Ich komme darauf zurück. – Nach meiner Meinung haben wir in dieser Debatte leider zu wenig über die Möglichkeiten im neuen Polizeigesetz gesprochen. Wir haben ein neues Polizeigesetz erarbeitet, das eine Reihe von neuen Möglichkeiten für die Polizei bringt, und zwar interessante Möglichkeiten,
Ich würde heute sagen: Wir sind gut gerüstet für die Terrorismusbekämpfung in der Zukunft, für die Herstellung der Sicherheit – soweit man eben gerüstet sein kann. Ich möchte ein bisschen davor warnen: Wer suggeriert, dass man mehr tun könnte, indem man irgendeine neue Technik anwendet, der begibt sich auf einen gefährlichen Weg, der stiftet auch ein Stück weit ein trügerisches Sicherheitsgefühl. So einfach ist es nicht. Es reicht nicht, einfach irgendeine Zauberformel oder eine neue Technik in den Raum zu stellen und zu denken, so komme man voran. Damit würden die Menschen auch ein bisschen hinters Licht geführt nach dem Motto: „Wir tun da etwas, und die anderen bremsen nur“, ohne dass man jedoch in der Lage wäre, zu sagen, warum man das macht. Der Nutzen ist nicht dargelegt. Aber der potenzielle Schaden ist nun einmal offenkundig, weil kein Computer mehr privat ist.
Kommen wir zum Bundesverfassungsgericht. Ich halte es für sehr vernünftig, sich anzuschauen, was da im nächsten Januar kommen soll. Jeder, der etwas von der Verfassung versteht, muss zu der Einschätzung gelangen, dass das ohnehin ein Streit um des Kaisers Bart ist, den wir im Moment führen. Wir müssen schon schauen, dass wir die Verfassung, die wir schützen wollen, auch respektieren. Wenn ich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, gerade zum Artikel 13 des Grundgesetzes, zur Unverletzlichkeit der Wohnung, fortsetze,
so wird von dem Gegenstand dieser Debatte, was Onlinedurchsuchungen anbelangt, tatsächlich nicht viel übrig bleiben.
Auch deswegen bin ich der Meinung, wir sollten dieses Thema nicht so hochziehen. Es ist auch eher im Sinne der Menschen, dass wir darauf hinweisen, welche Möglichkeiten zur Terrorismusbekämpfung wir in diesem Land geschaffen haben, und ihnen vermitteln, dass wir eine gute Chance haben, weiter für Sicherheit zu sorgen, und vor allem, dass wir alles getan haben, was man nach meiner Meinung vernünftigerweise überhaupt tun kann.
Herr Minister, ich bin Ihnen sehr dankbar für die sachlichen Äußerungen. Würden Sie mir aber in Folgendem recht geben? Wenn sowohl die Spitze des Bundeskriminalamts – unbestritten in der Praxis verankert – als auch die Generalbundesanwältin – also eine der Spitzen der Judikative – die Onlinedurchsuchung fordern, dann kann dies in sachlicher Hinsicht doch so falsch nicht sein.
Es gibt hierzu Stimmen pro und kontra. Und nun schalte ich – in aller Bescheidenheit – meinen eigenen gesunden Menschenverstand ein und stelle nüchtern fest, dass auch Herr Ziercke keinen Fall hat nennen können, bei dem er da vernünftigerweise und entscheidend weiterkommen würde. Ich höre immer nur: „Wir brauchen das, wir brauchen das, wir brauchen das.“ Sie wissen, dass auch die Polizei unter einen gewissen Zugzwang kommt. Wenn etwa Herr Schäuble – den ich mag und schätze – lange genug herumläuft und sagt, das gehe nur mit Onlinedurchsuchung, wird irgendwann auch der Polizeichef natürlich sagen: „Klar, das brauchen wir.“
(Lachen bei Abgeordneten der SPD – Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Abg. Hans Georg Jungin- ger SPD: So geht das!)
Tatsache ist – diese Bemerkung kann ich mir jetzt auch nicht verkneifen –: Wir haben lange über dieses Polizeigesetz diskutiert, lieber Herr Fraktionsvorsitzender Stefan Mappus. Aber bis zu dem Zeitpunkt, als Herr Schäuble damit kam, hat die Forderung nach Onlinedurchsuchung in den Verhandlungen überhaupt keine Rolle gespielt. Das war überhaupt kein Thema.
