Protocol of the Session on July 23, 2008

geschieht nichts. Die Privaten dürfen, aber die Städte und Gemeinden dürfen nicht. Was ist denn das für eine Logik?

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Genau so ist es!)

Herr Mappus, es geht ja nicht darum, Zwang auszuüben und zu sagen: „Ihr müsst die Kinder in eine Gemeinschaftsschule stecken.“ Der Wunsch ist jedoch bei ganz vielen da, und die Frage ist: Weshalb genehmigen Sie privaten Anbietern, bei denen die Eltern dafür zahlen müssen, dass ihre Kinder auf diese attraktive Gemeinschaftsschule gehen, ihre entsprechenden Forderungen, lassen dies aber in keinem einzigen Fall bei städtischen bzw. kommunalen Schulträgern zu?

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Weil das ei- ne private Schule ist und das andere eine staatliche! – Gegenruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das ist wieder das dümmste Argument, das einem einfallen kann!)

Das ist eine Benachteiligung der Städte und Gemeinden in diesem Land.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Stefan Mappus CDU: Das ist ja das Größte, was ich jemals gehört habe! – Gegenruf des Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Das sitzt, oder?)

Es ist nachgewiesen: Wir haben im Bereich der Hauptschule ein echtes Übergangsproblem von der Schule in die berufliche Bildung. Ihre Logik „Weil wir die geringste Jugendarbeitslosenquote haben, haben wir auch das beste Bildungssystem“ zeigt, dass Sie sich dem Blick auf die Realität verweigern. Denn wir haben Zehntausende von jungen Menschen in Warteschleifen.

(Abg. Ingo Rust SPD: Abgeschoben! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Da ist Baden-Württemberg spit- ze!)

Dabei meine ich nicht diejenigen, die die mittlere Reife nachmachen.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Wir haben dafür auch Konzepte!)

Diese gibt es auch; das weiß ich wohl. Das ist aber gar nicht das Thema. Wir haben Zehntausende in Warteschleifen, und wir schicken Zehntausende dieser jungen Menschen am Ende ohne berufliche Qualifikation in ihr Berufsleben. Das ist Fakt.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es! – Wider- spruch bei der CDU)

Und jetzt sage ich Ihnen einmal eines: Dass Sie jetzt auf die Idee kommen, eine Offensive zu starten, hängt in Wirklichkeit nicht damit zusammen, dass Sie die Situation an der Hauptschule verbessern wollten.

(Zurufe der Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP und Wolfgang Drexler SPD)

Es hängt damit zusammen, dass die Eltern – auch von Schülern der Realschule und vor allem des Gymnasiums – langsam auf die Barrikaden gehen, weil sie es leid sind, Hilfslehrer für das zu sein, was in der Schule nicht stattfindet. Sie stellen nämlich fest, dass Ihre Ganztagsschulen Mogelpackungen sind.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben kein Ganztagsschulangebot, sondern Sie haben ein Halbtagsschulangebot, an das hinten etwas angehängt wird. Das ist der Punkt.

Dass es auch anders geht, Herr Ministerpräsident, können Sie in Ihrem eigenen Wahlkreis besichtigen. Da gibt es eine Ganz

tagsschule mit integriertem, wirklich rhythmischem Angebot.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Nicht nur ei- ne!)

Da gibt es eine Ganztagsschule mit verbindlichem Mittagessen. Da gibt es eine Ganztagsschule, in der die Lehrer jeden Tag verbindlich anderthalb Stunden lang Hausaufgaben und Lernzeit betreuen und wo die Kinder alle miteinander um vier oder halb fünf die Schule verlassen – nicht freiwillig. Das ist das Helene-Lange-Gymnasium in Markgröningen. Da ist die Nachfrage viermal so groß wie die Aufnahmemöglichkeiten. Hören Sie auf mit dem Märchen, dass solche Schulen nicht erwünscht seien!

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Herr Ministerpräsident, Sie machen jetzt eine Offensive, nehmen eine halbe Milliarde Euro für die nächsten Jahre zusätzlich in die Hand, versprechen viele zusätzliche Lehrer, tun etwas für den Klassenteiler – was richtig und längst überfällig ist –; aber Sie vergessen dabei die Grundschule,

(Abg. Ute Vogt SPD: Ja!)

wie Sie überhaupt die Grundschullehrerinnen und -lehrer vergessen.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Die machen ih- re Arbeit!)

