(Abg. Hans Georg Junginger SPD: Selbstverständ- lich! – Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Solange Sie mit der FDP/DVP regieren!)
Dabei bleibt es. Aber die Frage nach der Erforderlichkeit stellt sich gleichwohl. Ich komme gleich noch darauf zurück. Ich will aber den Blick nicht verstellen.
Daneben haben wir ein neues Polizeigesetz jetzt so weit miteinander vereinbart, dass es demnächst dem Parlament vorgelegt werden kann. Das wird auch qualitativ wesentliche Verbesserungen für unsere Polizei bringen. Ich nenne nur stichwortartig das automatische Kennzeichenlesesystem, die erweiterten Möglichkeiten zur Videoüberwachung, insbesondere auch, was die Speicherfristen betrifft, die bislang viel zu kurz waren, und die präventiv-polizeiliche Nutzung von Verbindungsdaten bei der Telekommunikationsüberwachung. Das sind wichtige Punkte, die mit dem Koalitionspartner vereinbart werden konnten. Ich danke ausdrücklich für diese gute Zusammenarbeit bis zu diesem Punkt. Diese Verbesserungen werden uns helfen, wenn es um die weitere Intensivierung des Kampfes gegen den Terrorismus geht.
Wir werden vor dem Hintergrund der anhaltenden Bedrohungslage – ich glaube, Kollege Sckerl hat gesagt, in der zwei
ten Runde wolle er darauf eingehen; ich nehme es einmal vorweg – die Verwaltungsstrukturreform und das beschlossene Stellenabbauprogramm im Nichtvollzugsdienst voraussichtlich am 31. Dezember 2008 einstellen. Dann werden wir etwa die Hälfte der zu erbringenden Stelleneinsparung tatsächlich auch erbracht haben. Das wird dann zu einer deutlichen Entspannung führen,
weil wir das Vollzugspersonal durch die ca. 400 Stellen, die dann weniger einzusparen sind, entlasten können, wenn wir also 400 Stellen im Nichtvollzugsdienst gegenüber der bisherigen Planung mehr haben.
Aber wir sichern uns damit auch notwendige Handlungsspielräume zur Einstellung von Verwaltungspersonal sowie auch, um Zeitverträge verlängern oder in Dauerarbeitsverhältnisse überführen zu können.
Wir werden zudem sehr sorgfältig prüfen – ich sage mit Nachdruck: prüfen –, ob wir im Polizeivollzugsdienst einen Einstellungskorridor realisieren können. Damit wäre in den nächs ten Jahren ein konstantes Niveau von Neueinstellungen gewährleistet. Das sind bis zum Jahr 2012 jährlich zum Teil über 200 Polizeibeamte mehr als bisher geplant. Diese Maßnahme käme der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus zugute. Sie würde – nebenbei bemerkt; das ist jedoch auch ein wichtiger Aspekt – die Altersstruktur unserer Polizei gerade im Vollzugsbereich verbessern.
Aber wir brauchen auch modernste Technik. Wir werden im Land eine hochmoderne Telekommunikationsüberwachungsanlage realisieren. Dafür stehen im Haushalt 2008 – ich danke ausdrücklich dafür – 3 Millionen € zur Verfügung. Wir haben im Lauf des Ermittlungsverfahrens auch erkannt, dass wir auf neue Bedürfnisse, die sich aus dem Kommunikationsverhalten der Terroristen ergeben, reagieren müssen. Deswegen haben wir 400 000 € in modernste Technik zur Überwachung fremder und zum Schutz eigener Kommunikation investiert.
Jetzt komme ich zu dem Punkt: Was noch fehlt, sind Rechtsgrundlagen für Onlinedurchsuchungen und die präventiv-polizeiliche Telekommunikationsüberwachung, was die Gesprächsinhalte anbelangt.
