Protocol of the Session on July 24, 2008

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn es darum geht, die Dringlichkeit zu klären, muss man sich in der Tat fragen: Was treibt die SPD zu diesem Antrag, und weshalb soll er auch noch dringlich sein? Möglichkeiten wurden schon angesprochen. Es könnte sein, dass sich die SPD von Baden-Württemberg aus in den Landtagswahlkampf in Bayern einmischen will. Auch wir fragen uns dann: Für welche Partei denn?

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: A wa! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Was will die FDP? – Zuruf des Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE)

Die zweite Möglichkeit ist, dass Herr Schmiedel seinem Finanzminister in Berlin zeigen möchte, was eine Harke ist. Ich meine, dass es dafür andere Wege gibt.

Eine dritte Möglichkeit hat Kollege Gall in seiner Begründung angedeutet. Er meint nämlich, Unstimmigkeiten bei der CDU ausmachen zu können.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Bei der FDP insbesonde- re!)

Aber, Herr Schmiedel, wie sieht es denn diesbezüglich bei der SPD aus?

(Beifall bei der FDP/DVP)

Außerdem stellt sich die Frage: Weshalb muss der Landtag darüber entscheiden? Das können Sie doch bitte in Ihren Parteien klären.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Dazu brauchen wir doch keinen Landtagsbeschluss. Manche mögen es bedauern, dass der Landtag hierzu keine Entscheidung zu fällen hat. Wenn die Entscheidung falsch war – ich vermute auch, dass das Bundesverfassungsgericht entsprechend entscheidet –, muss die Entscheidung in Berlin korrigiert werden, also dort, wo sie falsch getroffen wurde, aber nicht hier.

Deshalb: Es gibt in Berlin eine Große Koalition, an der die SPD, glaube ich, beteiligt ist.

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Auch Sie wissen genau, Herr Schmiedel, dass der Bundesrat Sache der Landesregierung ist und dass in einem Fall, der ganz klar ist, der Landtag der Regierung keine Vorgabe machen muss.

Noch weniger muss der Landtag von Baden-Württemberg dem Bundesverfassungsgericht eine Vorgabe machen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Zurufe von der SPD, u. a. des Abg. Reinhold Gall)

Wir warten das Urteil ab und hoffen, dass in Berlin dann zügig die richtige Entscheidung gefällt wird. Eine Dringlichkeit ist am heutigen Tag überhaupt nicht gegeben.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Geschäftsordnungsantrag.

Wer die Dringlichkeit des Antrags der Fraktion der SPD, Drucksache 14/3008, bejahen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Dringlichkeit ist mehrheitlich abgelehnt.

Wir treten damit in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion der FDP/DVP und Stellungnahme des Innenministeriums – Verwendung der Mauteinnahmen und Einnahmen aus der Mineralölsteuer in BadenWürttemberg – Drucksache 14/2484 (geänderte Fassung)

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung des Antrags fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Zur Begründung des Antrags erteile ich Herrn Abg. Bachmann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir, das Thema etwas grundsätzlicher anzugehen.

(Zuruf von der SPD: Nö!)

Die Geschichte der Menschheit hat eindrucksvoll bewiesen, dass eine Volkswirtschaft ohne den Austausch von Waren und Wissen mit anderen Volkswirtschaften keine Zukunft hat.

Das Chinesische Kaiserreich hat zwar das Schwarzpulver erfunden, war bei seinen Einsatzmöglichkeiten den Kolonialmächten aber hoffnungslos unterlegen, und es ging unter.

Die DDR hat den Trabant und den Plattenbau erfunden, aber jeden Austausch über bessere Autos und bessere Architektur unterbunden, und sie ging unter.

Nordkorea lebt in der Isolation und – – Warten wir einmal ab.

Handel und Wandel dagegen haben stets zu Wachstum und Wohlstand geführt. Nehmen Sie im Altertum die Phönizier, die Griechen oder die Karthager. Nehmen Sie im Mittelalter die Hanse,

(Zurufe der Abg. Gundolf Fleischer und Karl Zim- mermann CDU)

die Fugger und – jetzt ist Kollege Rivoir gar nicht da – die Ulmer Kaufleute. Nehmen Sie die Zeit der Industrialisierung, in der die Eisenbahn zum Träger des Aufschwungs wurde. Sie sehen, der Ausbau der Handelswege führt zu Wohlstand und Fortschritt.

