Protocol of the Session on February 28, 2008

Ich verharmlose die überhaupt nicht.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Er bereitet den Kurs der Grünen für die Kommunisten vor!)

Wenn Sie einmal die Wahlanalysen, z. B. über die Wählerwanderung, anschauen, dann stellen Sie fest: Die CDU verliert in Hessen immerhin halb so viel an die Linke wie die SPD.

(Zuruf von der SPD: Hört, hört! – Abg. Ute Vogt SPD: Stimmt!)

In Niedersachsen liegt der Verlust der CDU an die Linken bei 30 % dessen, was die SPD an die Linken verliert. Es ist logisch, dass die SPD mehr verliert, aber Sie verlieren auch er

heblich. Und auch wir verlieren in den Städten an die Linke. Da haben wir offensichtlich alle etwas zu tun, nämlich zu überlegen, wie wir das in Zukunft verhindern.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Genau das machen wir ja! Sind Sie jetzt dafür oder dagegen?)

Eine Debatte darüber macht Sinn, aber eine Debatte, wie Sie sie hier angezettelt haben, die ganz vordergründig nur dazu dient, andere vorführen zu wollen, führt zu überhaupt nichts.

(Zurufe von der CDU, u. a.: Sie führen sich selbst vor!)

Wenn Sie nach Wahlen schon Debatten auf diesem Niveau anzetteln, was müssen wir dann in den Wahlkämpfen eigentlich erwarten?

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Das ist doch ein Vorgeschmack auf gnadenlose Schmutzkampagnen, die uns da erwarten. Davor, dass das kommt, möge uns Gott behüten.

(Zuruf des Abg. Gundolf Fleischer CDU – Abg. Ste- fan Mappus CDU: Wer wirft hier mit Schmutz? – Zu- ruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Das wird die Politikverdrossenheit stärken und wird der Linken die Wähler in die Scheuer treiben. Man muss heute nur einmal die Zeitung aufschlagen, um zu sehen, wo die Probleme liegen.

Die Linke stößt doch mit ihren Fragen offensichtlich in Gerechtigkeitslücken. Heute können Sie in der Zeitung z. B. lesen: Der Daimler-Vorstand hatte im letzten Geschäftsjahr eine Steigerung seines Einkommens um 70 %. Man muss sich doch fragen, was jetzt die Leute, die in Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst sind, eigentlich denken, wenn ihnen eine Lohnerhöhung von 5 % für fünf Jahre angeboten wird.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Wo ist jetzt Ihr Vor- schlag, das zu ändern? – Abg. Stefan Mappus CDU: Das ist genau die Neiddebatte, die Sie dauernd füh- ren! Das ist genau das Thema! – Zuruf der Abg. Hei- derose Berroth FDP/DVP)

Nein, das ist das Thema, bei dem wir mit der Bevölkerung diskutieren müssen, wie es um diese Gerechtigkeitslücken steht, wie es jetzt mit dem Liechtenstein-Skandal steht, bei dem sich zeigt, dass sich ein Teil der Manager aus der Gesellschaft verabschiedet, mit ihr nichts mehr zu tun haben will und keine Steuern mehr zahlt.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Sie weichen der De- batte aus, Herr Kollege! – Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Das ist alles Wasser auf die Mühlen der Linken.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Mit wem koalieren Sie in Hessen?)

Sich damit zu beschäftigen macht Sinn. Aber Ihr Versuch, andere einfach nur vorführen zu wollen, macht überhaupt keinen Sinn. Er ist schädlich, führt zu Politikverdruss und trägt

zur Lösung der schwierigen Fragen nichts, aber auch gar nichts bei.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Noll.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man aufgrund von Geschäftsordnungsverfahren so lange zuhören darf, dann überlegt man sich, was die Menschen oben auf der Besuchertribüne, aber auch die, die uns in den Medien zuhören, bei dieser Debatte denken. Sie kriegen alles vorgeführt, was zu einer klassischen Talkshow gehört, einschließlich des Auszugs einer Fraktion aus dem Plenarsaal.

Jetzt sage ich einmal: Ich hätte gute Lust gehabt, auch hinauszugehen. Nur: Wer auszieht, muss auch wieder hereinkommen.