Ich will jetzt nicht im Einzelnen auf die Streitpunkte eingehen. Die Argumentation des Koalitionspartners FDP/DVP ist nachvollziehbar; auch die Argumente der SPD sind nachvollziehbar. Aber diese stehen halt unversöhnlich der durchgängigen Meinung der Praktiker gegenüber. Die Praktiker sagen uns unisono:
Wir brauchen dieses Instrument. Wenn wir im Bereich IuK verfolgungsfreie Räume bekommen, wird es unseren Ermittlungsbehörden nicht möglich sein, künftig frühzeitig Strukturen aufzudecken, Netzwerke zu erkennen und Verbindungen auszumachen. Wir werden auch künftig – hoffentlich mit ge
nauso viel Glück wie dieses Mal – die Gefahren mit herkömmlichen Methoden der Observation und unter hohem finanziellen und personellen Aufwand abwehren können. Das ist aber der Punkt, wo ich nur hoffen kann, dass uns die Realität nicht eines Tages überholt. Denn dann müssten wir noch einmal ernsthaft diskutieren.
Meine Damen und Herren, die Gefahr, dass in Deutschland zum ersten Mal ein Anschlag gelingt, ist noch einmal größer geworden. Das Ermittlungsverfahren hat in bisher nicht gekannter Klarheit gezeigt, dass islamistische Terroristen auf technisch höchstem Niveau arbeiten. Allein durch Observationsmaßnahmen hätten wir nicht sicherstellen können, dass alle wesentlichen Informationen rechtzeitig zusammengetragen werden konnten. Es wird im Laufe der Gerichtsverfahren noch deutlich werden, dass wir auch hier auf Informationen angewiesen waren, die wir allein mit eigenen Möglichkeiten – rechtlich und technisch – in diesem Umfang nicht hätten bekommen können.
Dies wird sich noch zeigen. Ich will an dieser Stelle der Beweisaufnahme im Gerichtsverfahren nicht vorgreifen. Aber wir werden auf Bundesebene die Erfahrungen aus diesem Ermittlungsverfahren sorgfältig auswerten und daraus die richtigen Schlüsse ziehen. Dabei ist wichtig, den Sicherheitsstrukturen ein bundeseinheitliches Niveau zu geben.
Es hat sich im Verfahren auch gezeigt, dass die Gefahrenabwehr bei den Ländern gut aufgehoben ist. Die föderale Sicherheitsarchitektur hat sich also bewährt. Die Länder sind mit ihrem Personal und dessen Ortskenntnissen nahe am Geschehen dran. Bei einer sich zuspitzenden Bedrohungslage muss schnell reagiert werden. Das ist in den Ländern am allerehesten gewährleistet. Das muss bedacht werden, wenn auf Bundesebene über die Erweiterung der präventiv-polizeilichen Befugnisse des BKA diskutiert wird.
Jetzt warten wir zum einen einmal ab, was das Gericht sagt, und zum anderen, wie das BKA-Gesetz aussieht. Dann werden wir sehen, ob wir hier in den Ländern noch Handlungsbedarf haben.
Herr Sckerl, Sie haben die Äußerungen des Mitarbeiters des LfV angesprochen. Ich kann nur sagen: Alle bisherigen Erkenntnisse lassen darauf schließen, dass es sich bei der islamistischen Dschihad-Union um eine existierende Vereinigung handelt. Die Telefonate aus den Callshops wurden ja nicht virtuell mit dem Weltall oder sonst jemandem geführt, sondern ganz konkret mit der Organisation. Es wird Sache des laufenden Ermittlungsverfahrens sein, alle Hintergründe und alle Hinweise abzuklären.
Herr Kollege Junginger – auch darauf möchte ich noch kurz antworten –, Sie haben die Panne in Friedrichshafen angesprochen. Das ist natürlich in der Tat eine ärgerliche Sache. Aber auch hier gilt: Polizeibeamte sind Menschen. Da kommen Fehler vor. Ich stehe zu dieser Polizei, gerade auch dann, wenn Fehler passieren. Wir müssen natürlich alles tun, um so etwas zu verhindern. Sie können versichert sein, dass diese Panne an sich sowie die Frage der Informationssteuerung intern von uns aufbereitet werden. Aber mir kommt es darauf an – deswegen greife ich es auf –, der Presse, den Medienvertretern
ausdrücklich dafür zu danken, dass sie von den Informationen, die ihnen irrtümlich zugegangen sind, keinen Gebrauch gemacht haben. Das war für mich in besonderer Weise beeindruckend.