Aber leider ist dieser Prozess auch umkehrbar. Der Verfall der Römerstraßen im Mittelalter ging Hand in Hand mit einem Rückschritt in eine dunkle Zeit voller Not und Elend.

Und heute? Noch haben wir in Deutschland eine ordentlich ausgebaute Infrastruktur. Die fehlenden Investitionen machen sich aber mehr und mehr bemerkbar. Dabei geht es nicht nur um Schlaglöcher, Staus und Dauerbaustellen auf Autobahnen, sondern es geht inzwischen zum Teil wirklich um Verfall.

Sie erinnern sich an den tragischen Zusammenbruch – das war zwar nicht bei uns, aber ich nenne es als Beispiel – einer Autobahnbrücke in Minneapolis in den USA mit zahlreichen Toten. Mich hat das damals besonders tief berührt, weil ich während meiner Studienzeit oft über diese Brücke gefahren bin.

Bei uns ist die Lage zwar Gott sei Dank so, dass noch nichts passiert ist, aber dennoch bedenklich. Allein in Baden-Würt temberg befinden sich 10,4 % der Brücken, die für Bundesautobahnen und Bundesstraßen gebaut wurden, in einem ungenügenden bzw. nicht ausreichenden Zustand. Sie können das in der Stellungnahme zu unserem Antrag Drucksache 14/1784 nachlesen.

Sie erinnern sich an das Bahnunglück in Eschede, an die kürzliche Kollision eines ICE mit Schafen und an die Rückrufaktion anlässlich der Entgleisung in Köln. Die Zahl der tragischen Unfälle steigt, Staus und Baustellen nehmen ständig zu. Die Engpässe werden immer offensichtlicher.

Was muss denn noch geschehen, bis die Bundesregierung endlich aufwacht? Wie lange will der Tiefensee denn weiter still ruhen und diesem Verfall zusehen? Und vor allem: Wie lange wird noch in beleuchtete Kuhwiesen in Vorpommern inves tiert, während blühende Landschaften zwischen Lörrach und Mannheim, zwischen Karlsruhe und Ulm im Dauerstau versinken?

(Beifall bei der FDP/DVP)

Geld wird im Verkehrsbereich genug aufgebracht. Aus der Mineralölsteuer flossen dem Bund 2007 etwa 41 Milliarden € zu. Hinzu kommen fast 3,3 Milliarden € aus der Lkw-Maut. Während Anfang der Siebzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts noch etwa 50 % der Mineralölsteuereinnahmen in den Bau von Bundesautobahnen und Bundesstraßen intensiviert wurden,

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Oh!)

sind es heute gerade noch ca. 15 %.

Bei der Maut ist es kein Stück besser. Nach ihrer Einführung gab es keine Mehrausgaben für Verkehrsinvestitionen, sondern bloß eine Umschichtung von Mitteln. Die allgemeinen Haushaltsmittel für diesen Bereich wurden um ziemlich genau diese Summe gekürzt, die dem Bund aus der Maut zufloss. Der Bundesfinanzminister kassiert inzwischen von den Autofahrern viermal so viel Geld, wie er ihnen zurückgibt.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Sauerei!)

Die Autofahrer werden immer mehr zu den Melkkühen der Nation.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Die sollen halt weni- ger fahren!)

Dies gilt auch und gerade für das Transportgewerbe, das das Rückgrat unserer Wirtschaft ist. Ich darf daran erinnern: Wohlstand nur durch Handel und Wandel.

Beim Melken jedenfalls beherzigt die Bundesregierung die Weisheiten von Winston Churchill nicht, der messerscharf erkannt hatte: „Eine Kuh, die man weiter melken will, darf man nicht schlachten.“

(Beifall bei der FDP/DVP)

An anderer Stelle orientiert sie sich dagegen sehr wohl indirekt an Churchill, der nur dann an Statistiken glauben wollte, wenn er sie selbst gefälscht hatte.