Protocol of the Session on December 18, 2007

(Lachen der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Ka- trin Altpeter SPD: Wo bleibt der Applaus? – Abg. Ur- sula Haußmann SPD: Heul halt!)

Sie haben eine weiter gehende Debatte angemahnt. Was Sie darunter verstehen, ist uns klar. Denn in dem zitierten Papier der SPD steht, dass Sie eine Einheitsschule von Klasse 1 bis Klasse 10 wollen.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Da steht nicht „Einheits- schule“! – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Steht da „Einheitsschule“?)

„Eine gemeinsame Schule für alle Kinder von der ersten bis zur zehnten Klasse“.

(Zurufe von der SPD: Aha! – Abg. Reinhold Gall SPD: Das ist etwas ganz anderes!)

Ich sage „Einheitsschule von Klasse 1 bis 10“, weil dann alle verstehen, was damit gemeint ist.

(Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Wir wollen ebenso wie Sie, dass sich die Schere zwischen Bildungserfolg und sozialer Herkunft weiter schließt.

(Glocke des Präsidenten)

Im Moment möchte ich keine Zwischenfrage zulassen, Herr Präsident. – Wir wollen ebenso wie Sie, dass den Kindern aus Familien mit Migrationshintergrund geholfen wird.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Dann macht es halt!)

Aber im Unterschied zu Ihnen haben wir aus den Studien, die bisher vorgelegt wurden, andere Schlüsse gezogen. Wenn Herr Professor Baumert nach den Ergebnissen der PISA-Studie 2001 feststellt, in der Lesekompetenz sei Baden-Württemberg unter den westdeutschen Ländern mit der geringsten herkunftsbedingten Disparität ausgestattet, und wenn eine Sonderuntersuchung PISA 2003 ergibt, dass Baden-Württemberg als eines von drei Ländern bei den hier geborenen Kindern mit Migrationshintergrund bessere Ergebnisse erreicht als bei den zugewanderten Kindern, dann kann man die Schlüsse, die Sie ziehen, nicht ziehen. Deshalb sind Ihre Schlussfolgerungen falsch.

Jetzt könnte eine Zwischenfrage gestellt werden.

Bitte schön, Herr Abg. Dr. Prewo.

Herr Kollege Schebesta, würden Sie sagen, dass die gemeinsame Grundschule eine jener schädlichen Einheitsschulen ist?

Ich habe nicht „schädliche Einheitsschule“ gesagt, sondern habe von einer „Einheitsschule“ gesprochen. Warum Sie so gegen dieses Wort sind, ist mir nicht klar.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Weil Sie mit der Argumen- tation etwas Bestimmtes verfolgen!)

Das ist doch eine reine Beschreibung.

Jedenfalls ist es so, dass die vierjährige Grundschulzeit Ergebnisse bringt und dass auch das gegliederte Schulsystem in Baden-Württemberg und in Bayern Ergebnisse bringt, wonach wir in Baden-Württemberg und Bayern mit gegliederten Strukturen für die Schülerinnen und Schüler im Alter von 15 Jahren besser sind. Deshalb wehre ich mich gegen eine Einheitsschule.

Herr Kollege Dr. Mentrup, im Zuge einer fachlichen Argumentation können wir uns ja austauschen. Aber dann sollten Sie bitte auch zu den fachlichen Argumenten Stellung nehmen und einsehen, dass wir die richtigen Schlüsse ziehen und die Debatte über das gegliederte Schulsystem nicht in den Mittelpunkt stellen, sondern vielmehr das Augenmerk auf die Qualität der schulischen Arbeit richten.

Eines, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD: Wir würden es unserer Bundespartei nicht durchgehen lassen, wenn sie schreiben würde: „Ist ein Bildungsweg einmal eingeschlagen, ist er nur schwer zu verändern“, wenn wir in BadenWürttemberg gleichzeitig vom Leiter des IGLU-Konsortiums Bos bescheinigt bekommen, dass das Schulsystem überall so durchlässig sein sollte wie in Baden-Württemberg und Bay ern.

(Beifall des Abg. Michael Theurer FDP/DVP – Zu- ruf von der CDU: Aha!)

Das zeigt, dass die SPD eben nicht zur Kenntnis nimmt, dass man so, wie wir es in Baden-Württemberg tun, Schule gut organisiert.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Reinhold Gall SPD: Die Lebenswirk- lichkeit spricht eine ganz andere Sprache! – Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Mentrup.

(Abg. Klaus Herrmann CDU: Noch einmal so eine Bewerbungsrede!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Schebesta, ich verstehe Ihre Aufregung nicht. Ich habe doch noch gar keine Konsequenzen aus den Studien gezogen.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Das war ein Fehler!)

