderkonzept und eine seriöse Finanzierung der Sprach förderung. Dadurch können Sie sich besser als „Kinderland“ Baden-Württemberg profilieren als mit den billigen Sprach tests.

Danke schön.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die FDP/DVPFraktion erteile ich Frau Abg. Dr. Arnold das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich.

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Das ist großartig!)

Ich freue mich heute sehr.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Wir freuen uns im- mer!)

Denn das ist ein guter Tag für die Kinder in diesem Land, es ist ein guter Tag für die Schulen in diesem Land, und es ist letztendlich auch ein guter Tag für die Wirtschaft in unserem Land.

Wir führen eine neue Einschulungsuntersuchung ein. Ich möch te mich zunächst einmal beim Integrationsbeauftragten der Landesregierung, unserem Justizminister Professor Goll, sehr herzlich bedanken. Er hat nämlich den nötigen Druck gemacht, dass wir das schon jetzt tun können und nicht erst in einigen Jahren.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das ist auch sinnvoll. Denn die Zeit drängt, meine Damen und Herren. Wir wollen hier wirklich nicht länger zuwarten.

Mit der neuen Einschulungsuntersuchung – für die Einführung schaffen wir nun durch Gesetzesänderungen die Grundlagen – schaffen wir die Voraussetzungen für eine der wichtigsten, in meinen Augen für die wichtigste bildungspolitische Aufgabe der Landesregierung, nämlich in absehbarer Zeit eine möglichst große Zahl von Kindern schulreif zu machen.

Eine erfolgreiche Bildungslaufbahn – das wissen wir alle; da sind wir uns einig – beginnt im Kindergarten. Jeder Euro, den wir hier investieren, wird sich mehr als amortisieren.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD – Abg. Hel- mut Walter Rüeck CDU: Jetzt ist Frau Haußmann kurz vor Feierabend auch wieder aufgewacht!)

Investitionen im frühkindlichen Bereich sind die beste Sparpolitik für unser Land.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Wir brauchen die guten Hauptschüler für unsere Wirtschaft. Sie sind ein unverzichtbares Fachkräftereservoir. Wir brauchen die jungen Menschen mit mittlerem Bildungsabschluss, mit Abitur. Sie sind die Garanten für Innovation und Fortschritt in unserem Land.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

Die Voraussetzung für all das, meine Damen und Herren, beginnt im Kindergarten.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Prima!)

Mit der neuen Einschulungsuntersuchung, mit Sprachstandsdiagnosen und Sprachförderung verbessern wir die Startchancen für alle Kinder, auch für Migrantenkinder.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

Sie sind genauso klug, genauso begabt und genauso begeisterungsfähig wie Kinder mit deutscher Herkunft. Dieses Potenzial können wir jetzt viel besser ausschöpfen. Wir brauchen dieses Potenzial auch der Kinder mit Migrationshintergrund, wenn wir uns die demografische Entwicklung in unserem Land vor Augen halten.

Gleiche Chancen am Anfang für alle Kinder – das hat der Ministerpräsident heute Vormittag auch betont –, das ist unser Ziel. Aber – das wurde ja schon mehrfach angesprochen – das muss natürlich verlässlich finanziert werden. Wir können schon verstehen, dass sich die Kommunen hier Sorgen machen und auf eine verlässliche Finanzierung des zweiten Schrit tes der Sprachförderung drängen. Für 2009 ist offensichtlich die Finanzierung über die Landesstiftung gesichert. Wir haben gerade gehört, die entscheidende Sitzung wird demnächst stattfinden. Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich bei Herrn Moser bedanken, der auch die Möglichkeiten dafür schafft, dass die Finanzierung 2009 auf diesem Wege möglich ist.

Ich denke, meine Damen und Herren, wir müssen uns in der Tat Gedanken machen, wie wir die Finanzierung mittelfristig auf eine verlässliche Grundlage stellen. Die Finanzierung über die Landesstiftung kann eigentlich – das ist meine Meinung und, ich denke, auch die Meinung eines Teils meiner Fraktion – nur eine Übergangslösung sein. Als wichtige bildungspolitische Maßnahme muss die Sprachförderung letztendlich über den Landeshaushalt finanziert werden. Ich denke, das ist auch ein erster Test, wie ernst wir es mit dem Konnexitätsprinzip nehmen, das wir alle hochhalten und das wir neulich erst verbessert haben.

(Zuruf der Abg. Christine Rudolf SPD)

Zwei, drei Sätze noch zur Schulpflicht von Kindern von Asylbewerbern und anderen Flüchtlingen. Wir begrüßen es sehr, dass jetzt auch in Baden-Württemberg diese Schulpflicht eingeführt wird. Der Beginn der Schulpflicht – sechs Monate

nach dem Zuzug – ist ein Kompromiss. Wir hätten auch sehr gut mit der bayerischen – ich betone: mit der bayerischen – Lösung leben können, die den Beginn dieser Schulpflicht schon nach drei Monaten vorsieht.

Die Sorge des Landeselternbeirats teilen wir nicht, dass die Schulpflicht in dieser schwierigen Lebenssituation für die Kinder eine zusätzliche Belastung sein könnte.

(Zuruf von der FDP/DVP: Im Gegenteil!)

Vielmehr kann die Schule gerade in dieser Situation ein Schutz raum für die betroffenen Kinder sein. Wir brauchen ja eine Handhabung, damit auch die Flüchtlingskinder, deren Eltern diese Notwendigkeit vielleicht nicht sehen, in den Genuss des Schulbesuchs kommen.

Also noch einmal: unter dem Strich ein guter Tag. Die nötigen Gesetzesänderungen finden unsere Zustimmung. Was die Sprachförderung anbelangt, werden wir weitersehen.