Hängen wir das also jetzt nicht zu hoch, sondern schauen lieber, dass wir den Terrorismus gemeinsam bekämpfen. Das ist das Beste.
(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Das Parlament ist hier! Das ist doch keine Kabinettssitzung! Was soll denn das? Wir können Kabinettssitzungen gern öffentlich machen! – Weitere Zurufe von der SPD – Unruhe)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Keine Aufregung! Ich will dem Kollegen Dr. Goll ausdrücklich recht geben und es auch in dieser Debatte noch einmal unterstreichen: Wir dürfen jetzt nicht den Blick einengen und verkennen, dass wir über die Novellierung des Polizeigesetzes in der Tat viel erreichen werden.
Deswegen machen Sie sich keine falschen Hoffungen: Die Koalitionsarithmetik stimmt, die Harmonie auch, und das wechselseitige Verständnis stimmt auch.
Aber zu sagen, es sei alles in Ordnung, ist ein bisschen gefährlich. Natürlich ist die Forderung derer berechtigt, die sich gegen Onlinedurchsuchungen aussprechen, die lautet: „Zeigt mir einmal, wo dies wirklich notwendig ist. Wenn die Praxis sagt, das sei erforderlich, dann müssen wir hierfür einen rechtlichen Rahmen schaffen, aber ihr müsst den Beweis liefern, dass es erforderlich ist.“ Diese Forderung ist völlig berechtigt.
Jetzt, Herr Kollege Goll: Dieser Fall – und deswegen habe ich das vorhin so sachlich abgehandelt – wird im Wege des Gerichtsverfahrens, im Wege der Beweisaufnahme möglicherweise – ich drücke mich vorsichtig aus – Fakten aufzeigen, die uns zwingen, über dieses Problem noch einmal nachzudenken.
Ich will ein bisschen deutlicher werden – ich muss es ja, weil ich Ihnen die Antwort schuldig bin –: 90 % aller Kommunikationsprozesse, auch in diesem aktuellen Verfahren, liefen über Internet, über PC, und da wiederum über die berühmten Hotspots. Das heißt, es ist auf der Festplatte des Verdächtigen hinterher nichts drauf.
(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Warum muss dann durchsucht werden? – Abg. Heiderose Berroth FDP/ DVP: Das ist es doch! – Zuruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)
Ja, eben, Frau Kollegin Berroth, im Fall dieses Fritz G. wurden Wohnungen durchsucht, die völlig clean waren, obwohl da eine enorme Kommunikation stattfand.
Auf der Festplatte kann man nichts finden, weil dort hinterher nichts mehr feststellbar ist. Wenn wir aber auf dem Rechner sind, wissen wir, was da läuft und mit wem kommuniziert wird. Das ist der Punkt, meine Damen und Herren.
Ich will die Diskussion nicht weiter anheizen. Wir haben uns darauf verständigt, abzuwarten, was das Bundesverfassungsgerichtsurteil ergibt und was im BKA-Gesetz herauskommt. Verfolgen Sie das Verfahren und die Beweisaufnahme aufmerksam. Sie werden die Antwort auf das, was ich vorhin angedeutet habe, sehr schnell finden und sich selbst geben können. In diesem Verfahren waren nicht nur hoch professionelle Täter, sondern auch hoch professionelle Polizeibeamte am Werk. Aber wir waren auf Informationen angewiesen, die wir nicht aufgrund unserer eigenen Handlungsmöglichkeiten bekommen haben. Diese Lücke möchte ich künftig nicht bewusst hinnehmen. Darum geht es.
Die Kommunikation und die Kommunikationstechniken sind die Achillesferse bei der ganzen Geschichte. Da müssen wir auf Augenhöhe bleiben.
Aber letztlich noch eines, Herr Kollege Sckerl: Kein Mensch will den Präventionsstaat. Kein Mensch will den gläsernen
Bürger. Aber unsere Bürger erwarten von der Polizei, dass sie nicht nur repressiv tätig ist, nicht nur aufklärt, wenn etwas passiert ist, und dass dann bestraft wird,
sondern dass unsere Polizei in dem Umfang tätig ist, dass viele Straftaten gar nicht erst begangen werden können
Dazu gehört auch gerade exemplarisch dieser Fall. Wir führen über 500 Projekte der kommunalen Kriminalprävention durch.