Nichts dagegen, dass Sie jetzt ein Beförderungsamt für Hauptschullehrer schaffen. Sie sagen: Wir schaffen das Amt für die Hauptschullehrer, weil wir damit auch eine Anerkennung für die Hauptschullehrer verbinden wollen.

(Abg. Jörg Döpper CDU: Das ist doch okay!)

Wo ist denn Ihre Anerkennung für die Grundschullehrerinnen und -lehrer? Die haben eine genauso schwierige Aufgabe bei der Integration zu leisten.

(Beifall bei der SPD)

Also wennschon – dennschon.

(Abg. Jörg Döpper CDU: Wer wollte die Eingangs- besoldung senken? – Abg. Stefan Mappus CDU: Sie wollten absenken! Das ist so etwas von unverschämt!)

Sie haben gedacht, Sie tun etwas, können dann in Urlaub fah ren, und das Bildungsthema ist entschärft. Sie kommen wieder und können sich neuen Themen zuwenden. Ich sage Ihnen voraus, und die Presselandschaft spiegelt es wider:

(Abg. Jörg Döpper CDU: Die öffentliche Meinung ist anders als die veröffentlichte Meinung!)

Sie kriegen keine Ruhe, solange Sie den Blick nicht für die Wirklichkeit öffnen, solange Sie nicht sagen: Es gibt ein Hauptschulproblem. Das löst man nicht, indem man noch eine 54. Hauptschulstärkung verkündet, sondern da muss man grundsätzlich an das Thema herangehen.

(Abg. Jörg Döpper CDU: 35 Jahre lang haben Sie die Hauptschule schlechtgeredet! – Unruhe)

Sie lösen das Problem, dass Eltern die Ganztagsschule zu Hause in ihrem Wohnzimmer erleben, nicht allein dadurch, dass Sie den Klassenteiler senken, sondern Sie müssen richtige Ganztagsangebote schaffen und dafür auch das notwendige Personal bereitstellen.

(Abg. Klaus Herrmann CDU: Sie wollten doch Leh- rerstellen streichen!)

Ich sage Ihnen: Sie lösen auch das Problem des ländlichen Raumes nicht, wenn Sie sagen: „Wir zwingen niemanden, die Hauptschule zu schließen.“ Aber Sie lassen sie austrocknen, weil Sie Weiterentwicklungsmöglichkeiten untersagen. Deshalb trocknet die Hauptschule aus, wenn sie keine Entwicklungsperspektive hat.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Hat sie doch!)

Deshalb lautet unser Konzept,

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Sie haben doch gar keins! – Abg. Thomas Blenke CDU: Lehrerabbau! – Unruhe)

dem öffentlichen Schulwesen Freiheit zu geben, die Stärke entwickeln zu können, die in ihm steckt, ihm die Fesseln abzunehmen und zu sagen: Das, was wir den Privaten zugestehen, nämlich die Kinder länger gemeinsam lernen zu lassen und Ganztagsangebote zu machen, die richtige Ganztagsangebote sind, das ist die richtige Antwort auf Qualitätsschwächen in unserem Bildungssystem. Das ist die richtige Antwort, um den Übergang zwischen Schule und beruflicher Bildung zu verbessern. Es ist die richtige Antwort zur Stärkung des ländlichen Raumes, und es ist die richtige Antwort, um die Ini tiativen und das Engagement von vielen Lehrern, Eltern und Schulträgern aufzunehmen und einen Sprung nach vorn zu machen.

(Beifall bei der SPD)

Sie sind dazu nicht bereit. Deshalb bleibt das Thema auf der Tagesordnung. Sie werden es nicht los, auch wenn Sie sehr viel Geld in die Hand nehmen.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Grüne und SPD sind auf dem Holzweg! – Zuruf von der CDU: Schwache Leistung! Sehr schwache Leistung! – Heiterkeit)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Noll.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen!

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Wir gewähren Ge- leitschutz!)

Wenn wir uns hier in diesem Landtag mit den Eltern, mit den Lehrern und mit den Schulträgern in einem Punkt einig waren, dann in dem, dass mehr Qualität in unserem Bildungswesen nicht ohne mehr Geld erreicht werden kann – zwar nicht allein nur mit mehr Geld, aber auch nicht ohne mehr Geld.

Über die Forderungen, mehr Geld in die Hand zu nehmen, haben wir vor vier Wochen schon einmal diskutiert. Bei aller