Meine Damen und Herren, zum Schluss ein Satz: Wer unserer Polizei vertraut, muss ihr auch das rechtliche und technische Handwerkszeug an die Hand geben, das sie braucht, um Anschläge auch künftig wirksam vereiteln zu können.
(Beifall bei der CDU – Widerspruch bei der SPD – Abg. Hans Georg Junginger SPD: Das war Stamm- tisch!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich schließe mich dem, was der Innenminister zum Schluss gesagt hat, an.
(Abg. Ursula Haußmann SPD: Das wundert uns nicht! – Abg. Reinhold Gall SPD: Das wundert uns wirklich nicht! Genau das ist eine Unterstellung, die einfach nicht stimmt!)
Der Innenminister hat vorhin am Schluss seiner Rede – nicht ganz am Schluss – gesagt, dass die islamistischen Terroristen immer auf allerhöchstem technischem Niveau ausgestattet sind und agieren.
Da brauchen Sie nicht zu brüllen. Das ist so. – Das führt beispielsweise dazu, dass sie bei der Nutzung des Internets und der Computertechnik keinerlei Spuren auf ihrem eigenen PC hinterlassen.
Das führt dazu, dass die Polizei mit den Instrumentarien, die sie derzeit hat – das sind die Beschlagnahme und die anschließende Durchsuchung des Computers –, nicht weiterkommt. Das ist ein Beleg dafür, dass wir nicht reflexartig neue Rechts
grundlagen fordern, sondern dass eine Notwendigkeit besteht, unsere Ermittlungsbehörden auf Augenhöhe mit den Terroristen, mit den Verbrechern zu halten. Es hilft uns nicht weiter, wenn wir die Methoden des vergangenen Jahrhunderts behalten und die anderen sich fortentwickeln.
Deswegen brauchen wir in diesem Fall beispielsweise die Onlinedurchsuchung, weil sie die einzige Möglichkeit ist, in diesen wenigen Fällen – ich sage es gebetsmühlenhaft immer wieder: in diesen wenigen Fällen –, nämlich einer Handvoll Fälle oder zwei Handvoll Fällen im Jahr, einzugreifen.
Ein Hauptbedenken Ihrer Seite, Herr Kollege Noll – wir nehmen das ernst –, gegen dieses Instrumentarium ist die Tatsache, dass der Betroffene zum Zeitpunkt der Maßnahme nichts davon weiß, sprich dass sie geheim erfolgt. Dies gehört aber bei etlichen anderen Ermittlungsinstrumenten einfach mit dazu, und das ist schon lange so. Ich nenne Ihnen als Beispiel einmal die Briefüberwachung nach dem G-10-Gesetz, ich nenne die Telekommunikationsüberwachung, ich nenne die Observation, ein ganz normales Instrument der Polizei für ihre tägliche Ermittlungsarbeit. In all diesen Fällen weiß der Betroffene zum Zeitpunkt der Maßnahme nicht, dass ihn jemand beobachtet oder jemand an ihm dran ist, sondern erfährt es erst hinterher.
Deswegen muss so etwas unter strengen rechtlichen Voraussetzungen, mit Richtervorbehalt und anderem mehr, bei der Onlinedurchsuchung genauso möglich sein. Der Täter, der Verdächtige erfährt es dann hinterher.
Ich sage es jetzt noch ein letztes Mal und hoffe, dass Ihre falsche Behauptung dann nicht mehr wiederholt wird: Es ist ein Instrument, das sich technisch überhaupt nicht zum massenhaften Einsatz eignet. Es geht nur in ganz wenigen extremen und explizit begründeten Fällen.