Ich habe Ihnen lediglich Fragen gestellt. Ich habe Ihnen z. B. die Frage gestellt, warum Sie feststellen – und das stellt die IGLU-Studie ja auch fest –, dass frühkindliche Erziehung ein richtiger Ansatz ist, um die sozialen Ungleichheiten an dieser Stelle zu beseitigen, und dass sich ein verlängerter Kindergartenbesuch positiv auf die Lesekompetenz auswirkt. Ich habe außerdem festgestellt, dass es im Grundschulbereich sehr wohl gelingt – und zwar noch besser als zuvor –, hier im internationalen Vergleich zu guten Ergebnissen zu kommen.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Wie war das noch mit der Gliederung?)

Danach habe ich Ihnen die Frage gestellt, warum etwas, was für den „Einheitskindergarten“ – um Ihre Begrifflichkeit aufzunehmen – gilt und was auch für die „Einheitsschule“ von der ersten bis zur vierten Klasse gilt, dann aber in der fünften Klasse falsch sein soll.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Weil sich Lerntem- po und Arbeitsverhalten verändern!)

An dieser Einschätzung ändert sich auch nichts dadurch, dass Sie darauf verweisen, dass viele Schüler über das technische Gymnasium und ähnliche Einrichtungen später noch aufsteigen. Vielmehr wird dieser Erfolg der angeblichen Durchlässigkeit teuer erkauft. Einen weiter gehenden Abschluss zu erlangen, ist meistens mit Rückstufungen und damit auch mit Zeitverlust verbunden – ganz nebenbei bemerkt –, und eben dabei wollten wir uns doch im internationalen Vergleich beschleunigen.

Genau diese Begründungen und Beweise sprechen doch dafür, einmal kritisch zu untersuchen, ob eine Aufspaltung nach der vierten Klasse denn den gewünschten positiven Effekt der Grundschule weiterführt oder ob sie ihn nicht eher abbrechen lässt. Auch diese Erkenntnis – dazu brauche ich keinen Wissenschaftler – kann ich mit ein bisschen gesundem Menschenverstand aus den beiden Studien herauslesen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Zudem habe ich Ihnen die Frage gestellt: Wenn es denn so ist, dass der Besuch der Kindertagesstätte für die Sprachförderung so wichtig ist, warum nutzen Sie dann den Nachtragshaushalt nicht dafür, jetzt endlich einmal die richtigen Pflöcke einzuschlagen? Warum übernehmen Sie nicht die Verantwortung für die flächendeckende Einführung von Sprachfördermaßnahmen und eine flächendeckende Einführung des Orientierungsplans? Es reicht eben nicht, dies ab dem Jahr 2009 verbindlich einzuführen, sondern Sie müssen schon jetzt die notwendigen Landesmittel hierfür bereitstellen, damit überhaupt vor Ort die Situation entsprechend geschaffen werden kann.

(Beifall bei der SPD – Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Dr. Mentrup, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Schebesta?

Ich setze meine Erläuterungen zunächst einmal fort, dann hat sich die Zwischenfrage möglicherweise erübrigt.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Herr Schebesta, sicherlich gibt es bei PISA in dem einen oder anderen kleinen Punkt Verbesserungen.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Nicht nur in einem kleinen Punkt!)

Diese relativen Verbesserungen ergeben sich allerdings zum Teil nur dadurch, dass sich manche anderen Länder verschlechtern. Insgesamt sind die Verbesserungen zunächst einmal ein Erfolg. Es ist aber nach wie vor so, Herr Schebesta, dass der Zusammenhang zwischen Migrationshintergrund und schlechteren Schulleistungen in Deutschland größer ist als in jedem anderen der untersuchten Länder. Auch das muss man ehrlicherweise doch als Ergebnis dieser Studien hier anführen.

Es ist bei den PISA-Ergebnissen insgesamt doch so, dass sich z. B. bei der Lesekompetenz 20 % eines Jahrgangs in der Spitzengruppe befinden, während es in Deutschland nur 10 % sind. Bei den Kompetenzärmeren, in der schwächsten Gruppe hat man in Deutschland 20 %, während es in der Spitzengruppe nur 5 % eines Jahrgangs sind.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Das sind doch die Zah- len von der vorherigen Untersuchung!)

Das sind doch keine Ergebnisse, aufgrund deren wir uns zufrieden zurücklehnen können und sagen können: „Wir haben das Problem im Griff.“ So einfach können Sie es sich hier doch wirklich nicht machen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)

Wenn wir feststellen, dass sich 5 bis 7 % der Hauptschülerinnen und Hauptschüler von ihrer Kompetenz her auf einem mittleren Gymnasialniveau befinden, und wenn wir feststellen,

(Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

dass Schüler aus bildungsschwachen Familien ein Ergebnis von 614 Punkten brauchen, um von der Grundschule in das Gymnasium wechseln zu können, aber Schüler, die aus einem bildungsnahen Elternhaus kommen, nur 537 Punkte, dann müssen Sie diesen Unterschied doch erklären.