(Beifall der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Unruhe)

Ich hatte noch keine Gelegenheit, etwas dazu zu sagen. Lassen Sie mich daher als Allererstes sagen: Lieber Kollege Schmiedel, ich habe Sie im Verband Region Stuttgart als wirtschaftspolitischen Sprecher kennengelernt und schätzen gelernt. Ich habe Sie hier im Parlament kennengelernt, wo Sie unserem Wirtschaftsminister immer wieder einmal mit nach meiner Meinung zwar falschen, aber zumindest nachdenkenswerten Parolen entgegengetreten sind.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Selten! – Weitere Zu- rufe)

Leider muss ich das Wort des Ministerpräsidenten aufgreifen. Für uns hier im Land, für uns im Landtag und für die Bevölkerung, ist es schon wichtig, zu wissen: Welchen Kurs wird der Chef der SPD-Fraktion in diesem Land künftig fahren?

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Darum geht es! – Zuruf von der CDU: Das weiß er selbst nicht!)

Sie haben mit Ihren Äußerungen heute an dieser Stelle leider meine Einschätzung zunichte gemacht, übrigens auch im menschlichen Miteinander.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Und gestern auch!)

Auch gestern schon, indem Sie nicht die Größe hatten wie der Kollege Kretschmann, der seinen DDR-Vergleich zurückgenommen hat. Sie haben Ihren indirekt verstärkt. Heute sehen Sie den Ministerpräsidenten in seiner Ausdrucksweise – wie haben Sie gesagt? – verdammt nah bei den Nationalsozialisten.

(Widerspruch bei der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Den Sprachgebrauch! Die Sprache! Die Bilder! – Gegenruf des Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Das ist ja noch schlimmer! – Lebhafte Unruhe)

Sehen Sie: Jetzt kommen wieder die linguistischen Auslegungen.

(Unruhe – Zurufe von der SPD – Gegenruf von der CDU: Lesen Sie im Protokoll nach!)

Wenn Sie Parteien in Ihrer Wahlwerbung subtile Dinge vorwerfen und dann hinterher abstreiten, dass Sie gesagt haben, jemand befinde sich verdammt nah an der nationalsozialistischen Sprache, dann ist das noch viel heftiger und eindeutiger. Es ist der Versuch, jemanden in eine Ecke zu drängen, verweisend auf frühere Geschehnisse.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Dieter Hillebrand CDU: So ist es! – Abg. Gundolf Fleischer CDU: Unglaublich! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Unanständig! – Zurufe von der SPD)

Das ist nicht anständig. Ich wünsche mir, dass das in Zukunft nicht so bleibt.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Darüber ist mehrfach debattiert worden. Das gab es bei den Reps in Sachen Ausländerpolitik. Das gibt es jetzt bei den Linken in Sachen sozialer Gerechtigkeit – ohne das gleichsetzen zu wollen. Wenn man die richtigen Fragen stellt, mag das in Talkshows und in der Öffentlichkeit möglicherweise schon wahrgenommen werden. Dann müssen wir uns einmal fragen, ob wir diese Fragen nicht auch stellen sollten, und vor allem, ob nicht wir im Unterschied zu diesen Linkspopulisten richtige Antworten darauf geben sollten. Das ist doch das Entscheidende.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Die entscheidende Frage wird doch sein, ob wir gemeinsam – und dazu würde ich auch Sie zählen, bis heute –

(Lachen des Abg. Stefan Mappus CDU)

daran arbeiten, die Linke zu entlarven. Zwar nimmt sie Stimmungen auf und formuliert Fragen, die wir alle auch kennen – jeder von uns, der draußen mit den Menschen redet –, aber sie suggeriert, dass es dafür, wenn man nur den rosa Elefanten endlich aus dem Urwald hereinholt, den die Linke da versteckt hat, eine überzeugende Lösung gäbe.

Heute Morgen haben Sie, Herr Schmiedel, an einigen Stellen wieder genau in dieses Horn geblasen; übrigens auch Herr Kollege Kretschmann. Was bringt es jetzt, wenn Sie wieder darauf verweisen – – Ich weiß schon, dass diese Fragen in der Bevölkerung gestellt werden. Es sind auch meine Fragen.

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Aber keiner von Ihnen bietet eine Lösung an und sagt: „Unsere Mitglieder im Aufsichtsrat von Daimler“ – von den Gewerkschaften – „setzen sich dafür ein, dass der Vorstand nicht so viel verdient.“ Warum sagen Sie nicht einfach, dass Ihre Leute dort mit drinsitzen und darüber entscheiden?

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Noch etwas: Wenn das Ganze dazu führt, dass aus gefühlten Stimmungen heraus bestimmte Themen grundsätzlich gar nicht mehr angesprochen werden dürfen, weil man zwar weiß, dass dies ordnungspolitisch richtig wäre, es aber gerade nicht