Gall. – Wir haben heute den 24. Juli 2008. Der frühestmögliche Termin für die nächste Bundesratssitzung ist der 19. September des Jahres 2008, also in knapp zwei Monaten. Die Tagesordnung der nächsten Bundesratssitzung ist heute noch gar nicht bekannt; wir wissen noch gar nicht, was auf die Tagesordnung kommt.
Hinzu kommt: Am 10. September berät das Bundesverfassungsgericht über die strittige Pendlerpauschale. Es macht also auch vom Inhaltlichen her gar keinen Sinn,
(Beifall bei der CDU – Abg. Reinhold Gall SPD: Mappus hat doch gesagt, man müsse vorher entschei- den! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Wo ist denn Sche- besta?)
dass am 19. September der Bundesrat über eine Frage entscheiden soll, über die zuvor das Bundesverfassungsgericht lediglich eine Anhörung macht und noch gar nicht entscheidet.
Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, kann gar kein Zweifel daran bestehen, dass die heutige Debatte „undringlich“ ist und von uns abgelehnt werden muss wie nichts Zweites.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, entscheidend scheint zu sein, dass Sie sich darüber ärgern, dass die CDU die Debat
te über das Thema führt: Wie können wir mehr netto für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land erreichen?
(Beifall bei der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Richtig! Jawohl! – Abg. Reinhold Gall SPD: Das wäre die Gelegenheit!)
Auf diese Debatte möchten Sie einschwenken. Da möchten Sie sich profilieren, meine sehr verehrten Damen und Her ren.
Herr Schmiedel – es ist ja nicht nur das Öl und das Benzin, die teurer werden; auch die Lebensmittel werden teurer –, vielleicht könnten Sie in Zukunft die Vorstellung entwickeln: „Freibier für alle! Die Leute haben Durst.“
„Grillwürstchen für alle zum Nulltarif!“ Das wären Vorschläge für Sie, wie Sie in der Bundesrepublik Deutschland vielleicht bekannter werden. Dann müssten Sie Ihren eigenen Bundesfinanzminister nicht in dieser rüden Art und Weise angreifen, wie Sie das tun. Vielleicht käme dann auch die „Heilbronner Stimme“ zu einem anderen Urteil über Sie, die da schreibt:
Claus Schmiedel hat es mit einer Serie von Pleiten, Pech und Pannen in Rekordzeit geschafft, dass einige in der baden-württembergischen SPD, die Ute Vogt als Fraktionsvorsitzende gestürzt haben, dies bereits bereuen.
(Heiterkeit – Abg. Reinhold Gall SPD: Ich will aus- drücklich erklären: Ich nicht! – Abg. Winfried Kretsch mann GRÜNE: Sie reden jetzt zur Geschäftsord- nung?)
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Situation ist ja schon ein bisschen skurril. Die Konstellation ist doch außergewöhnlich: Da kämpft der Fraktionsvorsitzende Schmiedel Seite an Seite mit Beckstein und Huber für die Wiedereinführung der Pendlerpauschale.
(Beifall bei den Grünen – Zurufe, u. a. Abg. Reinhold Gall SPD: Weil es ein gescheiter Vorschlag ist! Ganz einfach!)
Ihr eigener SPD-Fraktionsvize im Bundestag warnt öffentlich die eigenen Genossen davor: Diese Debatte weiterzuführen,
(Beifall bei den Grünen – Abg. Stefan Mappus CDU: So habe ich das noch gar nicht gesehen! – Zuruf von der CDU: Jetzt wird es interessant!)
Es wird munter weitergemacht. Frau Vogt zieht durchs Land und trommelt: Wir müssen angesichts der steigenden Energiepreise die Beschäftigten entlasten.
Auch bei Ihnen, Kollegen von der CDU, wundert man sich sehr. Die gesamte CDU-Fraktion scheint tief in der Furche zu liegen und sich vor der Debatte wegzuducken: Hoffentlich geht das bald vorüber.
Sie wollen nicht dabei erwischt werden, dass Sie eigentlich Frau Merkel im Bund unterstützen wollen. Ihre Basis will das aber nicht hören. Deswegen kommt Ihnen diese Debatte überhaupt nicht recht. Das kann ich verstehen. Trotzdem: Ein bisschen mehr Ehrlichkeit dürfte es gern sein.
(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Das Einzige, was wir fordern, ist die Pendlerpauschale für Abgeordnete in den Urlaub!)
Worum geht es denn in dieser Debatte im Kern? Es geht sicher nicht darum, die Systemfrage zu erörtern.
Frau Abg. Bauer, wenn Sie nach dem Kern der Debatte fragen, sage ich Ihnen: Sie sollten jetzt zur Dringlichkeit sprechen, sonst zu nichts.
Bei meinen Vorrednern ging es auch nicht gerade päpstlich zu. Lassen Sie mich daher meine Argumentation ruhig ein bisschen herleiten.
In der Debatte, die die SPD-Fraktion heute beantragt hat, geht es nicht um die Systemfrage, also um das, was das Bundesverfassungsgericht beraten wird. Das wäre eine richtige Frage; denn ich glaube, dass man in der Tat die Frage stellen kann, ob die willkürliche Grenze von 20 km gerechtfertigt ist; ich habe daran meine Zweifel. Diese Debatte ist in der Tat zwar richtig, aber nicht dringlich.
Ist es jedoch dringlich, angesichts der steigenden Energiepreise heute über die Maßnahme „Zurück zur alten Pendlerpauschale“ zu sprechen? Ohne Zweifel spürt die Bevölkerung den Druck wachsender Kosten. Diese Debatte ist aber dennoch in der Sache nicht richtig,
da die Bevölkerung einen Anspruch darauf hat, dass die Politik richtige Antworten auf die Probleme gibt, keine vordergründigen Antworten. Ich möchte in diesem Zusammenhang Herrn Steinbrück von der SPD zitieren, der auf Bundesebene zu diesem Thema sagt: Die Antwort ist grottenfalsch; durch die Rückkehr zur alten Pendlerpauschale wird es nicht relevant mehr Geld für die Beschäftigten geben, da sie nur eine kleine Bevölkerungsgruppe trifft;
es ist auch nicht genügend Geld, um die steigenden Energiepreise abzufedern. Es macht auch keinen Sinn, wenn die Politik suggeriert: Angesichts der steigenden Preise erhöhen wir die Subventionen. Das Anliegen, das Sie haben, ist dreifach verkehrt. Steinbrück sagt richtig: Das ist Volksverdummung. Das ist ganz einfach Volksverdummung.
Ich komme auf die Frage der Dringlichkeit zurück. Ich glaube, die Debatte ist in einem doppelten Sinne dringlich. Erstens ist richtig: Wenn wir als Landtag ein Signal in Richtung Bundesrat geben wollen, müssen wir heute darüber sprechen; da hat die SPD völlig recht.
Zweitens ist die Debatte dringlich; denn wenn es um Volksverdummung geht, sollten wir keinen Tag verstreichen lassen, für Aufklärung zu sorgen und die falschen Argumente abzuräumen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn es darum geht, die Dringlichkeit zu klären, muss man sich in der Tat fragen: Was treibt die SPD zu diesem Antrag, und weshalb soll er auch noch dringlich sein? Möglichkeiten wurden schon angesprochen. Es könnte sein, dass sich die SPD von Baden-Württemberg aus in den Landtagswahlkampf in Bayern einmischen will. Auch wir fragen uns dann: Für welche Partei denn?